Der Ionen-Antrieb
Weil mir jetzt ganz viele Leser zum Kretschmann-Blogartikel schrieben, es gebe doch einen elektrischen Raketenantrieb, den Ionen-Antrieb:
Das sehe ich anders.
Denn erstens ist der Ionenantrieb kein rein elektrischer Antrieb, sondern arbeitet auch über das Rückstoßprinzip, indem geladene Gasmoleküle oder -atome, eben Ionen, ausgestoßen werden, die zwar elektrisch beschleunigt werden (genauer: von denen man sich elektromagnetisch abstößt), die aber – im Gegensatz zu einem Elektroauto – mit einem Massenverlust und -verbrauch einhergehen. Die Rakete hat das Gas hinterher nicht mehr, das sie vorher hatte. Auch wenn das Gas dann kein Treibstoff im chemischen Sinne ist, weil es nicht chemisch umgewandelt wird und keine chemische Energie frei wird, ist es doch ein Treibstoff in dem Sinne, dass es sich verbraucht und man sich davon abstößt.
Außerdem ist die Wirkung so schwach (und funktioniert auch meines Wissens nur außerhalb einer Atmosphäre brauchbar), dass der Schub nicht einmal reichen würde, um eine Rakete umkippen oder wenigstens ein bisschen zittern zu lassen.
Bisherige Ionenantriebe besitzen gegenüber konventionellen chemischen Raketentriebwerken einen weit geringeren Schub, bei Sondenantrieben etwa vergleichbar mit der Gewichtskraft einer Postkarte (70 Millinewton), jedoch bei einer deutlich erhöhten Austrittsgeschwindigkeit des Gases (10 bis 130 km/s, Prototypen bis 210 km/s[1]) und einer deutlich längeren Wirkdauer. Die Gesamtmasse des Raumfahrzeugs muss dennoch so klein wie möglich gehalten werden, um für den Betrieb ausreichende Beschleunigungen und damit annehmbare Schubdauern zu erreichen.
Quasi die Geisteswissenschaftlerin unter den Raketenantrieben: Politisch korrekt, aber die Wirkung ist kaum messbar, es funktioniert nur im luftleeren Raum und ohne Gravitation, und es beruht auf dem Ausstoßen von heißer Luft.
Damit kann, wenn man seeeehr viel Zeit hat und es wenig Masse hat, einen Körper im leeren Weltall gaaanz langsam antreiben und mit der Zeit auf Tempo bringen, aber es dauert sehr, sehr lange. Man kann keine Rakete mit Ionenantrieb starten, sondern nur sie mit einem Raketenantrieb aus dem Gravitationsfeld der Erde entfernen, dass sie die Fluchtgeschwindigkeit erreicht, und dann mit dem Ionenantrieb im freien Raum weiter beschleunigen.
Und ich bin mir gerade nicht einmal sicher, müsste darüber noch länger nachdenken und nachlesen, ob man das dann überhaupt als „Rakete“ bezeichnen kann, obwohl es auf dem Rückstoßprinzip beruht. Denn eine Rakete ist etwas, was den Rückstoß als Antrieb verwendet, um einen Fahrtwiderstand, eine Gegenkraft (Luft, Wasser, Gravitation) zu überwinden. Da, wo ein Ionenantrieb funktioniert, gibt es das aber alles nicht, ein Körper behält seine Geschwindigkeit von selbst bei, der fliegt einfach weiter, wenn man den Antrieb abschaltet (nicht wie in Science Fiction, in denen das Raumschiff stehen bleibt, wenn der Antrieb ausfällt). Der Ionenantrieb ist also ein reines Beschleunigungs- und kein Antriebsmittel. Die Fortbewegung selbst beruht auf Massenträgheit und ballistischer Bewegung, nicht auf Ionenantrieb. Damit wäre ein Körper (Raumschiff, Sonde, Briefkasten,…) der mit Ionenantrieb durch das Weltall fliegt, nach meiner Auffassung keine Rakete im engeren Sinne, weil er keinen Antrieb benötigt.
Aber selbst wenn:
Es ändert nichts daran, dass man auch für Objekte mit Ionenantrieb immer noch eine chemische Verbrennerrakete braucht, um sie überhaupt aus der Atmosphäre und dem Gravitationsfeld der Erde rauszubekommen. Und dass sie eben nicht „elektrisch“ im e-Auto-Sinne sind, sondern auf Massenverlust beruhen:
Die Sonde SMART-1 wog z. B. 367 Kilogramm und führte 84 kg Xenon als Stützmasse für das Triebwerk PPS 1350 mit. Ionentriebwerke haben einen hohen Leistungsbedarf (bei SMART-1 1300 W allein für das Triebwerk). Erst die neuesten Triple-Junction-GaInP2/GaAs/Ge-Solarzellen liefern eine ausreichende Leistung pro Fläche (bei SMART-1 ca. 370 Watt/m², Wirkungsgrad 27 %), um bei vertretbarer Solarmodul-Größe brauchbare Ionenantriebe zu versorgen.
Ganz abgesehen davon, dass das Argument der Grünen gegen den Verbrenner, nämlich über die Atmosphäre das Klima aufzuheizen, da, wo der Ionenantrieb funktioniert, gar nicht zieht, weil es da keine Atmosphäre gibt es und es völlig egal wäre, ob CO2 in das Weltall entweicht, der Ionenantrieb als Beispiel eines elektrischen Raketenantriebs also schon deshalb ausfällt, weil er ja kein Klima schützt und damit die grüne Denke weit verfehlt. Und es ging ja nicht um Raketenphysik, es ging ja um einen Witz über Kretschmann.
Und das ist das Hauptproblem, dass viele Leute schlicht nicht verstanden haben, dass es darum ging, mich über die Grünen lustig zu machen und nicht darum, einen vollständigen Überblick über Raketentechnik zu geben.