Ansichten eines Informatikers

RED

Hadmut
12.5.2024 3:53

Das ärgert mich jetzt.

Ich hatte ja mal erwähnt, dass mich meine misslungene Karriere so ärgert, ich gerne vor 30 Jahren in die USA (war wirtschaftlich besser) oder Australien (landschaftlich und gesellschaftlich schöner) gegangen und dort irgendwas gegründet hätte, entweder irgendwas mit Sicherheit oder was mit Photographie, so etwas wie die australische Blackmagic Design. Stattdessen hier in einem Land hängen geblieben, in dem es eigentlich gar nichts gibt außer Streit, Ideologie, Steuern, Frauenquote und den Rundfunk.

Vor einiger Zeit hatte ich mal darüber geschrieben, dass Nikon den Kamerahersteller RED übernommen habe. Ich hatte das so gedeutet, dass sich die Kamerawelt verändert und Fotografie an Wert verliert, alles in Richtung Video geht. Und Nikon zwar in Fotografie eine Topmarke ist, die bisher aber im Videobereich nicht sehr punkten konnten. Es nimmt kaum jemand im professionellen Bereich Videos mit Nikon-Objektiven auf. Das läuft überwiegend mit Sony, teils Canon, und vor allem Cine-Objektiven verschiedener Hersteller. Im Kinobereich viel ARRI, und dazwischen der kleinere Hersteller RED, der Kameras in Kino-Qualität macht, aber preislich unter ARRI liegt. Ich fand es etwas erstaunlich, dass Nikon gleich in den Kinobereich will, aber man nimmt halt, was man noch kriegen kann. Es wurde auch als kurios eingestuft, weil es die RED nicht mit Nikon-Bajonett, aber mit dem von Nikon-Konkurrent Canon gibt, und Nikon schon sagte, dass es daran erst einmal nichts ändern werde, weil man die Kunden mit Canon-Objektiven nicht verärgern wolle (aber wohl auch, weil Nikon keine so richtigen Kino-Objektive im Angebot hat).

Nun lese ich gerade, was der eigentliche Grund für die Übernahme war. RED war wohl deutlich weniger wert, als ich gedacht hatte. Keine Ahnung, wieviel Umsatz die machen, aber ich hätte die schon als Marktwert ziemlich hoch eingeschätzt. Vielleicht nicht gerade eine Milliarde, weil deren Kameras jetzt auch keinen Massenmarkt haben, aber in den USA ist eine Firma mit bekanntem Markennamen ja immer gleich einen Haufen wert.

Nikon hat RED für lächerliche 85 Millionen Dollar bekommen.

Und sie haben RED deshalb gekauft, weil RED Nikon wegen der Verletzung eines Patentes zur komprimierten Speicherung von RAW-Daten verklagt hatte. Und die ganze Firma mitsamt dem Patent einfach zu kaufen war für Nikon billiger, als den Rechtsstreit auszufechten. Jetzt haben sie das Patent, die Firma, den Rechtsstreit erledigt und noch Geld gespart.

Was mich jetzt ärgert. Denn wäre ich nicht gerade in Deutschland eingegangen und vertrocknet, und damit aus internationaler Sicht keinen Blumentopf mehr wert, wäre es ein Leichtes gewesen, für so etwas 85 Millionen Venture Capital aufzutreiben, den Laden zu kaufen, und aufzumöbeln. 85 Millionen ist in den USA Kaffeekasse. Das hätte man hinbekommen.

Ich finde das überaus erstaunlich, denn RED hat einen ziemlich guten Ruf. Nicht so gut wie ARRI, aber sehr beliebt bei vielen Produktionen, die etwas aufs Geld achten müssen oder kleinere Kameras suchen, sie hat auch ein paar Vorteile, und gerade dieser Markt und die Serienproduktionen werden ja abgehen und in vielen Bereichen Kinofilme verdrängen. Teilweise tun sie das ja schon. Es gibt ja erstaunlich viele Kinostars, die inzwischen etwas machen, was man sich früher nie hätte vorstellen können, nämlich in einfach gemachten Serien zu spielen. Das wäre denen früher nie in den Sinn gekommen, in günstigen Produktionen oder gar Fernsehproduktionen mitzumachen, unterhalb von Hollywood-Blockbustern ging da gar nichts. Aber auf einmal haben viele Schauspieler, vor allem sehr reiche, denen es auf das Geld nicht mehr so ankommt, keine Lust mehr auf die Kinoproduktionen mit 90 Minuten Krach Bumm Bäng und CGI, sondern haben lieber Produktionen, die optisch realistischer rüberkommen, und weniger Krawall, dafür aber die Zeit, in Ruhe eine Story zu erzählen und Charaktere zu entwickeln. Ich hatte das ja schon positiv bemerkt, dass seit das Streaming in Mode gekommen ist und nicht mehr primär für das Fernsehen produziert wird, die Folgen nicht mehr gleich lang sind, weil sie nicht mehr in ein starres Programmschema passen müssen. Man muss nicht mehr kürzen oder ausstopfen, sondern macht die Folge einfach so lange, wie man sie haben will, und ist nicht mehr so wichtig, ob die mal 10 Minuten länger ist oder auch 20. Oder man einfach eine Folge mehr macht, weil es noch etwas zu erzählen gab. Das war ja an den Harry-Potter-Filmen so schlimm, dass man da immer versuchte, ein ganzes Buch in einen Film zu stopfen, weil man wusste, dass die Leute sich eher über jede fehlende Szene beschweren würden, als einen guten Film zu bekommen.

Vor allem aber liegt darin auch eine Abkehr von den großen Hollywood-Studios, weil die Serien oft von kleineren Produktionsfirmen oder Läden wie Amazon und Netflix produziert werden. Da entsteht schon ein gewisser Markt, und das weltweit.

Die Frage ist natürlich, wie groß der Markt ist. Die RED kosten so ungefähr, so ganz grob, zwischen 7.000 und 50.000 Euro, eine ARRI Alexa dagegen gerne über 100.000, und mindestens nochmal soviel legt man für Objektive drauf (wovon RED aber wohl nichts hat, denn ich glaube, die machen keine Objektive). Ich habe keine Ahnung, wieviele sie davon eigentlich pro Jahr verkaufen. aber ein Massenmarkt ist das natürlich nicht. 100? 1000? Ich weiß es nicht. Hätte mich interessiert, welchen Jahresumsatz die gemacht haben, irgendwo wird es da ja Berichte geben.

Aber: Man bekommt mit den Dingern und Cine-Objektiven richtig gute Aufnahmen hin, besser als mit den kleinen, und inzwischen gibt es Objektivhersteller, die Cine-Objektive deutlich preisgünstiger anbieten.

In dieser Nische zwischen den kleinen und den ganz großen, aber ganz teuren, kann man sich wunderbar einrichten, und da hätten sie deutlich mehr machen können, denn das halte ich für einen großen Markt der Zukunft, diese Qualität oberhalb von Fernsehqualität, aber unterhalb von Hollywood-Kino-Qualität. Optisch top, aber nicht so studiomäßig überbrezelt, sondern realistisches Erzählformat.

Das wäre was gewesen.

Sehr erstaunlich, dass RED für nur 85 Millionen Dollar rübergegangen sei, wenn allein schon deren Patent genug wert gewesen war, Nikon mehr Ärger zu bereiten. Hätte ich nicht geglaubt, dass in Zeiten von Börsenwerten im Billionenbereich so eine Firma so günstig zu haben ist.

Es gibt allerdings auch Leute, die meinen, dass die Zeit von RED vorbei sei, weil die damals deshalb Erfolg hatten, weil sie als erste digitale Kameras für Hollywood-Filme machen konnten, alles alle anderen das eben noch nicht konnten und ARRI noch analog filmte. Inzwischen seien aber ARRI und Sony die Platzhirsche und RED eigentlich nicht mehr konkurrenzfähig und vor allem viel zu klein, um gegen die noch etwas zu wuppen. Und der Laden sowieso weg gewesen wäre, sobald die Patente ausgelaufen wären, und das sei bald.

Vielleicht war Nikon die einzige Firma, in die die überhaupt noch reinpassten, weil RED Ahnung hat, wie man Sensoren baut, und ja Sony und Canon selbst Sensoren bauen, Nikon aber nicht und die bisher von Sony einkaufen muss.

Ich habe mal auf einem Lehrgang eine Alexa gehabt, bisschen mit rumgespielt, auch wenn es schon knapp 15 Jahre her ist, 2012 in München. Da waren die noch ziemlich neu. Schon beeindruckend, so eine professionelle Kinokamera in der Hand zu haben.

Erstaunlich übrigens, dass es ARRI überhaupt an die Weltspitze geschafft hat, denn ARRI ist eigentlich eine deutsche Firma, Sitz in München, 1917 gegründet. Jahrzehntelang das Maß der Dinge bei analogen Kinokameras mit Filmspulen. Ausgerechnet eine Firma aus dem digitaltauben Deutschland stellt die bekanntesten und besten digitalen Kinokameras her. Aber die haben sich rechtzeitig internationalisiert und in Asien und Amerika eingepflanzt.