Ansichten eines Informatikers

Mission Impossible? Wie die eingestürzte Brücke von Baltimore zerlegt wird

Hadmut
4.4.2024 14:43

Ich hatte ja schon geschrieben, dass ich mich frage, wie sie die Brücke von Baltimore zerlegen wollen.

Einige Zuschriften habe ich bekommen, darunter auch einige von beruflich sachkundigen Lesern.

Eine Leserin, die sich auf den Bau und die Zerlegung von Kränen versteht, schrieb mir ja, dass die Probleme, die ich da vermutet hatte, nämlich Spannung im Stahl und ein federartiges Schnalzen beim Zerschneiden tatsächlich eine Rolle spielt und auch beim Zerschneiden von Braunkohletagebaubaggern auftritt. Deshalb würde man dort sehr erfahrene Leute einsetzen, die das frühzeitig „sehen“ und merken, dass sich der Stahl bewegt und wohin, und oft würde man dann die Träger nur ansägen, dass sie gerade noch halten, und dann mit einer Schneidladung, also per Sprengung, den Rest durchschneiden.

Sogar ein Lehrbeauftragter für Sprengtechnik hat sich zu Wort gemeldet, allerdings vorrangig nicht zu der Frage, wie man die kaputte Brücke zerlegt, sondern warum die Verschwörungstheorie, die ich im Blogartikel erwähnt und als unhaltbar eingestuft hatte, auch für ihn nicht haltbar erscheint:

eine Sprengung der Brücke halte ich (Sprengberechtigter) ebenfalls für ausgeschlossen, so etwas vorzubereiten kostet Zeit, ist auffällig und außerdem wäre die Detonation von Schneidladungen weit hörbar gewesen.

Ja. Sprengen macht so richtig Bumm. Während so Staubwolken, wie man sie da im Video sah, schon durch das Reißen des Stahls entstehen können, wie man ja beispielsweise am Video vom Arecibo-Einsturz gut sehen konnte, nämlich weil dabei Energie frei wird und der Stahl eben beim Reißen und Bersten auch schnalzt, und weil sich Lack und Dreck eben schlagartig lösen, wenn Stahl gebogen, gestreckt oder gestaucht wird.

Er weist dazu übrigens auf einen prächtigen Artikel darüber hin, wie man Tagebaubagger mit solchen Schneidladungen zerschneidet, also genau das, was die Leserin schon beschrieb.

So sieht dann eine – zivile – Schneidladung aus, ich verlinke mal auf ein Bild auf dieser Webseite:

Sieht nach einer klassischen Kupfer-Stahl-Sprengung aus. Wenn man mit Sprengstoff durch Stahl will, legt man Kupfer dazwischen, weil aus irgendwelchen Gründen, an die ich mich nicht mehr genau erinnern kann – hatte wohl was damit zu tun, dass Kupfer eine hohe Dichte und einen niedrigen Schmelzpunkt hat und eine schlagkräftige Suppe ergibt – Kupfer einfach gut durch Stahl durchgeht. Für die Guerillatechniken hieß es damals, dass es notfalls auch mit einem Häufchen Kleingeld geht, damals den Pfennigen. Und das Prinzip der Hohlladung ist auch gut zu sehen. Wobei das bei den Schneidladungen der Bundeswehr nicht so kompliziert war. Das war einfach ein grüner Blechkasten, in dem der Aufbau genau so, aber schon fertig war, unten mit einem Schlitz, damit man sieht, wo es dann rausknallt, und die man an Stahlträger ansetzen konnte.

Genau so hatte ich mir das deshalb auch vorgestellt. Ein ähnliches Problem war mir nämlich von der Bundeswehr bekannt. Da sind irgendwann mal beim Sturm Bäume umgefallen und über eine Straße gekippt, aber nicht ab, sondern nur angebrochen, und die Feuerwehr sagt, sie trauen sich nicht, das mit der Kettensäge durchzuschneiden, weil die Baumstämme dann schnalzen. Also hatte man Pioniere der Bundeswehr gerufen, die daraus eine Sprengübung machten, denn Bäume zu sprengen ist eine Grundtechnik der Pioniere, um mit etwas Sprengschnur in kurzer Zeit improvisierte Straßensperren zu errichten: Bäume so sprengen, dass sie auf die Straße fallen. Das kann ein einzelner Mann in ein paar Minuten, und das nötige Material passt in einen Rucksack.

Anscheinend aber scheinen sie in Baltimore zunächst mal – und wider mein Erwarten – mit gewöhnlichen Schneidbrennern ans Werk zu gehen (allerdings auch schon 3 Tage altes Video):

Hätte ich nicht gedacht, dass man an so ein Riesen-Ding erst einmal mit einem Schneidbrenner dran geht. Aber vermutlich – und ich nachdenke, würde ich es auch so machen – fangen sie mit den leichtesten und am wenigsten gefährlichen Teilen an, um sich möglichst viel Platz zu schaffen und Hindernisse aus dem Weg zu räumen. Ich weiß nicht, wie gut man unter Wasser mit Schneidbrennern arbeiten kann und ob sie sich damit auch an die Brückenteile trauen, die auf dem Schiff liegen.

Auffällig ist, dass es bis vor 3 Tagen einige Videos über das Wegräumen der Brücke gab, aber überwiegend über Reden, die Leute dazu hielten, dagegen nur ganz wenige Szenen mit Schneidbrennern. Die haben da eine fast halbstündige Sendung gemacht, ohne eigentlich irgendwas zu zeigen:

Wie problematisch das alles ist, erklärt eine Soldatin hier:

Die können in dem trüben, schlammigen Wasser nämlich nichts sehen und nicht fotografieren, und müssen mit Echolot und ähnlichem 3D-Aufnahmen erstellen.

Und da sieht man, dass die Brückenteile nicht einfach nur auf dem Boden liegen, sondern tief in den Hafenschlamm eingesunken sind.

Und das macht die Sache dann gleich nochmal lustiger, weil man nicht nur das Problem hat, wie man da unter Wasser Stahlträger zerteilt, sondern dass die tief im Schlamm stecken und man da weder drankommt, noch die mit einem Kran einfach so herausziehen kann.

Das ist ein Problem, an das man erst einmal gar nicht so ohne weiteres denkt, nämlich dass ein Teil der Brückenstruktur jetzt tief im Schlamm steckt und man nicht nur nichts sieht, sondern man da auch nicht drankommt, etwa um Unterwassersprengladungen anzusetzen.

Die Brücke aber einfach oberhalb des Schlammes abzuschneiden, ist auch nicht gut, weil man dann an die Teile im Schlamm nicht mehr drankommt, sie da aber auch nicht lassen kann, weil sie Schiffe gefährden könnten. Scharfkantig soll das nämlich auch alles sein, weil die Brücke auch unter Wasser noch eingestürzt sei.

Da haben sie wohl ein richtiges Problem.

Was mir aber auf allen Fotos immer wieder auffiel, ist, dass die Brücke wohl keineswegs marode war, wie manche mutmaßten, sondern nach einem sehr guten und gepflegten Zustand aussah.

Wisst Ihr, was mich jetzt wirklich interessiert?

Welche Frauenquote sie bei den Tauchern, die da jetzt runter und die Brückenteile zerlegen müssen, durchsetzen werden. Bisher wäre mir nicht bekannt, dass da irgendwelche „MeToo!“ gerufen hätten.

Aber vielleicht wird ja dann die neue Brücke eine von Frauen gebaute.