Ansichten eines Informatikers

Von robusten Handys, fragwürdigen Türen, klapprigen Flugzeugen und Filzstiften, wo sie nicht hingehören

Hadmut
9.1.2024 2:22

Hach!

Ihr habe doch zweifellos den Vorfall mitbekommen, als es vor ein paar Tagen aus einer Boeing 737-Max „ein Fenster“, eigentlich einen ganzen Quadratmeter aus der Bordwand rausgerissen hat. Inzwischen wurde aber gemeldet, dass es eben nicht nur ein Fenster, sondern eine „Tür“, wohl ein Notausgang, war, die da herausgerissen wurde. Da hieß es noch, man habe Glück gehabt, dass auf dem Sitz niemand gesessen habe, den hätte es vom Luftdruck rausgehauen, und eine Mutter habe ihr Kind festhalten müssen, aber einigen Passagieren habe es die Handys weggerissen.

Ich habe die Tage noch darüber phantasiert (aber leider nicht gebloggt, weil es mir als zu substanzlos erschien), ob wohl jemals eines der Handys gefunden würde, und ob ein Handy so etwas überleben könnte. Ich dachte, da ist viel Wald, weshalb man es wohl auf absehbare Zeit niemals finden würde, wenn es irgendwo auf weichen Boden fällt, und dass es wohl schon schrottet, wenn es auf etwas hartes fällt. Ob es vielleicht Schaden anrichtet, wenn es auf Mensch oder Dach fällt. Irgendwo wurde ja mal eine Kuh von einem Meteoriten (oder war es ein Satellitentrümmerteil? Weiß nicht mehr, kann sein, dass die als bisher einzige Tote durch abstürzende Raumfahrttrümmer gilt) erschlagen.

Ich habe noch überlegt, dass ein Handy wohl durch sein Verhältnis von Gewicht und Oberfläche nicht sehr schnell fallen würde, aber in eine sehr schnelle Rotation geraten könnte. Bäume oder Sträucher könnten das Ding durchaus auffangen, aber gerade dann ist es unwahrscheinlich, es zeitnah zu finden, bevor die Witterung es zerstört. Vielleicht hängt es in einem Baum. Vielleicht fällt es aber auch einfach nur irgendwo ins Wasser und ist für alle Zeiten weg. Und selbst wenn es gefunden würde: Wen interessiert schon ein kaputtes Handy, das irgendwo herumliegt?

Hätte ich als Reservethema gebloggt, wenn mir gar nichts eingefallen wäre.

Hätte ich es doch besser gebloggt.

Denn:

Die haben eines gefunden, und es ist völlig intakt. Und der Akku noch halb voll. Und die wurden wohl nicht einfach nur weggeblasen, sondern mit ziemlich Gewalt herausgerissen:

Was mich jetzt aber wirklich verblüfft: Die Flugsicherheitsbehörde sagte ihnen, das sei schon das zweite Handy aus dem Flugzeug, das gefunden wurde.

Und das finde ich nun wirklich sehr erstaunlich, weil ich nicht dachte, dass das dort dicht besiedelt ist. Anscheinend aber sind die Dinger genau über einem passend besiedelten Gebiet nieder geangen, was sowohl Grünflächen, also auch genug Leute zum Finden bietet. Weder in der Natur, noch über einer Wolkenkratzergegend wären die wohl so leicht gefunden worden.

Was ich aber auch erstaunlich finde: Er schreibt ja, er habe eine Zoe von der NTSB angerufen (NTSB = National Transportation Safety Board), und auf den Fotos sieht man ja eine Frau mit „NTSB“ auf der Jacke. Erstaunlich, dass die da extra vorbeikommen um ein Handy einzusammeln, statt einfach zu sagen „Schön, stecken Sie es in ein Kuvert und schicken Sie es uns/dem Eigentümer“.

Es könnte natürlich sein, dass die sich sehr dafür interessieren, wo Teile aus dem Flugzeug niedergangen sind, wofür die Fundorte der Handys ja einen gewissen Anhaltspunkt liefern, weil sie sich die Teile anschauen wollen, etwa nach Schäden, Ermüdungen, Produktionsfehlern suchen. Vermutlich suchen die noch nach dem herausgerissenen Stück der Bordwand. Was mich insofern wundert, weil mein erster Gedanke wäre, den Flight Recorder rauszunehmen und zu untersuchen, wo genau sie waren, als der Kabinendruck abrupt abgefallen ist, dazu müsste es ja dann GPS-Koordinaten geben, und ob es vorher irgendwelche Unregelmäßigkeiten gab, etwa irgendwas, was zu Vibrationen geführt haben könnte. Dazu unten mehr.

Sie haben aber inzwischen mitgeteilt, dass ein gewisser „Bob“ (Sauer) sie informiert habe, dass er die herausgerissene Tür in seinem Garten gefunden habe, wobei sie allerdings sagen, dass es keine richtig Tür gewesen sei, sondern nur ein „door plug“:

Was zur Hölle ist ein „door plug“? „Plug door“ lässt sich ergoogeln, das ist eine Tür mit konischen Kanten, die sich durch den Innendruck von selbst abdichtet. Das heißt dann aber, dass nicht die Struktur des Flugzeuges an sich das Problem war und das nicht wie aus Lego gebaut ist, sondern dieser „door plug“ nicht ordentlich saß. Es sieht so ein bisschen aus, als sei da eine mögliche Türöffnung, in die je nach Wunsch und Bestellung der Fluglinie entweder eine richtige Tür eingebaut wird, oder aber nur so eine Abdeckung mit einem normalen Fenster, damit es zu ist, und dann die normale Innenverkleidung darüber und Sitze davor, damit es von innen wie normale Bordwand aussieht. Schaut man sich aber das Foto mit den beiden Männern an, die das Ding halten, scheint es für eine reguläre Tür auch wieder zu klein. Vielleicht für einen Notausgang, wenn man da einen haben möchte? Guckt man sich aber im Zeitungsartikel (s.u.) die Außenfotos des Flugzeugs an, ist das Loch deutlich größer als die Notausgänge, aber sauber geformt, es könnte also doch ein Loch für eine normale Tür sein, die die Fluglinie nicht wollte. Allerdings ist die 737 auch nicht so ein Riesen-Flieger, dass es da Bedarf für mehr als die Eingänge vorne und hinten gibt. Normalerwiese steigt man ganz hinten ein, auf den Fotos sieht man aber, dass das ein paar Sitzreihen vor dem hinteren Ende ist. Ich hab’s noch nicht verstanden.

Jedenfalls scheint es eine Folge des Handy-Funds zu sein, denn die Zeitung hier berichtet über den Lehrer, der das Ding in seinem Garten gefunden hat, und der habe seinen Garten erst kontrolliert, als ihm jemand gesagt hat, dass ganz in der Nähe ein Handy aus dem Flugzeug gefunden wurde.

Sieht erstaunlicherweise recht intakt aus. Hätte ja sein können, dass das Ding gebrochen und deshalb rausgeflogen ist. Ist aber ein Stück und sieht gut aus.

Seit wann werden auf Flugzeugteile die Teilenummer, die Seriennummer, der Herstellungsort eigentlich von Hand mit Filzstift drauf geschrieben?

Aus dem Zeitungsartikel:

Sauer said NTSB staff were both surprised and happy the door remained intact.

He was intrigued to see the door plug’s serial number and other manufacturing details apparently handwritten on the door in permanent marker.

“That’s an interesting way of doing inventory control,” he said.

Writing on the door plug says it was manufactured in Malaysia.

Asked about the handwriting, Boeing said they couldn’t address the issue because of the active NTSB investigation.

Das ist wirklich komisch. Diese Tür (oder Türersatz, so ganz klar ist mir das immer noch nicht) sei zum Erstaunen der NTSB ziemlich intakt gewesen, also wohl am Stück aus der Bordwand geflogen, dann durch die Luft gesegelt und in Bobs Baum relativ sanft gelandet. Und dabei hätte man entdeckt, dass die Teile da aus Malaysia kommen und einfach per Hand und Filzstift beschriftet wurden. Das wirft kein gutes Licht auf Boeing. Wenn ich so einen Vorfall untersuchen sollte und dann da so eine Filzstiftbeschriftung fände – ich glaube, da würde ich die Untersuchung zwei, drei Nummern größer machen.

Es macht den Eindruck, als hätte die NTSB da nun die ein oder andere Frage.

Und im Video erklären sie nun auch, warum der Flight Recorder ihnen nichts nutzt. Der nimmt nur die letzten 2 Stunden auf, und sie wollen das gerne auf 25 Stunden ausdehnen.

Das finde ich dann wieder komisch, dass die Dinger nur 2 Stunden aufnehmen (dürfen). Denn wenn ein Flugzeug abstürzt oder so einen Defekt hat, und ich sollte das untersuchen, würden mich auf jeden Fall alle Flugdaten des gesamten Fluges, eigentlich sogar mindestens die des vorangegangenen Fluges interessieren, ob sich da schon Unregelmäßigkeiten, Fehler, Probleme fanden. Denn eine ganze Menge von technischen Ursachen für Abstürze ergaben sich nicht spontan, sondern entstanden so langsam, wie ausgefressene Gewinde.