Ansichten eines Informatikers

App-endizitis

Hadmut
4.1.2024 15:51

Liebe Güte. Mir bleibt auch nichts erspart.

Ich hatte mir ein Tischmikrofonstativ bestellt. Nichts besonderes, preisgünstig, nicht die billigste Ausführung. Im Prinzip das, was jede der klassischen verstellbaren Schreibtischlampe hat, das berühmte auch als Federzug- oder Anglepoise bekannt, (gibt es auch genau so für Mikrofone), aber ohne Federn und mit nur einer Strebe, also ohne die Paralellisierung. Also Tischklemme, dann zwei Streben, die verstellbar miteinander verbunden sind, und am Ende statt einer Lampe ein Gewinde, auf das man ein Mikrofon schrauben kann. Etwas stabiler und besser verarbeitet als die übliche IKEA-Lampe.

Nichts Besonders.

Man nimmt das Ding aus der Verpackung, schraubt die Tischklemme an den Tisch, steckt den Arm rein, zieht die Schrauben fest. Fertig. Trivial. Es gibt noch eine Rille mit Gummiabdeckung, in der man das Mikrofonkabel schön unterbringen kann. Sonst gibt es dazu eigentlich gar nichts zu sagen. Bestenfalls, dass noch ein Tütchen mit Adaptergewinden dabei ist, weil es bei Mikrofonen verschiedene Gewindestandards gibt. Ganz grob gesagt: Ein dickes und ein dünnes. Eine simple, mechanische Angelegenheit. Sollte man meinen.

In der Verpackung noch die überraschend umfangreiche und ausführliche Bedienungsanleitung.

Mit QR-Code für APP control.

Was? Selbst ein lumpiges Tischstativ kommt mit mit einer App daher, die man aufs Handy laden soll, um es zu bedienen? Wozu? Und wie sollte ein Stativ, das nur aus etwas Blech, Plastik und ein paar Schrauben besteht, auf eine App reagieren können? Haben die jetzt alle einen an der Waffel, oder ist das der nächste Hoax?

Lösung: Es gibt zwei Modelle, und die eine Seite der Anleitung mit den mechanischen Sachen gilt für beide, und das mit dem elektronischen Kram nur für die Edel-Variante. Die nämlich hat auf der gesamten Länge der unteren Strebe ein LED-Leuchtband mit Controler, bei dem man dann über eine App die Farbmuster programmieren kann, in denen das Mikrofonstativ einen erleuchten soll. Dass ein Mikrofonstativ einfach nur ein Mikrofon hält und sonst gar nichts, reicht offenbar nicht mehr allen. Das bessere Modell muss dämliche Leuchtmuster zeigen. Irgendwelche Gamer brauchen das. (Was mich daran erinnert, dass mein PC auch dämliche Leuchtmuster hinten aus dem Lüftungsschlitz sendet. Ich hatte das damals nach dem Zusammenbau im BIOS abgeschaltet, wo man es glücklicherweise abschalten kann, aber als ich neulich den Prozessor ausgetauscht habe, habe ich bei der Gelegenheit auch die CMOS-Batterie gewechselt und mich zwar beeilt, war aber wohl nicht schnell genug. Vielleicht hat auch das BIOS, das mir verkündete, einen neuen Prozessor erkannt zu haben, sich zurückgesetzt, jedenfalls leuchtet mein PC wieder in albernen Farbmustern. Scheußlich.)

Schockschwerenot.

Bald kann man die Klospülung nicht mehr ohne App ziehen, dafür dann aber die Tonart und das Spülmuster individuell einstellen und optimieren und das Profil passend zum Speiseplan auswählen. Schon beim sonstigen Krempel hat man überall das Gefühl, dass einfach gar nichts mehr ohne App und ohne Account geht.