Ansichten eines Informatikers

„Früher war alles besser“

Hadmut
25.12.2023 20:47

Die Universal-Immunisierung der Ignoranz.

Leserzuschrift:

Märchen, Sissi und das Traumschiff

Meine Güte, sind Sie alt.

Das sagte ich vor einiger Zeit in einem anderen Kontext, nun merke ich es wieder: der uralte Großvater quält sich aus seinem Bett, beschwert sich über alles und jeden, ist davon überzeugt, daß vor 50 Jahren alles besser war.

Ihr Problem ist, daß Sie all diese ÖRR-Geschichten schon kennen. Das Problem der ÖRR-Leute ist, daß sie genauso sind wie Sie, und entsprechend fällt das Programm aus. Das liegt nicht an irgendwelchen linken Spinnern, denn vor 10 oder 20 Jahren war das ÖRR-Programm genauso armselig und langweilig, damals schon war ein Danisch der Programmverantwortliche.

Ja, der ÖRR ist schrecklich verknöchert, die Privaten sind mittlerweile nachgezogen, genauso armselig, die ganze BRD ist verknöchert. “Keine Experimente” steht doch über allen Themen, was wieder nicht an Linken liegt, die versuchen wenigstens, etwas Bewegung zu erzeugen, leider in die falsche Richtung. Das Problem sind die vielen Danische an all den Schaltstellen.

Wären Sie kein uralter Urgroßvater, Sie gingen auf die Suche nach Weihnachtsunterhaltung. Ich denke dabei sofort an Joko und Klaas, die Grandioses liefern, gibt’s alles bei Youtube, z.B. das: https://www.youtube.com/watch?v=w8VbTFhdhDY&t=3s

Ich stimme Ihnen zwar zu, es ist aber so ein Klischee, sich laufend zu beschweren, im Grunde können Sie ihren Blog dichtmachen, nachdem Sie einen Allgemeinbeitrag bringen: “Alles Mist!”.

Mal ganz abgesehen, dass

  • mir Joko & Klaas zu doof sind, ich die nicht witzig finde, und die da eine kommerzielle Masche per Group-Think-Methode abziehen
  • Dieser Aufguss von Dinner for One aussieht wie gewollt und nicht gekonnt, wie plagiiert und falsch abgeschrieben wirkt
  • Man einen Witz, der nicht funktioniert, nur schlimmer macht, wenn man die Dürftigkeit durch ein Making Of in die Länge zieht
  • Dinner for One ein Silvester- und kein Weihnachtsding ist
  • die frühere Version wirklich viel besser war

fällt mir das auf, wie oft man eine Kritik alter weißer Männer, die sagen, dass irgendetwas nicht mehr so gut ist, wie früher, mit einem „Früher war alles besser“ wegwischt, ohne die Kritik überhaupt zu verstehen. Als könnte man heute nur im Ganzen mit früher vergleichen, als könnten nicht einzelne Komponenten oder Aspekte verglichen werden.

Eine Steigerung findet man dann darin, dass schon die alten Griechen über die Jugend schimpften.

Als würde jeder, der irgendetwas kritisiert, und dabei sagt, dass es gegenüber früher schlechter und nicht „progressiv“ ist, automatisch Unrecht haben, weil man schon seit 2000 Jahren sage, dass die Jugend Blödsinn baut.

Dahinter steckt natürlich eine gewaltige intellektuelle Insuffizienz,

Weil dadurch natürlich postuliert wird, dass immer alles besser würde, und man niemals sagen könnte, dass sich etwas verschlechtert habe. Es also, generell, Kritik überhaupt nicht gegeben könnte. Was seinen Ursprung freilich in den Geisteswissenschaften findet, die zwar einerseits meinen, die „Kritische Theorie“ sei so wichtig, aber natürlich nur, wenn sie andere kritisieren. Selbst kritisiert zu werden kommt Geisteswissenschaftlern natürlich nie in den Sinn, und das hat auch mit ihrer Auffassung von Wahrheit zu tun: Ihnen obläge nämlich keine Darlegungs- und Verifikationspflicht, alles sei wahr, bis das Publikum es widerlege. Macht das Publikum aber das Maul auf, bekommt es auf dasselbe. Der Wahrheitsbegriff Linker beruht alleine darauf, dass wahr ist, wogegen nicht widersprochen wird, und man Widerspruch „keine Plattform biete“. Was wiederum funktionierte, weil Linke und Geisteswissenschaftler im Allgemeinen Steuerfinanziert und unkündbar sind.

Erstaunlich ist, dass Linke vor diesem Hintergrund überhaupt das Feindbild „Nazis“ hervorbringen konnten, denn auch würde man innerhalb dieser Logik als „progressiv“ und neuer als das, was vorher war, ansehen. Bei Bedarf macht man aber Ausnahmen von seinen Grundsätzen, wenn man das selbst braucht.

„Früher war alles besser“ ist eine Immunisierung gegen jegliche Kritik, die auf Unvermögen abzielt, seine Aufgabe zu erfüllen, wenn es schon mal welche gab, die ihre Aufgabe besser erfüllten.

Ich will es mal so sagen:

Meines Wissens gab es in der gesamten Geschichte der Menschheit noch keine Generation, die mit so hervorragenden Voraussetzungen, eine kompletten modernen Infrastruktur, Elektrifizierung, Maschinifizierung und der weitgehenden Loslösung von schwerer körperlicher Arbeit und so viel Erbe startete, und so miserabel abgeschnitten hat, eigentlich fast nichts hervorbringt und auch fast nichts erhalten kann.

Der Knackpunkt daran ist, dass die inzwischen so schlecht sind, dass es gar nicht mehr darauf ankommt, ob sie einem Kritik glauben oder nicht, die werden sowieso scheitern.

Und um es mal ganz ehrlich zu sagen: Sie vorher gewarnt zu haben und nicht beachtet worden zu sein, hebt den Spaß, ihnen beim Scheitern zuzusehen, gewaltig. Es würzt ungemein.