Ansichten eines Informatikers

Auto ist voll Nazi

Hadmut
17.12.2023 15:17

Vom Schwachsinn der Geisteswissenschaften.

Mobilitäts- und Verkehrsforscher | Politikwissenschaftler | Professor | @WZB_Berlin | @TUBerlin

Das kommt davon, dass man in den Geisteswissenschaften jedes x-beliebige, frei erfundene Geschwätz als „Wissenschaft“ ausgeben kann ohne sich auch nur irgendwie um Realität oder historische Korrektheit zu kümmern, und als Beamter völlig qualitätsunabhängig bezahlt wird.

Das Auto hat sich als Transportmittel durchsetzt, weil

  1. es die logische Fortsetzung der Pferdekutsche nach Verfügbarkeit brauchbarer Verbrennungsmotoren war,
  2. der erste Weltkrieg die Motorisierung erforderlich gemacht hat
  3. der Pferdemist zuviel und Pferde zu teuer wurden.

Eine Erklärung, warum sich das Auto auch in allen anderen Ländern, auch den Nazi-Gegnern, durchgesetzt hat, gibt er auch nicht.

Es war den Nationalsozialisten vorbehalten, dies zu ändern. Die NSDAP fokussierte sich früh auf technikbegeisterte junge Menschen und unterhielt im Unterschied zu anderen Parteien ab 1934 ein eigenes „Amt für Technik“ – eine Parteidienststelle, die 1936 in „Hauptamt für Technik“ umbenannt wurde. Gemeinsam mit der „Reichsverwaltung des Nationalsozialistischen Bundes deutscher Technik“ fungierte es als Herausgeber der Monatszeitschrift „Die Deutsche Technik – Technopolitische Zeitschrift der Architekten, Chemiker, Ingenieure, Techniker“. Darin wurde ausgiebig über Fragen des Straßenbaus und der Automobiltechnik debattiert, was den Diskurs über moderne Technikfragen weit über die Parteigrenzen hinaus prägte. Zur Auflösung der Fußnote[5]

Zwar war es Zufall, dass der soeben zum Reichskanzler ernannte Adolf Hitler im Februar 1933 statt des erkrankten Reichspräsidenten Paul von Hindenburg die Eröffnung der Internationalen Automobil- und Motorrad-Ausstellung in Berlin eröffnete, seine Rede selbst war es aber keineswegs. Vielmehr war sie eine strategisch platzierte Ansage: Die Nationalsozialisten setzten zukünftig auf das Auto als zentrales Verkehrsmittel und begründeten daraus vor allen Dingen ein sozialpolitisches Programm. Hitler wollte das Auto populär und für alle Haushalte in Deutschland verfügbar machen. Das entsprechende Autopopularisierungsprogramm war umfassend und folgenreich: Neben der Reichsgaragenordnung von 1939, in der festgelegt wurde, dass für alle privaten und öffentlichen Bauten eine jeweils genau definierte Zahl von Stellflächen vorgehalten werden musste, war es die in der Reichsverkehrsordnung von 1934 erstmals einheitliche Definition der Verkehrsregeln mit einer eindeutigen Festlegung der Dominanz des Kraftwagens, deren Folgen bis heute nachwirken. Dem Auto gehörten jetzt die Straßen – Fuhrwerke, Fußgänger und Radfahrer hatten zu verschwinden oder durften sich lediglich am Rand aufhalten. Darüber hinaus gab es keine Geschwindigkeitsbegrenzung mehr. Diese Regelung wurde allerdings nach 1939 in Vorbereitung auf den nationalsozialistischen Vernichtungsfeldzug wieder kassiert. Zur Auflösung der Fußnote[6]

Aber damit nicht genug: Bis zum Ende der NS-Herrschaft wurden knapp 4.000 Kilometer Reichsautobahn fertiggestellt. Dabei gab es praktisch keine Autos – der Gesamtbestand war zwar kräftig gestiegen, war aber mit rund 441.000 Pkw 1935 und 700.000 Pkw 1938 immer noch verschwindend gering. Daher blieben die neuen Straßen weitgehend leer, sie hatten auch keinerlei militärische Bedeutung, sondern waren eine reine Demonstration des Willens, das Auto als Zukunftstechnologie zu positionieren. Kein anderes Land verfügte in dieser Zeit über ein ähnlich großes Netz an „Nur-Autostraßen“.

Gebaut wurden diese Straßen von der Deutschen Reichsbahn. Das damals größte Unternehmen der Welt mit rund einer Million Beschäftigten war in der Lage, die entsprechende logistische Vorleistung für den schnellen Bau bereitzustellen. Die Reichsbahn verfolgte mit diesem Engagement ursprünglich ganz eigene Ziele. Schon Ende der 1920er Jahre war nämlich der Lastkraftwagen zu einem Konkurrenten der Bahn geworden, der ihre Monopolstellung im Güterverkehr gefährdete. Immer mehr Frachtaufträge gingen an die private Konkurrenz abseits der Schiene. Die Reichsbahnleitung nahm daher die Pläne privater Lobbyorganisationen aus der Bau-, Zement- und Asphaltindustrie zum Anlass, mit der neuen Reichsregierung den Bau der Fernstraßen voranzutreiben, um die Herrschaft über den Güterverkehr zurückzugewinnen.

Der übliche Billig-Denkfehler von Leuten ohne jede wissenschaftliche Befähigung: Post hoc, ergo propter hoc. Danach, also deshalb. Also ob wir ohne die Nazis heute noch auf dem Pferd reiten und die Supermärkte von der Bahn befüllt würden.

Ob schon mal irgendwem augefallen ist, dass man in vielen Wüstengegenden der Welt gar keine Bahnlinien bauen kann? Selbst heute noch gibt es in Australien Gegenden, in denen die Straßen keinen festen Verlauf haben, sondern jedes Jahr nach der Flut neu gespurt werden, und dann auch mal ein paar Meter weiter hier oder da sein können. In Afrika gibt es viele Sandpisten, mindestens eine sogar wird mit Meerwasser besprüht und von der Sonne getrocknet, damit man auf Salz statt auf Ashalt fährt. Wie will man da Eisenbahnlinien bauen?

Außerdem sind Eisenbahnlinien Kolonialwerk.

Mit dem 1939 losgetretenen Vernichtungskrieg sabotierten die Nationalsozialisten die Entwicklung ihrer eigenen Verkehrspolitik, doch die Fundamente einer Automobilgesellschaft waren gelegt. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs konnte Deutschland daher einen Katapultstart in die Autozukunft hinlegen. Zwar ging der Bestand in ganz Deutschland (Ost und West) 1950 auf etwas mehr als 500.000 Pkw zurück, aber die wichtigsten Ingredienzien für den Beginn der Massenmotorisierung waren bereitgestellt.

Dass Deutschland in der Automobiltechnik lange führend war, weil wir die besten Ingenieure hatten, und das schon lange vor den Nazis, geht einem Geschwätzvogel wie so einem Politikprofessor freilich nicht in die Birne. Wie auch. Quality is a myth. Der meint, dass das nur die Nazis gewesen sein können.

Dass nicht die Nazis das Auto, sondern umgekehrt die moderne Technik – Kraftfahrzeug, Flugzeug, Bahn, Medientechnik, Massenproduktion – die Nazis gemacht hat, kann der sich nicht vorstellen.

Geisteswissenschaften eben. Wer eine Korrelation oder eine Koinzidenz findet, darf sich eine Kausalität frei aussuchen. Trash-Wissenschaft unter Null.

Macht Euch klar, auf welchem Ramsch-Niveau die deutschen Universitäten angekommen sind.