Ansichten eines Informatikers

Ein Kundin der Deutschen Bank

Hadmut
9.12.2023 14:06

Gottogottogottogott.

Es tun sich Abgründe auf.

Vorab-Hinweis: Ich kann Euch nur den Inhalt eines Anrufs schildern, aber in keiner Weise nachprüfen, ob irgendwas davon stimmt, was mir die Anruferin erzählt hat. Alles unter Vorbehalt.

Ich saß heute beim Frühstück. Hatte mir Aufbackbrötchen aufgebacken, so mit Butter und Marmelade, hatte gerade so klebrige Finger, weil ich bei der Marmelade (ja, ja, ich weiß, es heißt Konfitüre …) etwas zu großzügig war und das beim Reinbeißen an den Seiten rausquoll, da klingelte das Telefon.

„Danisch…?“

Eine Frau war dran.

Fragte erst einmal, ob sie den richtigen dran hat. Es gehe um ein schlimmes Vorkommnis bei der Deutschen Bank. [Vorab: Dass ich da jetzt ein paar Sachen reinschreibe, die ich normalweise nicht erwähnen oder rausanonymisieren würde, liegt daran, dass sie unbedingt wollte und das ihr drängender Wunsch war, dass das publiziert wird.] Sie sei auf mich gekommen, weil ein älterer Herr, der zufällig auch anwesend gewesen sei, ihr geraten habe, sich an den Danisch in Berlin zu wenden. Es freut einen als Blogger ja, wenn man so bekannt ist, dass zufällig anwesende Personen raten, sich an einen zu wenden.

Die Frau war überaus aufgeregt und erregt, Puls hoch und so weiter, sehr ergriffen, und ich hatte mindestens einen Banküberfall oder einen Eifersuchtsmord unter Bankangestellten vor versammelter Kundschaft erwartet.

In eine Filiale der Deutschen Bank sei sie gestern gekommen, gestern abend. Freitag abend. Beschrieb mir den Ort und die Umgebung der Bank, wie es da aussieht. (Ich dachte, klar, es geht um die Fluchtwege der Bankräuber. Da ist es wichtig zu wissen, wie es außen aussieht.)

Sie sei an die Geldautomaten gegangen, eine ganze Reihe hätten die da, und gleich der erste sei frei gewesen. (Oha, dachte ich, Geldautomatensprengung bei anwesender Kundschaft, sie ruft wohl aus dem Krankenhaus an.)

Und dann die Menüs am Geldautomaten, normalerweise blau-weiß, aber gestern seien sie grau gewesen. (… mmh … Windows abgestürzt? Hacker haben mal wieder die Geldautomaten gehackt und leer gemacht?)

Ja, und dann?

Dann habe der Geldautomat ihre Karte einbehalten. Einfach so.

Deshalb habe sie um die zwei Stunden in diesem Vorraum da verbracht, weil sie andere Kunden warnen wollte und dabei auch den älteren Herrn kennengelernt, der sie an mich verwiesen habe.

Wie, das war alles, das ganze wilde Vorkommnis, dass der Geldautomat eine Karte einbehalten hatte? Ich hatte nach dem Tonfall erwartet, dass die Bank explodiert ist, die Leichen durch die Luft flogen, und mindestens zwei Eifersuchtsdramen.

Nein, nein, das sei ja nicht alles, dann sei das ja erst richtig losgegangen. Sie habe die Hotline angerufen, noch aus dem Vorraum, und die hätten auch nichts gewusst, ihr auch nicht helfen können. Da sei niemand da, der sich am Wochenende um Kunden kümmere.

Da kam mir ein Verdacht. Skimming.

Ich hatte den Verdacht, dass da jemand den Geldautomaten manipuliert haben könnte, um an ihre Karte zu kommen, denn es gibt ja diese Angriffe, auf Geldautomaten eine täuschend echt aussehende Nachbildung zu pappen, die einen Fehler vorgaukelt und meldet, die Karte sei eingezogen worden, sie in Wirklichkeit aber in der Attrappe hält, damit der Bösewicht sie entnehmen kann. Am besten, nachdem der Kunde noch seine PIN auf der Fake-Tastatur eingegeben hat. Dann hat der Angreifer beides, Karte und PIN, und kann Geld abheben.

Nein, sagte sie auf meine Frage, ihre PIN habe sie nicht eingegeben. Aber beim Kundenservice habe man ihr ganz seltsame Fragen gestellt. (Nein, auf meine weitere Frage, die PIN hätten die nicht gefordert.) Sie hatte nämlich erzählt, dass sie den Kundenservice nicht von zuhause aus, sondern noch aus dem Vorraum der Bank mit den Geldautomaten angerufen habe. Die hätten ihre Karte auch vorsorglich gesperrt und eine neue bestellt. Weil sie deren Telefonnummer aber nicht wusste – die stehe zwar auf der Karte, an die kam sie ja aber nicht mehr – habe sie eben die Nummer angerufen, die da auf der Wand und auf einem Aufkleber auf der Glasscheibe stand.

Boah, dachte ich, das könnte Skimming sein. Denn es könnte ja Teil der Taktik sein, nicht nur die Geldautomaten mit Attrappen zu überkleben, sondern gleich auch noch Aufkleber mit falschen Telefonnummern anzubringen, um die Kunden a) auszufragen, b) in falscher Sicherheit zu wiegen, indem man ihnen sagt, die Karte sei gesperrt, es könne nichts mehr passieren, und sie c) davon abzuhalten, nochmal bei der echten Bank zur Sperre anzurufen. Sie solle sofort die angerufene Telefonnummer aus ihrer Anrufliste auf Papier rausschreiben und über die Webseite der Deutschen Bank prüfen, ob die Nummer stimmt, und wenn nicht, sofort die Polizei alarmieren. (Ich habe inzwischen bei der Online-Wache der Polizei einen „Hinweis“ eingeworfen, dass man sich die Automaten mal ansieht.)

Es könnte aber auch ganz anders gewesen sein.

Ich hatte nämlich gesagt, dass ich da drei Möglichkeiten sehe, was passiert sein könnte:

  1. Skimming
  2. Defekt/Fehlfunktion von Automat, Karte oder irgendeinem Server
  3. Absichtliches Einbehalten der Karte, warum auch immer, ob nun gewollt oder irrtümlich.

Es gibt nämlich die reguläre Funktion von Geldautomaten, Karten einzuziehen. Und wenn die Bank die Karte über ihre Kartennummer auf die schwarze Liste setzt, dann behält der erste Automat, in den man sie steckt, sie einfach ein. Die Bankautomaten haben dafür innen drin ein eigenes Fach für einbehaltene Karten.

Und darüber kam dann heraus, dass sie da einen Kredit bei der Deutschen Bank hat, den gerade eine Ausfallversicherung für sie bedient, und den die Bank ihr gekündigt habe, aber sich ihr dann doch geeinigt, dass die Versicherung sie weiter zahlt und so weiter.

Außerdem hörte ich anhand der Beträge, um die es ging, sehr deutlich heraus, dass die Frau in wirtschaftlich knappen Verhältnissen lebt und ohne den – ohnehin sehr kleinen – Betrag, den sie abheben wollte, nicht mal Lebensmittel für das Wochenende habe einkaufen können.

Es kann also durchaus auch sein, dass die Bank ihr absichtlich das Konto gekündigt und die Karte einkassiert hätte.

Aber, es könne doch nicht sein, dass man da so ganz ohne Vorwarnung die Karte abgenommen bekommt und dann ganz ohne Geld und Karte dasteht, am Freitag abend.

Das Dilemma

Die Sache stürzte mich nun in ein Dilemma.

Einerseits war die Frau merklich angegriffen und verzweifelt, überaus erregt und in einer Ausnahmesituation.

Andererseits redete sie wie ein Wasserfall auf mich ein, und vor allem: Sie wiederholte sich quasi in einer Endlosschleife. Das Telefonat dauerte über eine Stunde (meine Brötchen waren längst kalt, dafür meine Butter warm), allein um mir zu sagen, dass der Geldautomat ihre Karte ohne Vorwarnung einbehalten habe und die Hotline ihr nicht habe helfen können.

Ich habe ihr immer wieder gesagt, dass ich ihr da jetzt nicht helfen und da auch nichts machen kann, außer ihr dringend zu raten, sofort die Telefonnummer, die sie angerufen hat und unter der man ihr sagte, dass ihre Karte sicherheitshalber gesperrt und vorsorglich eine Ersatzkarte bestellt wurde, die aber auch ein paar Tage dauern werde, überhaupt echt war und sich gegebenenfalls sofort an die Polizei und die echte Bank wenden müsse.

Sollte das aber echt sein, sähe ich keine andere Möglichkeit, als bis Montag zu warten und dann in der Bank vorstellig zu werden. Und dass man das eben auch nicht erwarten könne, einen 24-Stunden-Service vor Ort zu bekommen, und immer damit rechnen muss, dass mal eine Karte oder ein Geldautomat kaputt gehen (ich hatte schon mehrmals Kartendefekte), oder einem die Karte geklaut wird, und man eben (ich weiß, das sagt sich so leicht) eine Zweitkarte oder eine Bargeldreserve für zwei, drei Tage vorhalten muss. Wenn man freitag abends blöd dasteht, weil die Karte weg ist, hat man schon so eine gewisse Mitschuld, wenn man sich allein darauf verlassen hat.

Und wenn einem eine Bank den Kredit gekündigt hat, sollte man auch vorsichtig sein und das nicht auf die leichte Schulter nehmen, und denken, dass das mündlich irgendwie auf andere übertragen und erledigt werden könnte.

Es kann aber natürlich auch sein, dass bei der Deutschen Bank schon wieder mal etwas schief gegangen ist, die hatten ja massenhaft Probleme.

Mein Problem war nun, dass die Frau sich gar nicht wieder einkriegte. Die redete und redete und redete, und wiederholt sich auch immer wieder, und fand kein Ende und kein Ziel.

Nachdem ich schon unzählige Male freundlich gesagt hatte, dass mir da auch nichts einfällt, als bis Montag zu warten und dann gleich zur Bank zu gehen und die Sache zu klären, und das nichts brachte, weil sie das alles – emotional im Ausnahmezustand – immer wieder von vorne aufkochte und sich in Empörungstatbestände erging („Es kann doch nicht sein, dass …“ , „Die müssen doch …“ ), musste ich dann auch etwas ruppig werden und klarstellen, dass ich nicht der Ansprechpartner der Deutschen Bank sei. Aber man müsse das doch jemandem mitteilen und die Zusammenfassung besprechen und und und …. Ich warf ein, dass ich die Sache schon so irgendwann in der dritten Wiederholung begriffen hatte und die siebte nicht mehr brauchte, und etwas in allen Einzelheiten und endlos zu wiederholen eben auch keine „Zusammenfassung“ sei. Und was denn nun eigentlich ihr Begehr mir gegenüber sei, mit dessen Erfüllung ich dem Telefonat die Richtung gen Ende geben könnte. Denn was sie sich von der Deutschen Bank erhoffe und verlange, leuchte mir ja ein, aber ich wäre einfach nicht in der Lage, das für die zu erfüllen, schon gar nicht am Wochenende. Ich sei einfach der falsche Ansprechpartner.

Es stellte sich heraus, dass sie mich für den Leserbriefschreiber einer Zeitung gehalten habe, der in verschiedenen Zeitungen die Leserbriefe schreibt (wohl in der – durchaus nicht unberechtigten – Annahme, dass die sich ihre Leserbriefe selbst schreiben), und sie eine Interessensbekundung erwarte, und dass ich mich in sie hineinversetze.

Ich erinnerte daran, dass ich genau das schon in der dritten, vierten, fünften und siebten Wiederholung getan hatte. Und sie sich doch bitte mal umgekehrt in meine Situation hineinversetze, nämlich dass einen eine wildfremde Person anruft, eine Stunde lang erzäht, dass ein Geldautomat ihre Karte einbehalten habe, und gar nicht mehr aufhört, durch nichts mehr davon abzuhalten ist, es endlos zu wiederholen. Irgendwann kam es dann doch zum Ende.

Irgendwie war ich dann auch Pfarrer und Telefonseelsorge, auch wenn ich dann doch sehr deutlich sagte, dass man in so einer Situation dann auch eine Mitschuld hat, und es sich einfach nicht gehört, unbeteiligte Dritte mit einem Endlostelefonat zu behelligen, aus dem sie nicht erkennen können, was man von ihnen erwartet oder will. Und das sie sich mal zusammenreißen und aus der Emotionalschiene rauskommen soll, sich einer sachlichen Darstellung befleißigen und auf Wiederholungen verzichten möge, außerdem den anderen auch mal zu Wort kommen lassen solle. Sonst sähe ich auch für den Montag nicht einmal trübe Erfolgsaussichten. Auch solle sie mal ihre Betriebsnaivität aufgeben, wonach nicht passieren könne, was in den letzten 20 Jahren nicht passiert sei, und sie keinen Schufa-Eintrag haben könne, weil ihr Konto Guthaben aufweise. Man kann nicht immer nur diskutieren, was nicht sein könne und nicht sein dürfe, weil es gegen das Gerechtigkeitsgefühl verstoße, sondern muss es auch mal nachprüfen und eine Schufa-Auskunft einholen oder zur Bank gehen und klären. Die Welt ist nun mal nicht so, wie man glaubt, dass sie sein müsste.

Es bleibt vorerst der Eindruck, dass die Deutsche Bank – ob nun aus Softwarefehler oder absichtlich und gewollt – reihenweise Konten kündigt, an denen ihr irgendwas nicht gefällt, und das – ging mir ja auch so – in einer wohl ziemlich ignorant-herablassenden Art die Kunden – mehr oder weniger – überrascht.

Nun kann es hier nicht so völlig überraschend sein, denn offenbar ging der Sache ja eine – vermeintlich geklärte – Kreditkündigung voraus. Offenbar aber kommuniziert die Deutsche Bank nicht so, dass es bei den Kunden auch ankommt.

Und Kunden dann in einer Krisensituation (ich will jetzt auch nicht alles erzählen, was ich über die Frau erfahren habe) und in der Vorweihnachtszeit so dastehen zu lassen, obwohl – zumindest nach Behauptung der Frau – das Konto ein deutliches, mehr als ausreichendes Guthaben aufweise und der Kredit zwar brüchig sei, aber von einer Ausfallversicherung getragen werde, also überhaupt kein Risiko bestehe (Wahrheit und Nachprüfbarkeit mal dahingestellt), werfen zumindest kein gutes Licht.

Es scheint, als betreibe die Deutsche Bank gerade eine große Kündigungswelle.

Und weil ich den Eindruck habe, dass das nicht menschgemacht ist, sondern das automatisiert verläuft, der Hinweis, dass das in der EU wegen Artikel 22 DSGVO schlicht verboten wäre.

Es wird kalt in Deutschland.

Sehr kalt.

Zumindest für Deutsche.