Ansichten eines Informatikers

Vom schwierigen Dreiecksverhältnis zwischen Frauen, Loks, Rosinen und Latte Macchiato

Hadmut
8.12.2023 16:23

Was ja schon vier sind und die Sache auch nicht einfacher macht.

Ich hatte angesichts des problematischen Mangels an Lokführern die Frage gestellt, warum wir eigentlich zu wenig Lokführer haben, obwohl uns doch zur Begründung der Frauenquote eingehämmert wurde, dass wir zu viele weibliche Fachkräfte ungenutzt brachliegen haben.

Eine Lokführerin (!) hat mir geantwortet und erklärt es mir.

Sie schreibt:

Busfahrer und Lokführer

Hallo Hadmut!

Hier meldet sich eine Lokführerin der S-Bahn [anonymisiert, irgendwo in Deutschland]. Obwohl wir bei uns eine für diesen Beruf verhältnismäßig hohe Frauenquote haben, muss ich sagen, dass da dennoch recht viel Luft nach oben ist. Aber dieser Beruf gehört halt nicht zu den Rosinen, die man sich sonst so gern herauspickt. Er bedeutet neben dem reinen Fahren ansich:

Züge bei jedem Wetter aus Abstellanlagen zu holen oder ebendort wieder abzustellen. Unter Umständen vorher übelriechende Zeitgenossen rauszuwerfen und sich dabei anpöbeln oder angreifen zu lassen. Er bedeutet auch, für die Zugabfertigung bei jeder einzelnen Station allein zuständig und verantwortlich zu sein, falls man jemanden mitschleift. Ebenso muss man über Stunden aufgrund der hohen Signaldichte konzentriert und aufmerksam sein. Man muss auch hin und wieder Rollstuhlfahrern eine Rampe anlegen, die zuvor auf dem Bahnsteig regelmäßig als Urinal benutzt wurde. Bei technischen Störungen am Fahrzeug müssen wir diese schnellstmöglich zumindest soweit beheben, dass der Zug die Strecke verlassen kann und nicht alles blockiert. Als besonderes Highlight besteht natürlich jederzeit die Gefahr, einen sogenannten Personenunfall zu erleben (was gerade in [Stadt in Deutschland] sehr häufig der Fall ist). Und das alles im Schichtsystem. Früh, Tag, Spät und Nacht. Wobei Tagesschichten auch gern mal über 11 Stunden lang sein können.

Auf all das stehen die meisten Frauen offensichtlich nicht so sehr. Es ist eben nicht nur vorn drinsitzen und rausgucken. Das ist halt nicht so schön bequem und lässig wie im Büro regelmäßig mit Kollegen in der Teeküche Latte Macchiato schlürfen.

Die Durchfallquote der Anwärter ist übrigens sehr hoch. Im Schnitt schaffen ein ca. Drittel bis die Hälfte der Leute einer Ausbildungsklasse die Prüfungen nicht. Es sind insgesamt 5 Prüfungen zu absolvieren: Betriebsdienst schriftlich, Betriebsdienst mündlich, Fahrt am Simulator, Standprobe (Technisches am Fahrzeug) und schließlich das Fahren selbst. Also kann man beispielhaft sagen, dass von 12 Leuten, die die Ausbildung durchlaufen haben, am Ende vielleicht 7 übrig bleiben. Aber es finden sich halt auch kaum noch Leute, die den Job überhaupt machen wollen. Und ein Anspruch auf eine Frauenquote wird im Gegensatz zu Vorstandsposten merkwürdigerweise auch nicht erhoben.

Viele Grüße,

Was im Ergebnis bedeutet, dass die Frauenquote genau das ist, wofür ich sie immer gehalten habe: Das Abgreifen von bequemen Bürojobs in Teams, bei denen man die Arbeitsleistung nicht genau messen und individuell zuordnen kann, und wo es dann leicht ist, „Gleichbezahlung“ zu fordern.

Ich könnte mich auch nicht erinnern, dass SPD oder Grüne schon mal eine Frauenquote für Lokführer gefordert hätten.

Eigentlich sollte das doch ein gut geeigneter Job sein, in den man auch später noch einsteigen kann, weil die Ausbildung keine 14 Semester Studium und noch ein paar Jahre Berufserfahrung erfordert, sondern man das in einer überschaubaren Zeit erlernen kann, weil es ein abgeschlossenes, kompaktes Curriculum hat und keine diffusen, offenen Ränder hat. Und etwas, was man nicht in jungen Jahren erlernen muss, weil es später nicht mehr geht. Eigentlich sollte man meinen, dass das ein guter Job für „gewesene“ Mütter ist, wenn die Kinder aus dem Gröbsten raus und selbständig geworden sind, die Mutti nicht mehr brauchen. Gerade dann, wenn man noch vielleicht 15 oder 20 Jahre Arbeitslebenszeit vor sich hätte, und es sich dann nicht mehr lohnt, noch ein Studium aufzunehmen, wären solche Berufe doch eigentlich eine prima Sache.

Zudem ist Zug fahren ja nicht mehr die körperlich anstrengende, dreckige, windig-kalte, laute Sache wie zu Zeiten der Dampfloks, und wenn ich das als Laie richtig verstanden habe, muss man heute auch nicht mehr ständig Wagen und Waggons an- und abkoppeln, sondern die Züge bleiben in festen Reihungen. Und das mit den Pöbeleien und den Passagieren käme im Frachtverkehr ja auch nicht vor.

Dazu kommt, dass der Job kein verwobener Team-Job ist, bei dem das ganze Team ausgebremst wird, wenn man nicht da ist, sondern man „austauschbar“ ist, also das überhaupt nichts macht, wenn morgend jemand anderes fährt, man also kürzere Arbeitszeiten durch mehr Personal kompensieren kann. Ich kenne zwei Apotheker, die genau deshalb nur 3 Tage pro Woche arbeiten, weil das letztlich egal ist, wer im Laden steht, solange nur irgendwer da steht, die völlig austauschbar sind, während das bei Informatikern eben nicht geht. Beim Informatiker kann nicht Dienstags und Donnerstags einfach jemand anderes da sitzen. Teilzeit gibt es in meiner Branche praktisch nicht. Ganz oder gar nicht.

Insofern müsste man doch eigentlich annehmen, dass Lokführer in Zeiten moderner Loks, in denen es nicht mehr auf Körperkraft ankommt, ein prächtiger Job für Frauen in fortgeschrittenem Alter ohne brauchbare Berufsausbildung ist, also gerade so ehemalige Mütter. Wer ordentlich Auto fahren kann, bringt doch zumindest mal die grundsätzlich verlangte Fähigkeit mit.

Ähnlich ist das bei Busfahrern. Wer nun partout nicht mit pöbelnden Passagieren kann oder will, kann ja auch hier Fracht fahren, LKW-Fahrer werden ja auch händeringend gesucht. Und ich habe ja mal den LKW-Führerschein gemacht, das ist kein wahnsinniger Unterschied gegenüber dem PKW. Wer den PKW-Führerschein schafft, kann auch den LKW-Führerschein schaffen.

Lokführer, Bus- und LKW-Fahrer sind doch eigentlich Jobs, die man auch ausüben kann, wenn man für Ausbildung und Ausübung zusammen nur noch 10 oder 15 Jahre hat, oder nur zwei, drei Tage pro Woche kann oder will, und nicht mehr mitbringt, als einen PKW-Führerschein, und auch körperlich nicht mehr so seine allerbesten Jahre hat. Und gesucht werden sie dringend.

Nur:

Das sind Jobs, in denen man alleine arbeitet. Man kann da nicht rumsozialisieren und den ganzen Tag mit Kollegen tratschen. Da gibt es nichts zu schnattern. Vor allem ist man immer auf sich selbst gestellt.

Man kann auch nicht so tun als ob, und mal zwischendrin in der Kaffeeküche rumstehen oder im Nachbarbüro bei der Kollegin rumhängen.

Man kann auch nicht die Kollegen die Arbeit machen lassen, nur ein bisschen rumwuseln und dann „Gleichbezahlung“ fordern.

Man kann nicht mal intrigieren und Wagen 3 hinter dessen Rücken bei den anderen Wagen des Zugs runtermachen.

Das sind Jobs, bei denen man eine Aufgabe hat, sonst nichts, und knallhart daran gemessen wird, ob man die Aufgabe erledigt hat oder nicht. Man kann nicht nur die halbe Strecke fahren und so tun als ob, weil das eben bemerkt wird, wenn die Passagiere oder die Fracht nicht ankommen.

Man sollte das aber durchaus – insbesondere gegenüber SPD und Grünen – mal ansprechen, wo eigentlich die Frauenquote für Lokführer (und nicht nur für Bahn-Vorstände und -Aufsichtsräte) bleibt, und warum eigentlich all die Fachkräftinnen ungenutzt zuhause rumbrachliegen, wenn wir doch so dringend Lokgführer brauchen.