Ansichten eines Informatikers

Der Schutz der Kernkraft vor den Dummen

Hadmut
5.12.2023 12:19

Knapp an Homer Simpson vorbei.

Ich hatte vor einiger Zeit mal geschrieben, dass es zwar eigentlich dusselig, tatsächlich aber notwendig ist, die Kernkraftwerke abzuschalten, weil wir zu blöd werden, um die zu betreiben. Die Zeit intelligenter und sachkundiger Mitarbeiter ist vorbei. Und deshalb musste man die abschalten, bevor Fachkräfte durch „Fachkräfte“ ersetzt werden müssen.

Gerade heute morgen habe ich noch irgendwo einen Artikel gelesen, wonach man heute eben nicht mehr 40 Jahre in derselben Firma bleibt, sondern die Leute ständig wechseln. Da ging es irgendwie um „loud quitting“, dass die Leute heute gerne und absichtlich im Streit gehen und die Firma öffentlich anprangern und runtermachen, verbrannte Erde hinterlassen. Quasi ein Rosenkrieg und das veröffentlichen von Nacktfotos der Ex, nur eben mit dem Arbeitgeber. Und ich merke das ja auch selbst in der IT, dass die Qualität immer weiter sinkt. Ein Effekt, den ich schon oft beklagt und in den letzten Tagen gerade wieder bemerkt habe, ist, dass viele Leute ihre Software nicht mehr dokumentieren können, sondern zigmal schreiben, wie „cool“ das alles sei, cool ist heute am wichtigsten, und dann ein „Tutorial“ machen, in dem man einfach ein Beispiel vom Bildschirm runterkopiert, ohne dass darin irgendwas erklärt wird oder man in der Lage wäre, davon abzuweichen. Keine Reference, keine Bibliotheksbeschreibung, wie das eigentlich selbstverständlich war und erforderlich ist. Die Leute tippen nur noch ab und benutzen unbegrenzt viele „coole“ Bibliotheken, ohne noch zu verstehen, was sie da eigentlich machen. Der Horror, so etwas in einem Kernkraftwerk zu haben. Ich hatte ja auch beschrieben, dass ich vor 25 Jahren das Kernkraft Neckarwestheim abgesichert und als erstes in Deutschland ans Internet angeschlossen habe, und da die Technik der zwei Blöcke gesehen habe: Der alte noch in analoger Technik, Reihen voller Schaltschränke, alles verlötet, nicht zu hacken. Alles offensichtlich und verständlich, allerdings nur mit hoher Sachkunde. Der neue Block per Computer mit Software, in die man nicht reinschauen kann.

Ich halte es zwar grundsätzlich für einen Fehler, die Kernkraftwerke abzuschalten, und international wird Deutschland dafür auch gerade ausgelacht, aber vor dem Hintergrund des Gesellschaftswandels hin zum Blöden ist es wohl unumgänglich.

Windräder sind zwar auch kompliziert, aber viel mehr als ausfallen, abbrennen und umfallen können die nicht.

Nun schreibt die Neue Züricher: Personalmangel bedroht Langzeitbetrieb der Kernkraftwerke

Eine Pensionierungswelle verschärft den Fachkräftemangel. Die Kernkraft-Betreiber geraten unter Druck. Bei der Axpo musste gar die Aufsichtsbehörde eingreifen.

Trotzdem machen sich die Betreiber der Kernanlagen zusehends Kopfzerbrechen. Vor kurzem endete die Bewerbungsphase für eine wichtige Position in einem Schweizer Kernkraftwerk damit, dass sich niemand auf die Stelle meldete, wie ein Personalberater sagt. Spätestens als die Interessenten sahen, welchen Lohn es für die anspruchsvolle Arbeit gibt, winkten sie ab.

Das Thema treibt auch das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat (Ensi) um, die Aufsichtsbehörde der Kernenergie. Das Ensi hat sein Augenmerk dabei insbesondere auf das Kernkraftwerk Leibstadt gelegt. Geleitet wird es vom Nordostschweizer Stromriesen Axpo. Auffällig ist, dass diese den Personalbestand zwischen 2020 und 2022 nicht etwa ausbaute, sondern von 514 auf 479 senkte. Doch dann griff die Behörde ein. In ihrem Aufsichtsbericht 2022 schreibt das Ensi, sie habe die Personalreduktion in Leibstadt «auch im Jahr 2022 kritisch begleitet».

Die Sprecherin Stefanie Oehler nennt verschiedene Gründe für die Kritik des Ensi. So thematisierte die Aufsicht etwa, ob mit den geplanten Anpassungen die notwendigen Überwachungstätigkeiten im Bereich Strahlenschutz «nachhaltig gewährleistet seien». Kritische Anmerkungen machte das Ensi auch zu einem Informatikprojekt, das die Zentralisierung von IT-Dienstleistungen vorsah.

Es geht gar nicht mal so sehr darum, dass Kernkraftwerke so gefährlich seien.

Das Problem an Kernkraftwerken ist, dass wir als Gesellschaft zu blöd und zu faul werden, um sie noch betreiben zu können. Die brauchen nämlich nicht nur Kernbrennstäbe. Die brauchen auch Hirn. Und das haben wir nicht mehr.