Ansichten eines Informatikers

Das Graffiti-Syndrom

Hadmut
25.8.2023 12:25

Steckt noch mehr dahinter?

Ich hatte geschrieben, dass es mir vorkommt, als gäbe es einen Zusammenhang zwischen Graffiti-Schmierereien (und damit meine ich nicht künstlerische Malereien, sondern das billige Geschmier Unfähiger und die vielen Schriftzüge) und entsetzlich gleichförmiger „Musik“ sehe.

Leserzuschrift dazu:

Hallo Herr Danisch,

mit Graffiti haben wir auch zu kämpfen. Ich denke, hinter den Schmierereien steckt oft der Hass (und Neid) auf alles Saubere und Geordnete, auf alles Bürgerliche und gut Funktionierende.

[…]

Ja, das ist wohl oft ein zentraler Grund.

Die Frage ist aber: Beschränkt sich dieser Hass und Neid auf Graffiti, oder findet man den auch woanders?

Einer der zahlreichen Gründe, warum mir die Lust an der Aktfotografie vergangen ist, ist, dass viele selbst junge und eigentlich schöne Frauen heute aussehen wie eine Karre, die nach drei Verkehrsunfällen nicht mehr durch den TÜV kommt: Alles voller Tattoos, so eine Art Eigengraffiti.

Das mit den „Körper-Mods“ hat ja eine lange Geschichte.

In den 50ern und 60ern sah man ja noch hübsch und adrett aus, wie für die Tanzstunde rausgeputzt und noch von Mutti abgeleckt.

So ungefähr zu meiner Schulzeit Anfang und Mitte der Siebziger ging das dann los mit den Punkern. Wobei sich das ja auch erst mal auf Kleidung, Frisur, Schminke beschränkte, solange keine Drogen im Spiel waren. Die Punker waren mir zwar völlig zuwider, aber rein fotografisch betrachtet hätte ich gegen eine nackte Punkerin in den meisten Fällen nichts oder wenig einzuwenden gehabt. Da kommt dann die Punk-Frisur auch besser zur Geltung.

Dann ging das los mit den Piercings.

Wobei ich auch gegen Piercings noch nichts einzuwenden hätte, solange sie hübsch aussehen und sparsamst eingesetzt werden, solange sie Schmuck und nicht Eigenvermüllung sind. Auch da gilt nämlich, dass zuviel einfach nichts ist, und der Ort und die Größenverhältnisse gewahrt sein müssen, das nicht funktional stören darf. In meiner Jugend gab es bei den Jungs so eine Marotte, an der ich auch teilnahm, nämlich den Schlüsselbund an einem – möglichst großen, brachialen – Karabiner an der rechtsseitigen Gürtelschlaufe der Hose hängen zu haben. Jeder wollte den größten haben. Ich bin damals in ein Fachgeschäft für Eisenwaren und haben einen richtig großen rausgesucht und der fragte, wofür ich den brauche, weil das komisch wirkte, wenn da so ein 11-Jähriger kommt und schweres Gerät kaufen will. Als ich es erklärte, haben sie es abgelehnt und gemeint, der zöge mir ja die Hosen runter, und mir stattdessen ein Modell verkauft, das ihrer Einschätzung nach in meiner Gewichtsklasse lag – physikalisch mag das sein, aber meinem Selbstbewusstsein völlig unangemessen. Es gab dann aber Punkte, die solche Karabiner nicht an der Hose, sondern durch die Nase oder sowas trugen.

Und da gab es dann relativ schnell welche, die da keine Grenzen mehr kannten und sich zunagelten. Und soviel ist sicher, spätestens wenn es beim Bumsen ständig klappert, weil die Intimpiercings aneinander schlagen, bin ich raus, ist das nicht mehr mein Ding. Und Flugrost sollte man auch nicht unterschätzen.

Aber immerhin, das Piercing als solches hat noch den Vorteil, dass man es – wenn auch mitunter nur mit dem richtigen Werkzeug – wieder rausnehmen kann.

Wenn dann aber Tattoos oder gar Branding oder irgendwelche Einbauten unter der Haut dazukommen, liegt das außerhalb meines Verständnisses.

Um das mal klar zu sagen: Ich halte weniger als 1% der Tattoos, die man hier so sieht, für erträglich und vertretbar. Nahezu alles ist einfach nur völlig missratener Schrott.

Und selbst wenn ein Tattoo halbwegs gelungen ist (und solange es halbwegs neu ist, als nicht verblichen und durch Körperalterung oder -veränderung verformt), ist es eine ganz massive Einschränkung der etwa fotografischen Möglichkeiten. Beispielsweise kann man von vornherein sämtliche Fotos einfach vergessen, auf denen das Tattoo teilweise sichtbar ist. Man kann Tattoos nur fotografieren, wenn man sie ganz, unangeschnitten sieht. Und selbst dann … ach, es ist einfach Müll. Sorry, wenn ich es mal so direkt sage, aber es sieht einfach Scheiße aus.

Ich verstehe nicht, warum Leute sowas überhaupt machen. Arschgeweih. Gruppenzwang. Hirnlosigkeit. SPD-Wähler.

Warum also?

Eigenhass?

Das Unvermögen, das Spiegelbild des eigenen – und dabei vor dem Tattoo in vielen Fällen leider durchaus schönen oder sogar makellosen – Frauenkörpers noch zu ertragen? Selbstvermüllung? Selbstentwertung?

Man sieht das gerade sehr deutlich in den Model-Karteien: Deutsche Models überwiegend mit Tattoos mehr oder weniger zugepflastert. Während viele osteuropäische oder inzwischen auch reichlich ukrainische Models das nicht haben, hübsch und gepflegt aussehen.

Woher kommt das?

Ist das ein anderes soziales Rangsystem, bei dem eben jetzt die oben steht, die voller Tattoos ist, wobei bekanntlich viele Frauen alles mitmachen, egal was, was gerade angesagt ist, um die soziale Rangordnung zu verbessern?

Oder ist es eine bewusste Selbstentwertung, eine Verweigerung der Teilnahme am Rangsystem?