Ansichten eines Informatikers

Die Rede des Bundespräsidenten

Hadmut
12.8.2023 12:51

Warum mich unsere Politik – und unsere Politiker – immer mehr abstoßen.

Eine Reihe von Zuschriften erreichten mich die letzten Tage. Bundespräsident Steinmeier habe auf einer Rede dies und jenes gesagt.

Nun mag ich das nicht, einzelne Sätze aus dem Zusammenhang zu reißen und ausgestanzt zu zitieren. Ich mag es nicht, wenn man das – wie gerade geschehen – mit mir macht, und ich mag es nicht, wenn man es mit anderen tut. Es geht mir sogar ganz gewaltig auf die Nerven. Und es hat wohl auch viel damit zu tun, dass in den Social Media – angefangen durch ÖRR und Presse – die Masche aufkam, solche Zitatfotos zu produzieren, die sich gut anzeigen und sharen lassen, in denen man ein Bild von jemandem zeigt und einen einzelnen, aus dem Kontext gerissenen Satz draufschreibt, manchmal noch sich selbst, um sich wichtig zu machen, aber fast nie mit Quellenangabe oder dem geringsten Hinweis auf den Kontext.

Kurz: Ich mag es nicht, wenn man irgendwo einzelne Sätze ausstanzt und isoliert zitiert oder kritisiert.

Deshalb hier der Hinweis, dass es um die inzwischen auf seiner Webseite im Volltext publizierte Rede des Bundespräsidenten 75 Jahre Verfassungskonvent von Herrenchiemsee vom 10. August 2023 in Herrenchiemsee handelt.

Es geht um das Grundgesetz.

Und es geht darum, dass mir so ziemlich alles, was in letzter Zeit zum Thema Grundgesetz geschwätzt wird, gewaltig auf die Nerven geht, weil es in Mode gekommen ist, das Grundgesetz als Universalargumentramme einzusetzen und zu zitieren, ohne es je inhaltlich verstanden, und meist auch ohne es gelesen zu haben. Es ist mittlerweile eine Geschwätzwelle geworden, das Grundgesetz zu zitieren, auch wenn die Zitierfähigkeit und Inhaltskenntnisse gerade mal bis zum ersten Satz reichen: Viele kennen nicht mehr als „Die Würde des Menschen ist unantastbar“, obwohl es in seinem Gehalt nahezu nichtssagend ist, um das dann als Gummiparagraph für einfach alles, was sie sich verbal unter Würde vorstellen, zu missbrauchen. Ich hatte schon an Verfassungsrichterin kritisiert, dass sie intellektuell nicht über Artikel 3 hinauskommen und dann alles mit dem Thema Diskriminierung plattmachen, aber ein Großteil der Grundgesetzmitschwätzer kommt nicht über Artikel 1 Menschenwürde hinaus. Die müssen dann für alles und zum Abräumen aller anderen Grundrechte herhalten.

Das nämlich ist das Problem: Wir haben keine Grundrechte mehr. Denn obwohl das Grundgesetz eigentlich als Abwehrrechte des Bürgers gegen die drei Staatsgewalten gebaut war, wird es heute mithilfe der zitierten Rabulistik, Artikel 1 oder Artikel 3 als Abrissbirne gegen alle Grundrechte einzusetzen, ins Gegenteil verdreht: Die Grundrechte werden als Abwehrrechte des Staates gegen den Bürger eingesetzt.

Und so sind Grundrechte wie Meinungs- und Pressefreiheit zur wertlosen Phrase verkommen: Ja, heißt es, natürlich haben wir Meinungs- und Pressefreiheit. Aber was „Meinung“ und wer „Presse“ ist, das legen die korrupten Politkreise im Hinterzimmer fest. „Meinung“ ist heute nur noch, was gehorsam und konform ist, dem Mainstream folgt. Jegliche Abweichung wird als „Hass und Hetze“ bezeichnet und per Bezeichnung vom Grundrecht der Meinungsfreiheit ausgenommen. Meinungsfreiheit ist heute die Freiheit, genau das zu sagen, was man von Regierungs und Mediens Befehl her zu sagen hat. Bis vor kurzer Zeit hatte man noch die Wahl zwischen Gehorchen und Maul halten, aber inzwischen ist auch suspekt, wer das Maul hält.

Daraus hat sich eine neue Rabulistikfigur entwickelt, die der „Verfassungsfeinde“, „Grundgesetzgegner“ und so weiter: Jeder, der sich nicht dieser Schwachsinnsexegese unterwirft, wonach die Artikel 1 und 3 einfach den gesamten marxistischen Schwachsinn gegen jede Kritik schützen und gegen jeden durchsetzen lassen, jeden Obszönitätsgrad der Migration und jedes Genderpronomen rechtfertigten, wird als „Verfassungsfeind“ beschimpft, weil die Verfassung ja eben auf Seite der Regierung sei – obwohl sie ihrer Konstruktion nach das Gegenteil bezwecken sollte, nämlich den Bürger vor der Übergriffigkeit der Regierung zu schützen.

Ändert aber die SPD wieder mal die Verfassung, weil sie ihr nicht passt, wird nicht etwa die SPD als verfassungsfeindlich dargestellt – was wäre verfassungsfeindlicher, als die Verfassung zu ändern, weil sie einem nicht in den Kram passt? – nennt man es Verfassungsänderung oder Verfassungsmodernisierung, und nicht etwa verfassungsfeindlich. Und obwohl die SPD die Partei ist, die die meisten als verfassungswidrig aufgehobenen Gesetze zu verantworten hat, die selbst das Wahlrecht zerstören wollte, kommt in der Propagandawelt aus Parteien, Rundfunk und Presse niemand auf die Idee, die Konsequenz daraus zu ziehen, dass die SPD – und inzwischen die Grünen – die verfassungswidrigste Partei ist. Und dementsprechend vom Verfassungsschutz beobachtet werden müsste. Das funktioniert freilich nicht, wenn die SPD-Innenministerien den Verfassungsschutzchef nach Belieben und Parteikonformität einsetzen kann.

Es gäbe also üppig Anlass für reichlich kritisch Wort zum Umgang mit dem Grundgesetz und dem Ge- und Missbrauch desselben nach 75 Jahren. Roman Herzog, ehemals Verfassungsgerichtspräsident und dann Bundespräsident, sagte mal, als Verfassungsgerichtspräsident habe man viel zu sagen, aber rede nicht viel. Als Bundespräsident halte man ständig Reden, aber habe nichts zu sagen. Er war auch sonst nicht sonderlich schlau. Denn auch wenn der Bundespräsident formal nicht mehr viel zu sagen hat – mit solchen Reden, die er hält, hat er viel Einfluss.

Deutschland hat generell wenig Glück mit seinen Bundespräsidenten, und das Amt dient ja auch mehr als so eine Art Versorgungsposten für oft mehr oder weniger abgehalfterte Politwracks, denn wenn man erst einmal Bundespräsident ist, wird man nie wieder etwas anderes, denn nach unten geht es nicht mehr, und nach oben auf EU-Ebene würde blöd aussehen, dafür hat man finanziell dann auch ausgesorgt. Bereits die Art und Weise, wie man in Deutschland Bundespräsident wird, gibt Anlass zu Misstrauen.

Anders gesagt: Bundespräsident ist das Ende der Sackgasse ohne Rückwärtsgang.

Dieses Grundgesetz ist, seit es dann ein Jahr später in Kraft trat, die Grundlage dafür, dass in unserem Staat Freiheit und Demokratie und Recht das Zusammenleben bestimmen.

So?

Tun sie das?

Ich persönlich habe nicht den Eindruck, dass in diesem Staat das „Zusammenleben“ – schon der Begriff und seine Wahl ein Hohn – noch von Freiheit, Demokratie und Recht bestimmt werden. Ich habe im Gegenteil den Eindruck, dass von allen dreien nicht mehr viel übrig ist und dies alles nur noch die Rhetorikmittel für Repressalien des Staates gegen den Bürger sind, denn ein Recht des Bürgers gibt es nicht mehr. Es gibt nur noch die rabulistisch phantasierten Rechte fiktiver anderer, die der Staat gegen den Bürger durchsetzt: Das „Recht“ nur noch als rabulistischer Hebel für die Zerstörung des Bürgers, weil es nur noch darum geht, die vermeintlichen, vorgeblichen, behaupteten Rechte irgendwelcher Anderer gegen den Bürger durchzusetzen.

Nach der Barbarei des Nationalsozialismus war unser Land zerstört, moralisch zerrüttet und geteilt. Die Städte waren weitgehend verwüstet, unzählige Menschen waren heimat- und obdachlos geworden, neun Millionen Flüchtlinge und Vertriebene waren aus dem Osten gekommen, Millionen Männer waren noch in Kriegsgefangenschaft oder galten als vermisst. Wohnungsnot und Hunger beschwerten die Menschen.

Ja.

Und unter dem Eindruck dieses Grauens hat man den Artikel 1 mit der Menschenwürde geschaffen.

Das wäre ein trefflicher Ansatzpunkt für eine Rede gewesen, nämlich wie bedeutungsschwer dieser Artikel 1 Grundgesetz eigentlich ist, was er bedeutet, dass er unter dem Eindruck von Millionen Toten, behandelt wie wertloser Dreck, vernichtet wie Abfall, entstand, und heute von dekadenten Wohlstandsverwahrlosten missbraucht wird, um frei erfundene blödsinnige Phantasiepronomen durchzusetzen oder die Bestandsfähigkeit des Landes per Migration zu zertrümmern.

Wäre ich Bundespräsident und hätte ein Rede zu 75 Jahren Grundgesetz(konvent) zu halten gehabt, wäre dies mein Thema gewesen. Die Diskrepanz zwischen dem, was da steht, was es bedeutet, woher es kommt, und dem Affentheater was heute daraus gemacht wird, etwa wenn ein Jan Böhmermann das Grundgesetz im ZDF als Witzfigur herumhampeln lässt, oder ein Georg Restle vom WDR die Menschenwürde für politischen Aktivismus missbraucht?

Im Namen des Staates waren die schlimmsten Verbrechen begangen worden; es war möglich gewesen, dass der Staat selber, seine Organisationen und Strukturen und seine Justiz, zur Aussonderung, Vertreibung und Vernichtung ganzer Menschengruppen beigetragen oder sie sogar aktiv betrieben hat. Es war diese grauenvolle Vergangenheit, die den Aufbruch in die Zukunft so besonders machte. Auch die Gefolterten von Buchenwald und Dachau, die Ermordeten von Auschwitz, die Gefallenen von Stalingrad wie auch die Toten vom D-Day sollten nicht vergessen werden. In der Idylle von Herrenchiemsee wollten die Männer des Konvents einen Staat bauen, der nicht mehr, nie mehr zu solch ungeheuren Verbrechen missbraucht werden konnte.

Ja.

Genau das.

Aber warum zieht er genau das Thema nicht weiter zu dem, was heute aus diesem Text gemacht, wie er missbraucht und zweckentfremdet wird?

Wenn etwa allen Verhafteten “Sicherheit vor körperlicher und seelischer Misshandlung gewährleistet” wird, dann hallen hier auch noch die Schmerzensschreie aus den Folterkellern der Gestapo nach.

Ja.

Und heute missbrauchen Gender-Ideologen diese Grundrechte, um die Eintragung von Phantasiegeschlechtern in Reisepässen und sonstigen Unterlagen durchzusetzen.

Liegt nicht gerade darin eine zynische Verhöhnung eben der Toten, auf deren Schicksal das Grundgesetz beruhte?

Wenn “Beschränkungen des Rundfunkempfangs” für unzulässig erklärt werden, dann ist dies auch eine Antwort darauf, dass im NS-Regime auf das Abhören ausländischer Sender nicht nur hohe Strafen, sondern auch die Todesstrafe drohten.

Und trotzdem werden im heutigen Deutschland Webseiten gesperrt, social media-Accounts gelöscht, kritische Meinungen weggeschossen. Leute von Vorträgen abgehalten, Kritiker von der Staatsanwaltschaft verfolgt.

Wie passt das zusammen?

Dazu gehören ganz zentral die Freiheit der Meinung, der Presse; die Freiheit, sich zu versammeln, Gemeinschaften, auch Verbände und Parteien, zu bilden; die Freiheit der Kunst, der Wissenschaft und auch des Glaubens. Diese Freiheit ist der grundsätzliche Gegenentwurf zum Totalitarismus in den Jahren der Diktatur. Ein antitotalitärer Grundkonsens prägte den Entwurf – vor allem der entschiedene Vorrang der Freiheit.

Wieviel ist von dieser Meinungsfreiheit noch übrig?

Wenn heute jeder verfolgt wird, mit Gewalt bedroht, aus dem Arbeitsplatz und der nachbarlichen Umfeld gedrängt wird, der noch eine abweichende Meinung sagt?

Was ist die Freiheit der Presse, wenn Richter willkürlich darüber entscheiden, dass Presse nur auf Papier stattfindet und die Innenminister das der großen korrupten Presselobby überlässt, wer einen „Presseausweis“ erhält und als Presse anerkannt wird, Auskünfte bekommt, obwohl es einen Presseausweis verfassungsrechtlich nicht geben darf?

Worin besteht noch die Freiheit der Versammlung und der Parteienbildung, wenn etwa die Piraten systematisch zerstört wurden und die AfD per politischem Druck und Gewalt von Versammlungen abgehalten wird? Beides von auffällig vielen Leuten, die heute in Landtagen und Bundestag sitzen und sich bezahlen lassen, oder die von der Bundesregierung bezahlt werden?

Worin besteht die Freiheit der Wissenschaft, wenn Leute von Vorträgen und Vorlesungen abgehalten werden, auch mit Gewalt, und jeder abgesägt wird, der nicht das publiziert, was politisch erwartet wird?

Wo war meine Freiheit der Wissenschaft, als ich nicht nur abgesägt wurde, sondern auch das rechtliche Gehör verweigert, der ganze Rechtsweg sabotiert wurde?

Diese Freiheit zu schützen, genau dazu sollen die demokratischen und juristischen Strukturen und Funktionen des Staates dienen.

Ja.

Das sollen sie.

Das tun sie aber schon lange nicht mehr.

Weil dieser Staat längst zur Beute der Parteien geworden ist, zur Beute genau derer, vor denen uns eben dieses Grundgesetz schützen sollte. Darunter auch der SPD-Politiker Frank-Walter Steinmeier.

Die bittere Erfahrung, dass die Demokratie in Weimar nicht stark genug gewesen war, ist für viele Entscheidungen und Formulierungen in Herrenchiemsee prägend gewesen. Etwa für die starke Stellung des Parlaments und der Parteien, die das parlamentarische System tragen.

Und wogegen war sie nicht stark genug?

Gegen die Kommunisten. Die Weimarer Republik war nicht stark genug, dem Druck der Kommunisten standzuhalten und wurde deshalb zwischen denen und ihren Widersachern zerrieben.

Und? Ist das heute anders?

Muss man nicht konstatieren, dass unsere heutige Republik noch wehrloser ist, die Sache nur eben langsamer abläuft?

Eines aber war wichtig und bleibt wichtig bis heute, nämlich das Ziel all der Bemühungen: ein demokratischer und sozialer Rechtsstaat freier Bürgerinnen und Bürger, die vor dem Gesetz gleich sind und deren Freiheit und Unversehrtheit in gleicher Weise geschützt wird.

Ein Hohn.

Denn um vor dem Gesetz gleich zu sein, müsste etwas erst einmal gesetzlich geregelt sein.

Ich hatte mir das damals genauer angesehen: Das Bundesverwaltungsgericht und das Bundesverfassungsgericht hatten jahrelang angemahnt, dass die Hochschulprüfungen gesetzlich geregelt werden müssen, und zwar genau deshalb, damit man gleich ist, damit für alle dieselben Regeln gelten. Weil der Staat, die demokratisch gewählte Regierung, alle wesentlichen Dinge selbst regeln muss, eben damit sie demokratisch sind.

Aber genau das wollte man ja gar nicht. Man wollte kein Gesetz, eben damit nicht alle gleich sind. Im Gegenteil, man war der Auffassung, dass alle Gesetze, weil männergemacht, stets Frauen benachteiligten und deshalb gar nicht sein dürften, lehnte geschriebenes Gesetz ab. Eben damit man nicht mehr gleich behandelt wird. Weil jede Gleichbehandlung frauenbenachteiligend sei, weil man keine Chancen- oder Rechts-, sondern eine leistungsunabhängige Ergebnisgleichheit haben wollte.

Deshalb hat man die Gleichheit, und dazu auch das Gesetz, um nämlich Gleichheit zu verhindern, systematisch sabotiert. Und wer war es? Steinmeiers SPD.

Und dann stellt der sich dahin und kommt hier mit der Gleichheit vor dem Gesetz – im Land der Frauenquote.

Unser Grundgesetz verträgt harte und härteste Auseinandersetzung.

So?

Und warum dann all die Sperren auf Social Media, die epidemieartige Verfolgung von Kritikern per §§ 130, 188 StGB?

Verfassungsfeinde jedoch kann die Verfassung nicht integrieren – und wir dürfen die Gefahr, die von ihnen ausgeht, nicht ignorieren. Politische Gegnerschaft ist eines, Verfassungsfeindlichkeit etwas ganz anderes. Verfassungsfeinde wollen ihre politischen Gegner vernichten, ihr Ziel ist Herrschaft ohne Widerspruch, und das ist nicht die Demokratie des Grundgesetzes.

Und wann ist man „verfassungsfeindlich“?

Warum gilt die SPD nicht als „verfassungsfeindlich“, die doch so häufig die Verfassung ändert, weil sie ihr nicht passt, oder Gesetze macht, die verfassungswidrig sind? Was könnte verfassungsfeindlicher sein, als die Verfassung zu ändern oder verfassungswidrige Gesetze zu machen?

Was ist mit Kommunismus und Antifa?

Und was ist mit dem Islam? Der weltliche Gesetze nicht anerkennt?

Wie kann man einerseits von der Integration der Migranten reden, wenn der Bundespräsident gleichzeitig sagt „Verfassungsfeinde jedoch kann die Verfassung nicht integrieren“?

Wer, wenn nicht Islam und Linke passt denn auf die Beschreibung „wollen ihre politischen Gegner vernichten, ihr Ziel ist Herrschaft ohne Widerspruch“?

Haben wir nicht die Cancel-Culture, die alles ausradiert, tyrannisiert, drangsaliert, vernichtet, was nicht in die politische Ideologievorgabe passt?

Hat nicht einer seiner Vorgänger gesagt „Der Islam gehört zu Deutschland“ obwohl gerade der Islam die Inkarnation, die Paradeimplementierung dessen ist, die politischen Gegner zu Vernichten und eine Herrschaft ohne Widerspruch zu erreichen?

Warum werde ich als Blogger derart angegriffen, aus dem Arbeitsplatz gedrängt, Drohbrief, Diffamierung und Schmähbriefe in die Briefkästen der Nachbarschaft, Schmierereien am Haus, die sich auf Antifa-Rot-Grün zurückverfolgen lassen?

Im Kampf gegen den Extremismus gibt es eine historische Lehre, die sich wie ein roter Faden durch den Verfassungsentwurf von Herrenchiemsee zieht und die bis heute gilt: Eine Demokratie muss wehrhaft sein gegenüber ihren Feinden. Niemals wieder sollen demokratische Freiheitsrechte missbraucht werden, um Freiheit und Demokratie abzuschaffen.

Und wieso stellen solche Demokratiefeinde dann gerade die Bundesregierung und missbrauchen die Regierungs- und Parlamentsmacht zur Zertrümmerung der Demokratie?

Wo war diese Demokratie, als die Piratenpartei unterwandert, übernommen und pulverisiert wurde?

Woher kommt dieses Wohlwollen gegenüber Sozialismus und Kommunismus, obwohl diese es waren, die schon die Weimarer Republik vernichtet haben?

Wie kann es sein, dass heute Leute in einer Regierung, im Parlament sitzen, die das Parlament durch „Räte“ ersetzen, eine Räterepublik, eine Sowjetunion aufbauen wollen?

Robust und wehrhaft schon im Alltag zu sein, heißt zuerst, den Willen zum Widerspruch gegen Angriffe auf Freiheit und Demokratie zu beweisen und die auftrumpfenden Lügen von Freiheitsfeinden nicht mit Schweigen und Beschwichtigung hinzunehmen – die Freiheitsfeinde dadurch womöglich noch zu ermutigen.

Da hat wohl mittendrin der Redenschreiber gewechselt. Denn oben war noch die Rede davon, dass die Demokratie harte und härteste Auseinandersetzungen vertrage und vertragen müsse, und jetzt plötzlich sind alle, die nicht stramm auf Linie sind, Lügner und „Freiheitsfeinde“?

Klarer, entschiedener, kämpferischer Widerspruch der demokratischen Parteien ist zum Beispiel immer dann geboten und gefordert, wenn Agitatoren in öffentlichen Versammlungen oder selbst in Stadtrats- und Gemeinderatssitzungen unsere Demokratie als “System”, “Unrechtsregime” oder “Diktatur” verunglimpfen, demokratische Institutionen diskreditieren und verächtlich machen.

Da hat die Meinungsfreiheit wohl nur drei Redeabsätze lang gehalten. Auf einmal geh es dann um „Agitatoren“ und „demokratische Institutionen diskreditieren und verächtlich machen“.

Wer sind denn diese „demokratischen Parteien“?

SPD und grüne sind jedenfalls nicht demokratisch orientiert. Sie verwenden den Begriff zwar gern und oft, aber mit einer gegenteiligen Bedeutung, sie verwenden ihn als Tarnwort für Sozialismus, so wie in „Deutsche Demokratische Republik“. Im marxistischen Sinne.

Und wer würde die demokratischen Institutionen mehr diskreditieren und verächtlich machen als die Besetzungspolitik der Parteien, etwa durch einen berufs- und ausbildungslosen Kevin Kühnert? Oder die schlechten Tanzvideos einer Emilia Fester?

Niemand macht diese demokratischen Institutionen verächtlicher als ein Kameraschwenk über das Parlament.

Erinnern wir uns daran, dass unsere Demokratie im Schatten von Diktatur, Krieg und Völkermord entstand. Und erkennen wir, was heute für unsere Demokratie auf dem Spiel steht. Wir alle haben es in der Hand, die Verächter unserer Demokratie in die Schranken zu weisen.

In einer Phase der Re-DDR-isierung.

Bin ich ein Teil von „wir alle“?

Wenn nein: Warum nicht?

Wenn ja: Welche Möglichkeiten habe ich denn, „Verächter unserer Demokratie“ wie SPD und Grüne, aber eben auch diesen Bundespräsidenten Steinmeiner „in die Schranken zu weisen“? Welche Schranken überhaupt? Die des Grundgesetzes? Wie denn?

Und wir alle, jede Politikerin und jeder Politiker, aber eben auch jede Bürgerin und jeder Bürger, wir alle haben eine gemeinsame Verantwortung für unsere Demokratie. Wir müssen sie schützen! Kein mündiger Wähler kann sich auf mildernde Umstände herausreden, wenn er sehenden Auges politische Kräfte stärkt, die zur Verrohung unserer Gesellschaft und zur Aushöhlung der freiheitlichen Demokratie beitragen.

Eine sehr seltsame Auffassung von aktiven und passivem Wahlrecht und von Wahlgeheimnis, mithin von Demokratie schlechthin, wenn man sagt „Kein mündiger Wähler kann sich auf mildernde Umstände herausreden“. Ein Begriff des Strafrechts, angewandt auf Schuldige, dafür, dass man von seinem Wahlrecht Gebrauch macht.

Habe ich das richtig verstanden? Wir lassen es zu, dass ein Bundespräsident den Wählern mit einem Begriff aus dem Strafrecht und mit Strafe droht, wenn sie nicht so wählen, wie er das zugunsten seiner Partei von ihnen verlangt?

Und ausgerechnet der faselt uns einen von Demokratie und ihren Feinden?

Gerade ein Gedenken wie heute fordert uns auch zu solch ernsten Gedanken auf. Die Unantastbarkeit der Menschenwürde und das Demokratieprinzip sind durch die Verfassung selbst jeder Abschaffung entzogen. Aber politisch – politisch, nicht rechtlich – müssen wir uns immer im Klaren sein: Unsere Verfassung verliert ihre Gültigkeit an dem Tag, an dem sie uns gleichgültig wird.

Falsch.

Unsere Verfassung verlor ihre Gültigkeit, als sie herumgedreht wurde. Als sie nicht mehr das Recht der Bürger gegen den Staat war, sondern zum Mittel des Staates gegen die Bürger gemacht wurde.

Ich halte diese Rede für unvertretbar.

Es fällt auf, dass sie mit dem erwartungsgemäßen salbungsvollen Blabla beginnt, sich aber nach hinten hin hochschaukelt, als habe sich der Redenschreiber in Rage geschrieben.

Um es kurz und deutlich zu sagen: Wer als Bundespräsident eine solche Rede irgendwelcher Redenschreiber durchreicht und vorliest, ist in meinen Augen und nach meinen Maßstäben nicht geeignet und nicht befähigt, als Bundespräsident Gesetze auf deren Verfassungsmäßigkeit zu prüfen, bevor er sie unterschreibt.

Man hat hier in einigen salbungsvollen, aber meist nichtssagenden Phrasen ein paar Dinger eingebaut, die ich für verfassungs- und demokratiefeindlich halte, und die genau in das Herrschaftsschema der SPD passen. Denn in deren Doktrin ist „Demokratie“ einfach nur qualitäts- und maßstabslos alles das, was machterhaltend für die SPD ist. Man hat gefälligst so zu wählen, dass die SPD an der Macht bleibt.

Und man hat sich auch gefälligst so und nur so zu äußern, dass die SPD an der Macht bleibt. Kritik ist nicht erlaubt.

In meiner Jugend war ein Spruch in Mode: „Wir sind die, vor denen uns unsere Eltern immer gewarnt haben.“

Ich würde den Spruch heute abwandeln: Unsere Verfassungsorgane sind heute die, vor denen uns unsere Verfassung schützen sollte. Und dazu gehört auch der Bundespräsident.

Dieses Land ist nicht mehr zu retten. Ich versuche es auch nicht mehr. Ich kommentiere es nur noch.