Ansichten eines Informatikers

Barbie

Hadmut
7.8.2023 22:48

Ich war im Kino.

So.

Nachdem ich mehrere Leserzuschriften mit völlig entgegengesetzten Bewertungen und Einstufungen des Barbie-Films bekommen hatte, habe ich mich gerade eben mal selbst ins Kino gesetzt. (Zypern, englisches Original mit griechischem Untertitel).

Warum ich nicht mehr ins Kino mag.

Der Besuch hat mich daran erinnert, dass und warum ich eigentlich nicht mehr gerne ins Kino gehe.

Der Sound war schlecht, und weil sie teilweise schnell und undeutlich reden, habe ich – muss ich leider zugeben – nicht alles verstanden. (Ich hatte vor Jahren mal Briten und Amerikaner gefragt, ob sie eigentlich in den Filmen immer alles verstehen. Antwort: Nein. Sie stört es nur nicht.) Wir sind da im Deutschen etwas verwöhnt, weil die Synchronisationsspuren für uns immer im Studio entstehen und damit von tadelloser Qualität sind, während die Originale am Set mit Mikrofonen von oben aufgenommen werden und die beim Reden noch Schauspielern müssen.

Das Kino hatte zwar eigentlich eine ganze Reihe modern aussehender Lautsprecher an den Seiten, vermutlich Dolby-Irgendwas und Sonstwas-Sound, die waren aber nicht in Betrieb. Der Ton kam nur von Lautsprechern hinter der Leinwand und hatte damit einen deutlichen Hall. Keine Ahnung, ob da etwas kaputt war oder ob die Verleihgebühren einfach niedriger sind, wenn man nur Stereo statt irgendeinem Multikanalding abspielt, aber ich fand den Ton schlecht und ich habe nicht alles verstanden. Vielleicht werde ich auch alt.

Es zeigt aber auch, wie sehr sich meinen Filmkonsumgewohnheiten verändert haben. Denn beim Streamen und DVD-Gucken zuhause habe ich die Angewohnheit, kurz ein paar Sekunden zurückzuspulen, wenn ich etwas nicht verstanden habe. Notfalls schalte ich englische oder deutsche Untertitel zu oder wechsle auf die deutsche Tonspur. Das mache ich eigentlich nicht mehr mit, dass ich wichtige Stellen nicht verstanden habe.

Ich habe – wie man das früher im Kino so machte – weit hinten und oben gesessen, um einen optimalen Blick auf die Leinwand zu haben. Und hatte damit auch den Blick auf mindestens ein Dutzend Handy-Bildschirme, weil die Leute anscheinend nicht mehr in der Lage sind, einen Film zu sehen, ohne ihre Social Media zu checken. Oder vielleicht war manchen Typen der Film zu langweilig, in den sie mit ihrer Freundin mussten. Nervt gewaltig. Außerdem Remmi-Demmi, irgendwo schien mal einer vom Sessel gefallen zu sein (womöglich eingeschlafen, ist mir nämlich gegen Ende auch fast passiert), und zwischendurch mal Ablenkung, weil in der Reihe vor mir irgendwas los war.

Ich gehe nicht mehr gerne ins Kino. Und wenn ich doch gehe, dann weiß ich danach gleich wieder, warum ich nicht mehr gerne ins Kino gehe.

Das Positive

Fangen wir mal mit etwas Positivem an.

Die ersten 10 oder 15 Minuten, in denen der Film in Barbieland spielt und eigentlich nichts anderes als die süßlich-rosafarbene Spielwelt kleiner Mädchen darstellt, ist in ihrer rosa Plastik-Entsetzlichkeit gut gemacht und gelungen (abgesehen davon, dass ich ihnen den Anfangsgag als Anleihe bei einem besseren Film nur schwer verzeihen kann).

Man merkt, dass da Kulissenbauer(innen?), Maskenbildner(innen?), Kostümbildner(innen?) mal die Sau rausgelassen haben und eine Menge Spaß gehabt haben müssen, und diese Farben- und Formensprache der Spielzeugwelt kleiner Mädchen im Allgemeinen und der Barbie im Besonderen schon sehr, sehr gut beobachtet und getroffen haben.

Das Problem daran: Man sieht sich schnell satt daran. So nach 10 bis 15 Minuten ist der Gag verbraucht, und das scheinen sie auch selbst gemerkt und berücksichtigt zu haben, denn dann ist es erst einmal vorbei mit der Barbiewelt.

Die Story

Irgendwo zwischen schrecklich, dürftig und erbärmlich.

Man hat irgendwie so bei der Unendlichen Geschichte geklaut und die Story daran hochgezogen, dass Barbie nicht mehr funktioniert, wenn sie nicht Mädchen findet, die noch richtig mit ihr spielen. Auf einmal hat Barbie ein abgelaufenes Haltbarkeitsdatum auf ihrer perfekten Milchtüte, in der sowieso nichts drin ist. Sie muss in die reale Welt.

Und dann ist ihnen irgendwie nichts eingefallen.

Ken findet heraus, dass in der realen Welt die Männer das Sagen haben und führt das in Barbieland ein, Barbie dagegen macht Mattel ausfindig und findet heraus, dass sie von einer Chefetage voller Armleuchter gemacht wird. Und will nicht mehr zurück in ihre Verpackung.

Dann geht das los, dass sich die Frauen samt welcher aus der realen Welt daran machen müssen, Barbieland vom bösen Patriarchat wieder zu befreien, das Ken eingeschleppt hat. Manche Leute meinen, dass Barbie deshalb ein feministischer Film sei.

Könnte man meinen.

Ist er aber nicht.

Barbie ist – meines Erachtens – kein feministischer Film. Barbie ist nur ein doofer Film. Zwar so doof, dass man ihn für feministisch halten könnte, aber meine Einschätzung ist, dass ihnen einfach nur überhaupt nichts eingefallen ist, womit man die zwei Stunden abzüglich der ersten 15 Minuten rosa Plastik füllen könnte. Und dann hat man sich einfach am Zeitgeist bedient. Weil man wohl meinte (und das vielleicht nicht zu Unrecht), dass man damit heute bei der Zielgruppe durchkommt. Und ihnen ist kein ordentlicher Plot eingefallen. Also macht man das, was man macht, wenn man an der Uni ist und einem einfach gar nichts einfällt: Man promoviert in Gender Studies, indem man den Zeitgeist rezitiert.

Dieser Film ist – insofern schon feministisch – letztlich nur Dummes von Dummen für Dumme, aber mit guten Kulissen- und Requisitenbauern.

Das Kernproblem nämlich ist die entsetzliche Inhaltslosigkeit der Spielwelt kleiner Mädchen und des Weltbildes großer Feministinnen.

Jungs-Spielzeug wie Spiderman, Hulk, Batman, Superman hat eine Story. Die können was, die machen was. Und sind auch kein reines Kinderspielzeug. Ich hatte als Kind das Batmobil aus der alten Batman-Fernsehserie, und das Ding konnte Raketen schießen, Feuer spucken und solche Dinge. Damit konnte man Verbrecher jagen, den Joker einbuchten.

Barbie dagegen war noch nie etwas anderes als ein grinsender Kleiderständer. Barbie ist ein Pflegeübungsobjekt. Man kann sie frisieren, bürsten, ankleiden, in irgendwelches Zubehör stecken. Fertig. Barbie macht nichts. Barbie kann nichts. Ja, es gibt Wissenschaftsbarbie, Raumfahrtbarbie, Pilotenbarbie, Präsidentenbarbie und und und. Das beschreibt aber nur die Palette ihrer Kostüme und kleiner Zubehörteilchen. Barbie macht nichts mit dem Mikroskop oder Notebook außer damit schön auszusehen. Fertig.

Aus Barbie kann man keine Story machen, weil sie keinen Inhalt, keine Substanz, keinen Charakter hat.

Bei Batman, Superman, Spiderman, Hulk und wie sie alle heißen ist deren Genese Teil der Story, man weiß, woher sie kommen, warum sie sind, wie sie sind, wie sie entsanden sind, kennt deren Jugend und Verhältnisse.

Bei Barbie?

Nichts.

Nichts außer Leere und rosa.

Mit dem bösen Blick des Gender-Studies-Kritikers könnte man freilich sagen, dass dieser Film so inhaltslos und aussichtslos ist wie eben die Phantasiewelt kleiner Mädchen, die sich daran erschöpft, dass rosa Ponys und regenbogenfarbene Einhörner drin vorkommen, und ein Gender Pay Gap nur die zwangsläufige Konsequenz daraus ist. Denn in der Jungs-Welt kommen Probleme, Gegner, Angreifer vor, die ein ums andere Mal besiegt werden müssen. Barbie und die in der Anfangsszene gezeigten notorischen Baby-Puppen sind letztlich nur Ordnungsschemen: Das Kind liegt gewickelt im Bett und Barbie ist ordentlich frisiert und schick angezogen, hat niemals ein Problem. Jeder Tag ist der tollste aller Tage. Jungs lösen Aufgaben, Mädchen haben keine Probleme. Alles rosa.

Insofern könnte man den Film durchaus als eine Darstellung der entsetzlichen depressiven Trostlosigkeit der Hanni-und-Nanni-Phantasiewelt von Mädchen auffassen, die so problemlos ist, dass sie niemals lernen, Probleme zu lösen. Allerdings dürfte das zuviel der Ehre für die Drehbuchautoren sein.

Ich habe eher den Eindruck, dass ihnen keine Story eingefallen ist und dann viele Köche den Brei verdorben haben.

Bleibt die Frage, was der Film eigentlich soll und was dessen Zielgruppe ist.

Kinder sind es – anders als man erwarten würde – meines Erachtens nicht. Ich halte das nicht für einen Kinderfilm.

Männer sind es auch nicht.

Vielleicht jene Kategorie von Frauen, denen ihre Barbie als Kind wichtig und heilig war, und die sich jetzt per rosa Zuckerschock gerne mal an ihre Kindheit, ihre Mädchenwelt zurückerinnern. Barbie mit dem Strahlelächeln und den Kostümen, in deren Welt alles so gut, so rein, so rosa war. Das mit dem Wiedererkennen von Kindheitserinnerungen funktioniert immer gut.

Aber letztlich habe ich den Eindruck, dass Mattel vor dem Problem stand, dass die Barbie-Verkäufe nicht mehr so toll aussehen und sie es ja schon mit Verzweiflungstaten wie Vitiligo-Barbie oder kleinen, dicken Barbies versucht haben. Die werden da, so mein Eindruck, bei Hollywood einen Barbie-Film in Auftrag gegeben und einfach völlige Narrenfreiheit gelassen haben einschließlich der Freigabe, auch Mattel selbst durch den Kakao zu ziehen. Und dann ist ihnen nicht so wirklich was eingefallen, aber die „professionellen“ Buchschreiber haben halt 2 Stunden aus dem Zeitgeist gemolken.

Auf mich wirkt das eher wie eine Verzweiflungshandlung eines plastikorientierten Spielzeugkonzerns, der gegen die elektronische Spielwelt aus Apps und Social Media nicht ankommt. Als ginge es darum, „Barbie“, egal wie, in die Medien und die Wahrnehmung zu drücken.

Ich hatte ja zu Vitiligo-Barbie schon geschrieben, dass ich im hiesigen Spielzeugladen ans Puppenregal gegangen bin, um Mitbringselchen für die Nachbarstöchterchen zu beschaffen, und mir da schon aufgefallen war, dass Barbie hier in starker Konkurrenz zu billigeren steht. Eine einfache Barbie ohne Zubehör in der schmalen Packung kostet hier so ab ungefähr 7 Euro (großes Geschäft, Fälschung eher unwahrscheinlich, wirkt sehr echt), Konkurrenzprodukte aber ab 3 Euro. Und es ist nicht so, dass die denen aus den Händen gerissen werden. Bei den Glitzerfilzstiften ist eindeutig mehr los.

Und nicht wenige Muttis sind für den Plastikkram ohnehin nicht mehr zu haben.

Es ist vielleicht einfach nur der Versuch, ein Geschäftsmodell am Leben zu halten, das nicht mehr läuft.

Vielleicht hat sich das Prinzip Barbie in vielerlei Hinsichten einfach überlebt.

Vielleicht ist Plastikspielzeug einfach out.

Vielleicht ist das Modell des hübschen extrem aufgedonnerten Zauberschönchens mit der Bleistiftfigur einfach out.

Vielleicht ist rosa out.

Vielleicht spielen zu viele Mädchen in der Barbie-Altersgruppe einfach nicht mehr mit solchen Püppchen, sondern sind in Social Media und konsumieren Apps.

Die Mädchen heute wollen nicht mehr einfach nur schön sein. Sie wollen Influencerinnen sein.

Und der Punkt ist eben, dass ich bei den Nachbarstöchterchen, zumindest der Älteren, mit Barbie auch keinen Stich mehr mache, nicht mal mehr mit Influencer-Barbie (gibt’s tatsächlich). Die will lieber im Detail wissen, wie mein Videomischpult und der Green-Screen funktionieren, wie man live auf Sendung geht. Es interessiert die einen Scheiß, wie Barbie vor ihrer rosa Plastik-Kamera aussieht. Für die zählt, wie sie selbst vor der Kamera aussieht und wie man es in Fernsehqualität rausstreamt.

Die Mädchen von heute wollen wohl kein Barbie-Puppenhaus mit Ken und Pony und rosa Cadillac mehr.

Die Mädchen von heute wollen Internet-Anschluss und ein voll funktionsfähiges Videomischpult oder wenigstens ein Videohandy mit der vollen Bandbreite an Apps.

Und da kann Mattel nicht einmal mit der im Film noch gezeigten Videobarbie mit eingebauter Kamera und Bildschirm auf dem Rücken mithalten.

Fazit

Ich fand den Film enttäuschend, obwohl der Anfang nicht schlecht war. Aber er zieht sich, hat Längen und eine sehr dünne Story.

Das Geld lohnt sich nicht, zumal wenn man mit Kindern reingeht und dann noch Getränke, Popcorn, Parkgebühren und so weiter dazukommen. Es ist meines Erachtens auch kein kindertauglicher Film, und ich weiß nicht, für wen der Film eigentlich sein soll.

Damit wartet man ab, bis der mal im Free-TV ist oder der Preis für Streaming / DVD zweimal gesunken ist, und dann kann man den mal seinen Töchtern vorwerfen und sie hinterher fragen, was sie davon halten.

Ich denke, die Zeit der Barbie ist einfach vorbei. Oder vielleicht sogar generell die solchen Plastikspielzeugs vom Schlage Mattel. Toys-R-Us hat ja auch schon die Grätsche gemacht.