Ansichten eines Informatikers

Englisch!

Hadmut
29.5.2023 19:00

Ein Bildungsratschlag.

Leute, ich komme immer mehr zu der Überzeugung, dass wir als Deutsche international immer weniger Bedeutung und Einfluss haben, weil wir Deutsch sprechen.

Deutsch ist eigentlich eine sehr tolle Sprache, weil sie als hochpräzise und sehr genau und detailliert in ihrer Ausdrucksweise gilt. Ich habe mal in einem amerikanischen Buchgeschäft durch einen Reiseführer Deutschland mit Einführung in die Sprache geblättert, und da hieß es zuerst, dass man verstehen und sich daran gewöhnen müsse, dass die Deutschen so präzise und genau sprächen, Deutsch sei wie ein Schweizer Uhrwerk.

Das stimmt. Denkt mal an Chaplin in „Der große Diktator“.

Wobei ich zugeben muss, dass ich auch immer wieder neidisch bin, wie kurz und direkt man im Englischen/Amerikanischen manches ausdrücken kann. Deren Ausdrucksfähigkeit ist zwar geringer (vergleicht mal unsere Reichhaltigkeit an Flüchen, Schimpfwörtern und Beleidigungen mit deren „Fuck“), aber das, was sie damit noch sagen können, sagen sie mit weniger Aufwand. Während uns Englisch-Sprecher dafür bewundern, was für erstaunliche Wortungetüme wir „on the fly“ zusammennageln können, finde ich es immer wieder beeindruckend, was für brachial kurze Redewendungen die da erfinden können und verstanden werden. So kam während der Zeit meines Englischunterrichtes und meiner Sprachreisen nach England Formulierungen wie „I’m fine with that“ oder „Are you with me“ eigentlich nicht vor, sind mir im normalen Sprachgebrauch in England nicht begegnet, da wurde noch gefragt, ob man denn auch agreed. Ich bin mir nicht sicher, ob das Fort- oder Rückschritt ist, ob die vielleicht einfach nur ein Schrumpfen ihrer Sprachfähigkeiten haben, und diese einfachen Formulierungen vielleicht einfach nur Symptom schrumpfender Sprachfähigkeit sind. Nicht von der Hand zu weisen ist aber, dass sie rhetorisch gute Dienste leisten können. Je nach Publikum. Und in Zeiten der Generation Twitter sollte man ja schon darauf achten, Schachtelsätze zu vermeiden und das Ende eines Satzes nicht weiter als 140 Zeichen vom Satzanfang weglaufen zu lassen. Kurze, einfache Sätze.

Dafür ist es heute wichtig, inbrünstige, emotional aufgeladene Satzmelodien und Betonungen drauf zu haben, Mimik und Gestik natürlich auch. Und das Repertoire an Floskeln muss sitzen. Englisch zu sprechen hat heute viel damit zu tun, inhaltlich wenig zu sagen, dafür aber viele anerkannte und positiv oder negativ konnotierte, leicht wiederzuerkennende Standardfloskeln einzuwerfen. Im Prinzip sind diese Floskeln heute eine Art Emotionssemaphoren, Emotionalsatzzeichen. Damit die Intention, was man damit mitteilen möchte, auch bei eher einfach strukturierten Gehirnen gut ankommt.

Englisch ist heute nicht einfach nur ein sprachlich korrekte Oxford-Englisch herunterzuschnarren. Englisch heißt, die richtigen Ausschmückungen drauf zu haben und die ganze Satzmelodie so hinzubekommen, dass die Zuhörer mitsingen.

Habt Ihr mal amerikanische Radio- oder Fernsehwerbung gehört? Die haben so einen ganz besonderen Tonfall drauf, mit dem jeder sofort merkt, es ist Werbung, und am Ende das „so call now“ in einem immer gleichen Tonfall, der vom Tonfall signalisiert, was man sagen will.

Mein bestes Englisch habe ich vor 20 Jahren gesprochen. Da war nicht nur das Hirn noch frisch, sondern ich auf englichen Mailinglisten und Konferenzen sehr aktiv, und hatte mich damals als einziger Deutscher mit einem Vorschlag gegen die Amis gestellt. Das bedeutete sehr viel Streit, viel Diskussion, alle reden gleichzeitig auf einen ein. Erfolg nahe bei Null. Aber ich habe nie zuvor und nie wieder hinterher so gut, schnell, flüssig Englisch gesprochen wie damals.

Obwohl mir noch eine Begebenheit von meinen Sprachreisen nach England in Erinnerung sind. Waren leider nur dreimal drei Wochen in den Osterferien, das gab es damals noch nicht, mal ein Schuljahr oder Semester ins Ausland zu gehen. Damals war mein Englisch lausig, ein bisschen Schulenglisch, und dann gleich in eine englische Gastfamilie. Ich habe damals angefangen, englisch zu träumen, und war dann sehr, sehr überascht, als ich zurück nach Deutschland kam, und mir von Dingen die englischen Begriffe geläufig waren und die Deutschen nicht mehr einfielen. Ich wusste, was Vinegar ist, als wäre es das Normalste der Welt, aber mir fiel das Wort Essig nicht mehr ein.

Heute ist mein Englisch lausig. Zumindest nach meinen eigenen Maßstäben.

Ich war zu wenig im Ausland und habe zu wenig mit englischsprachigen Kollegen zu tun gehabt. Es ist einer der Gründe, warum ich oft nach Australien oder Neuseeland gefahren bin, nämlich um mit den Leuten Englisch zu sprechen. Es halbwegs warm zu halten. Oder notfalls australisches Radio zu hören.

Es war einer der Gründe, warum ich mich für Zypern entschieden habe. Das ist zwar oft grottig und nur entfernt Englisch, aber immerhin, und es gibt ja (noch) viele Engländer hier.

Jedenfalls habe ich so gerade das Gefühl, dass mein Englisch ziemlich degeneriert und schlecht geworden ist und dringend renoviert werden müsste, ich dringend Übung brauche. Da sagte mir die Tage ein Zypriot, mein Englisch sei sehr gut. Ich sei einer der wenigen Deutschen, mit denen ein Gespräch möglich sei.

Was mich, ehrlich gesagt, sehr erschüttert hat, weil ich, wie gesagt, mein eigenes Englisch derzeit als lausig einstufe und erheblichen Übungsbedarf sehe.

Sprechen die Deutschen gar so schlecht englisch?

Ich fürchte ja.

Denn seien wir mal ehrlich, Englisch kommt doch bei uns kaum vor. In anderen Ländern, den Skandinavischen/Nordeuropäischen, Niederlande, Benelux, ist es gang und gäbe, Kinofilme im Fernsehen und Kino unsynchronisiert, auf englisch zu zeigen. Deshalb sprechen die dort auch alle ziemlich gut, ziemlich fließend Englisch.

Es ist etwas, was mir auf den Feminismus-Konferenzen und auch bei Greta Thunberg schon aufgefallen ist: Ist die Birne noch so hohl, sind die noch so doof, sprechen die trotzdem fast immer ein sehr gutes Englisch, auch wenn manchmal nur vom Blatt abgelesen. Aber selbst das muss man ja erst einmal können.

Ich habe mich schon oft gefragt, warum und woher diese Leute, auch wenn sie ansonsten ungebildet erscheinen und man bezweifeln mag, dass sie je auf mehr als der Grundschule waren, weil es schon an Allgemeinbildung fehlt, Dyskalkulie, und sonst was alles für Defekte, oft verblüffend gut und nah am Muttersprachlichen Englisch sprechen, auch in der Aussprache, im Wortschatz, in den Floskeln, als hätten die ein besonderes Training bekommen. Schulenglisch reicht da nicht. Zumindest das, was ich damals in der Schule bekam, und ich hatte Leistungskurs Englisch. Was mich immer wieder zu der Überlegung brachte, die sich auch oft bestätigte, dass viele der Feminismus-Aktivisten (und inzwischen auch die Klimas) erhebliche Zeit in England oder den USA verbracht haben müssten und vermutlich dort ideologisch abgerichtet wurden und womöglich sogar Sprachunterricht bekamen. Ich habe ja gemerkt, wie mich damals der Sprachunterricht auf den Sprachreisen in jeweils nur 3 Wochen vorangebracht hat. Sogar die Englischlehrer in der Schule habe ich damit verblüfft.

Gerade wenn ich solche EU-Videos sehe, oder auch an die Konferenzen damals zurückdenke, habe ich immer den Eindruck, dass wir als Deutsche dort völlig „unterrepräsentiert“ sind, und wenn wir etwas vorbringen, es nicht mit der erforderlichen oder angemessenen Wirkung ankommt, weil wir nicht gut genug Englisch sprechen. Zu nahe am Schulenglisch, und vor allem: Selbst wenn formal korrekt, zu nahe an deutschem Satzbau, deutscher Satzmelodie, deutscher Ordnung. Es fehlt diese geschmeidige Leichtigkeit. Es wirkt unbeholfen, sperrig, nicht selten aggressiv. Weil Englisch nun mal nicht, wie im Deutschen, als korrekt und präzise daherkommt, sondern eher auf einer Dynamik beruht, in der das Gesamtgebilde eigentlich wichtiger als grammatikalische Details ist, und die Grammatik ohnehin eher Auslegungssache ist. Ich glaube ja auch nicht, dass Englisch eine Sprache, sondern längst eine Sprachfamilie ist.

Deshalb bin ich auch der Überzeugung, dass man Englisch zwar lernen, aber mehr üben als lernen muss. Um den richtigen Sound zu entwickeln. Um Vokale und Konsonanten britisch oder amerikanisch oder australisch und nicht deutsch klingen zu lassen.

Und ich glaube, dass wir da als Deutsche international einfach das Nachsehen haben, weil es uns an den Sprachqualitäten mangelt. Weil wir uns nicht genug international darstellen können und es auch nicht tun.

Und damit meine ich nicht nur Heinrich Lübke, Günther Oettinger, Annalena Baerbock, sondern uns alle.

Ich halte es für dringend erforderlich, dass wir mehr Englisch sprechen und üben, wenn wir auf internationalem Parkett noch etwas erreichen wollen und uns nicht von Zwergen wie Belgien oder Schweden über den Haufen reden lassen wollen.

Warum schaffen die das in Dubai, praktisch alles zweisprachig arabisch und englisch darzubieten (und daraus, dass die Texte meist gleich lang sind, aber arabisch von rechts nach links geschrieben wird, noch eine Kunstform zu machen und das für spiegelsymmetrische Beschriftungen zu nutzen), und auf Zypern, obwohl als Land kaum halb so groß wie die Stadt Berlin, das Überwiegende zweisprachig griechisch-englisch zu machen?

Wir sollten uns als Land ganz dringend um unser Englisch kümmern. ARD und ZDF sollten mindestens einen englischsprachigen Kanal anbieten, auf dem Filme in englischer Originalfassung kommen (oder wenigstens konsequent Zweikanalton anbieten), englische Nachrichten, und so weiter und so fort.

Man mag zwar dagegen argumentieren, dass das zulasten duetscher Sprache und deutscher Identität geht. Die in Zeiten von Gendersprache und Genderhype ohnehin schon Schaden genommen haben. Aber wenn wir international überhaupt noch irgendeine Rolle spielen wollen, müssen wir besser Englisch sprechen.

Die Firma, in der ich vor 25 Jahren angefangen habe, war zunächst deutsch, wurde dann aber von einem EU-weiten Konzern übernommen und auf EU getrimmt, und da hieß es dann „Firmensprache ab jetzt englisch“. Was zur Katastrophe wurde, weil wir viele Ossis hatten und die sagten, dass sie in der Schule nur russisch gelernt haben. Das ist nun aber auch 25 Jahre her.

Wir sollten ganz dringen daran arbeiten, dass wir uns als Nation, als Deutsche besser darstellen und unser Englisch massiv aufmöbeln, um konkurrenzfähig zu sein und international noch Gehör zu finden.