Ansichten eines Informatikers

Warum eigentlich „Studierende“?

Hadmut
17.3.2023 19:46

Nur so ein Gedanke.

Ich war heute in Nicosia, der Hauptstadt, was besorgen.

Weil ich zufällig nicht allzuweit weg war, habe ich mir endlich mal den Campus der Universität von … nein, eigentlich habe ich mich vertan und verfahren, was aber nichts ändern, denn hätte ich es gewusst, wäre ich ja trotzdem dorthin gefahren, weil es in der Nähe war. Eigentlich wollte ich mir die University of Cyprus anschauen, bin aber versehentlich zur University of Nicosia gefahren, was ich erst dort an der anderen Abkürzung (UNIC statt UCY) gemerkt habe, aber hätte ich es gleich gewusst, wäre ich trotzdem hingefahren, weil ich ja in der Nähe war. Die andere mache ich dann ein anderes Mal. Das ist hier auch etwas unübersichtlich, hier gibt es einiges, was sich University nennt. Hier an einer Hauptstraße steht ein Haus von irgendeiner kirchlichen Organisation. Nur ein Haus, nicht sonderlich groß, aber steht University dran. Immerhin: Der Campus ist zwar klein und unauffällig, aber sauber, gepflegt, in Ordnung. Und: Kryptographie ist da ein Thema. Und gleich gegenüber steht ein großer Bau, das THE CYPRUS INSTITUTE OF NEUROLOGY AND GENETICS. Irgendwie dachte ich mir, dass ich da dann auch gar nicht so verkehrt bin. An der University of Cyprus treiben sich nämlich Soziologen herum. Brrr.

Ein sehr kleiner, aber feiner, aufgeräumter Campus, dazu noch ein Open-Air-Amphitheater direkt vor dem Hauptgebäude. Die halten da Veranstaltungen im Freien ab, nach griechischer Tradition. Die haben es hier mit den Amphitheatern. Gibt hier einige. Bei einer der Wohnungen, die ich mir angesehen (aber wegen Bauschäden an der Fassade von meiner Liste gestrichen hatte), war sogar ein kleines, aber klassisches Amphitheater direkt hinter dem Haus. So klassisch griechisch, so nach Erinnerung grob geschätzt mit Platz für vielleicht 70 bis 100 Leute je nach Sitzdicht. Teil der Wohnanlage. Allerdings neu gemacht, aus Beton. Man sagte mir aber, dass das keiner benutze, und wenn es mir gefalle, könne ich es gerne haben. Hei, dachte ich mir, das wäre ein Spaß, die drögen Schulungen und Vorträge in einem Amphitheater wie ein klassischer Philosoph zu halten, am besten in Toga, oder genauer Himátion. Das wäre was für Youtube. Wenn man nicht genau vor den Bauschäden stehen würde. Und es sähe blöd aus, einen Vortrag vor einem leeren Amphitheater zu halten. Aber ein paar Käffer weiter gibt es noch ein richtig großes Amphitheater (ich war nicht drin, abgesperrt, zumindest außenherum neu gemacht, innen aber anscheinend noch historisch, zumindest an historischem Ort), wo die sommers noch regelmäßig irgendwelche Veranstaltungen und Aufführungen abhalten – mit Blick aufs Meer. Wie damals.

Und einen Parkplatz haben sie. Da steht ein Schild, das den Parkplatz klar in vier Bereiche teilt und anweist, wo man zu parken habe:

  • Mitarbeiter
  • Lieferanten
  • „students“
  • Besucher

Wie ich gerade so auf der Autobahn wieder heim gefahren bin, ging mir dieses Schild nochmal durch den Kopf. Wenn man da dröge geradeaus fährt, hat man ja Zeit zum Denken.

Warum steht da „students“? Während man bei uns den großen Staatsterror betreibt, um „Studenten“ in „Studierende“ umzubenennen. Niemand käme hier auf die Idee, sich so einen Sprachmist auszudenken.

Vor meinem geistigen Auge sah ich mich schon wie die Redner der Antike vor dem gefüllten Amphitheater stehen, im Himátion (oder was auch immer die damals trugen), um im demokratischen Sinne vor einer kritischen Bürgerschaft als Zuhörer gegen den Sprachunsinn zu wettern. Ohne Beamer, das wäre historisch nicht korrekt. Was einem so durch den Kopf geht, wenn es mal wieder länger dauert.

Aber was sagt man denen dann?

Was ist ein wesentlicher Unterschied zwischen Studenten und Studierenden?

Studenten ist der Plural von Student, und er Student ist ein Individuum. Studenten sind viele Einzelne. Historisch verwandt mit der französischen Revolution, Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit. Vergleiche die Sprüche der Burschenschaften und Corps.

Studierende dagegen irgendwie nicht. Das ist zwar auch Plural, aber einer, dem man den Singular wegkastriert hat. wo wäre denn die Rede von einem Studierenden gewesen? Es hört sich an wie die Werktätigen des Kombinats Marxhausen.

Und das ist dann – irgendwo zwischen vielleicht und wohl – die Motivation dahinter: Es geht um eine Entindividualisierung im linken Sinne. Aus einer Sammlung, einer Menge von Individuen, einem Plural von Student, wird so ein Sammelbegriff für eine Kategorie, ein Kollektiv. Es hört sich zwar nach Plural an, aber es meint das Kollektiv, die Kategorie der Studierenden. Und wird damit zusammengefasst gedanklich doch wieder zum Singular, auch wenn es viele umfasst, wie eben „Die Werktätigen“. Kollektivmechanik, um wieder mal alle in einen Topf zu werfen – und dann eine Sowjet, einen Studierendenrat daraus zu basteln.

Ich denke, es ist Kommunistensprache.

Es geht darum, Studenten als Ansammlung von Individuen mit eigenen Charakterzügen und eigenem Willen eine anonyme Masse, eine marxistische Klasse zu machen.

Jetzt muss man das nur noch so rausbrüllen, rednerisch, rhetorisch so darstellen, dass die Bürgerschaft überzeugt wird, den Blödsinn bleiben zu lassen.