Ansichten eines Informatikers

Meine zypriotische Stromrechnung

Hadmut
15.3.2023 16:30

Eieieiei.

Da bin ich aber knapp an einer Stromabschaltung vorbei gerauscht – ohne eigenes Verschulden.

Der Punkt ist ja, dass im Ausland viele Dinge anders als in Deutschland sind. Was, nebenbei bemerkt, der zentrale Grund und die Motivation dafür ist, warum ich mich ins Ausland bewege. Sonst könnte ich ja gleich in Deutschland bleiben. (Weshalb mir auch die Leute so auf den Sack gehen, die irgendwohin fahren und dann da gleich deutsches Essen, deutsches Bier, deutsche Musik, deutsches Fernsehen, deutschen Reiseleiter, Deutsche um sich herum erwarten. Warum fahren die dann überhaupt weg? Warum richtet man für solche Leute nicht Fake-Flugzeuge ein, die nur auf einem Flugsimulator montiert sind, bisschen wackeln, Himmel auf Bildschirmen zeigen und Flugzeugessen auf Plastiktablets verteilen, in denen man dann drei, vier Stunden sitzt, bevor man auf der anderen Seite in seine Urlaubssimulationshalle geht?)

Wie ich schon in Sachen Telekommunikation bemerkt hatte, ist das hier so, dass sie die Technik schon ganz ordentlich und zuverlässig hinbekommen, aber die Organisation, das Bürokratische, die Zahlungsvorgänge außenrum, die dann schon, vielleicht nicht unbedingt immer total chaotisch, aber sagen wir mal, doch sehr mediteran sind. Ich sollte an dieser Stelle übrigens anmerken, dass das höhere Lebensalter, das die Leute am Mittelmeer im Gegensatz zu Deutschland erreichen, nach meiner Überzeugung nicht, oder zumindest nicht wesentlich an der Ernährungsweise liegt, wie man in Deutschland gerne erzählt, sondern eher daran, dass man sich hier mit nichts einen Stress macht. Denn soviel steht fest, und da bin ich sicher: Der Herzinfarkt wurde nicht auf Zypern erfunden.

Viele Dinge sind hier einfach anders.

So wird die Mobilfunknummer als eine Art Personenkennziffer verwendet. Solltet Ihr jemals auf den Gedanken kommen, Euch in Zypern niederzulassen: Das Wichtigste überhaupt, die condition sine qua non, der Eintritt zur Existenz, ist die zypriotische Mobilfunknummer. Ohne die seid Ihr nichts. Die ist weit wichtiger als der Name, damit identifiziert man sich überall. In den Läden die Kundennummer: Nicht die eigentliche Kundennummer, sondern man sagt seine Mobilfunknummer (die man sich ja auch leichter merken kann, weil immer dieselbe). Es gibt hier so eine Handelsplattform, so ähnlich wie eBay, wo man privat und kommerziell Zeugs kaufen und verkaufen kann. Da meldet man sich nicht mit Namen an. Nicht mit Passwort. Sondern mit der Mobilfunknummer und einem Einmalpasswort, das man per SMS bekommt. Und man wird allenthalben schief angeguckt, wenn man sagt, dass man keinen Whatsapp-Account hat (ich kann Facebook nicht ausstehen), denn hier läuft nicht nur sehr vieles über Facebook-Seiten statt eigener Seiten, sondern auch fast die ganze Kommunikation läuft über Whatsapp, wenn nicht über E-Mail. Wenn man sich irgendwas liefern lassen will, dann wollen sie die Standort-Mitteilung per Whatsapp. Ersatzweise dann den „Google-Pin per SMS“ – Ich musste erst mal rausfinden, was das ist. In der Google-Maps-App den Finger auf seinen Standort halten, bis „Teilen…“ erscheint, und dann per SMS weiterleiten.

Die zweite ID ist die Personalausweisnummer. Wenn man einen Vertrag beim Anwalt abschließt oder auf der Post ein Paket abholt: Die Anschrift, die Adresse interessieren sie nicht so, aber die Personalausweisnummer muss drauf. Kommt aber nicht so genau drauf an, denn ich habe in meiner Personalausweisnummer mehrere mehrdeutige Zeichen, weil der Saftladen Bundesdruckerei es nicht schafft, einen eindeutigen Zeichensatz zu wählen. Ich bin mir bis heute nicht sicher, ob es eine 0 oder ein O ist, nicht mal auf der maschinenlesbaren Seite. Egal, prüft sowieso keiner nach. Hauptsache, man schreibt eine hin.

Und dann natürlich der ultimative Existenznachweis. Also nicht etwa ein deutscher Personalausweis mit Anschrift, Meldebescheinigung oder sowas. Das glauben sie einem alles nicht. Weil es hier in Zypern so viele leerstehende pro-forma-Wohnungen und Investitionsruinen gibt. Was sie sehen wollen, um einem zu glauben, wer man ist und dass die angegeben Anschrift stimmt, muss man Strom- und Wasserrechnungen vorlegen, mit denen man beweist, dass man an der angegeben Adresse auch tatsächlich irgendwie rumwohnt, sprich plausibel Strom und Wasser tatsächlich verbraucht. Und die dürfen dann höchstens 6 Monate alt sein. Dass das im Allgemeinen nicht geht, weil wir in Deutschland die Rechnungen nur jährlich bekommen, können sie sich irgendwie nicht vorstellen, das ist nicht vorgesehen. Dass ich meine Wohnung hier bekommen habe, liegt damit wohl ziemlich wahrscheinlich auch an dem glücklichen 25%-Glückstreffer-Zustand, dass beide, nämlich meine Strom- und meine Wasserrechnung aus Berlin gerade weniger als 6 Monate alt waren. Ansonsten hätte ich wohl bis zu einem halben Jahr warten müssen. Was dann der macht, der beide Rechnungen antizyklisch bekommt, als immer eine älter als 6 Monate hat – keine Ahnung.

Und so hatte ich hier bisher schon zwei Wasserrechnungen – eine pro Quartal.

Das läuft hier etwas gruselig, weil sie das Prinzip der Girolastschriften zwar theoretisch kennen, aber praktisch fast nicht anwenden. Der Anbieter meines Internet-Anschlusses bietet Lastschriften als Sonderlösung an, aber das ist alles noch sehr wenig bekannt und ungeübt. So kann man nicht einfach mal seine IBAN da angeben, sondern man muss dazu schon in den Laden, das beantragen, sich mit Personalausweis (und Nummer!) ausweisen. Und das IBAN-Certificate seiner Bank vorlegen, das die einem ausstellt. Hier gibt es für alles irgendein Certificate. Was eigentlich nutzlos ist, weil meist ordinäre Laserdrucker-Ausdrucke mit einfachem, willkürlichen Text, trivialst zu fälschen. Aber man fälscht ja hier nicht, das gehört sich nicht. Ich habe ihnen erklärt, dass ich kein IBAN-Certificate habe, weil wir sowas in Deutschland nicht machen. Mmmh, ja, dann muss es wohl ohne gehen. Halbe Stunde später Anruf auf dem Handy: Ich müsste nochmal in den Laden kommen, die Verwaltung hätte das abgelehnt, solange ich nicht irgendwie nachweise, dass das meine IBAN ist. *Kopfkratz* Wie weist man sowas nach? Auf dem Kontoauszug steht sie drauf, aber denen gleich den ganzen Kontoauszug vorlegen? *Spontane Idee*: Auf der Giro-Card steht die IBAN drauf, eingelasert. Hin, Karte gezeigt, mit der ich dort ja auch schon bezahlt habe, und gesagt, dass sei das, was in Deutschland das Certificate sei, die Bankkarte. Die hat er dann mit seinem Handy abfotografiert und bei seiner Verwaltung eingereicht. Keine Ahnung, ob die das überzeugt hat – oder doch, inzwischen eine Rechnung bekommen, da steht drauf, dass sie das per “direct debit” einziehen und ich da nichts mehr zahlen muss.

Ansonsten nämlich muss man alles per Kreditkarte zahlen. Jede einzelne Rechnung.

Und das ist grausam.

Sie haben da so ein seltsames System, bei dem man dann auf einer Webseite neben den Kreditkartendaten die Kundennummer, Rechnungsnummer und den Betrag eingeben muss, und die Rechnungsnummer und der Betrag noch einmal eine eigene Prüfziffer haben, die man mit eingeben muss, damit man das nicht falsch abschreibt. Warum sie nicht einfach direkt die Daten hinterlegen? Keine Ahnung.

Dazu kommt dann, dass das Kreditkartenzahlungssystem (nicht spezifisch in Zypern, sondern überhaupt) eine Katastrophe ist. Ständig geht irgendwas nicht, oder dauert das einloggen und bestätigen länger als der Timeout, das ganze Kreditkartensystem ist komplett krank und kaputt, hat man irgendwie vom alten Ratschen-System in das digitale Zeitalter gemurkst und durchversaut. Ständig irgendwelche Fehler, Abbrüche, Ablehnungen, und nie weiß einer, warum. Das Problem hatte ich ja auch neulich schon mit der Amazon-Cloud beschrieben, wo ich dann irgendenen winzigen 30-Cent-Betrag nicht zahlen konnte, weil sich irgendwie die beiden Banken nicht einigen konnten. Ein gigantischer Murks, bei dem sie versuchen, den Betrug im Zaum zu halten. Aber: Sie stehen hier auf Kreditkartenzahlungen. Vermutlich, weil das hier sehr international ist und die jeder auf der Welt hat (der es schafft, hier vorbei zu kommen).

Mir kam das ob der quartalsweisen Abrechnungen hier aber komisch vor, dass ich schon zwei Wasser-, aber keine Stromrechnung bekommen habe.

Man kann hier nicht einziehen, ohne bei den Strom- und Wasserwerken angemeldet zu werden. Der Anwalt darf einem vorher gar nicht die Schlüssel übergeben, bevor er einen nicht angemeldet hat, und auch erst dann wird der Strom wieder eingeschaltet. Umgekehrt kann man hier eine Immobilie auch nicht verkaufen, bevor nicht der Strom abgestellt und alle bis dahin angefallenen Beträge gezahlt sind. Fehlt da nur 1 Cent, sperrt die Behörde nicht nur den Verkauf, sondern auch der Kaufpreis darf von den Anwälten nicht an den Verkäufer überwiesen werden. Am Tag, als ich die Schlüssel beim Anwalt (Solicitor) bekam, sagte man mir, dass der Strom bis zum nächsten Morgen da sein sollte, das habe man alles angemeldet und in die Wege geleitet. Hat auch funktioniert. Deshalb war ich mir ziemlich sicher, dass ich angemeldet bin und hier legal Strom verbrauche.

Also habe ich vorsorglich mal per E-Mail nachgefragt, warum ich keine Rechnung bekomme. Ich wüsste ja gar nicht, wie, wann, wo ich meinen Strom bezahlen müsste. (Ich wusste nicht einmal den Preis.)

Vorhin kam eine Antwort. Per E-Mail. Zwei Rechnungen als Anhang.

Ich hätte meine Rechnungen nicht bezahlt, und deshalb würde man mir in den nächsten Tagen den Strom abschalten, war schon drauf und dran, wenn ich die nicht sofort bezahlte.

Ursache offensichtlich: Falsche E-Mail-Adresse. Stand nämlch auf den Rechnungen drauf: hudmut@ statt hadmut@. Offenbar aber bemerkt da keiner (oder interessiert es keinen), dass die Mail-Übertragung fehlgeschlagen sein und es eine Fehlermeldung gegeben haben muss. Weil es aber noch einen ungeklärten Übertrag von vorher gab, fehlt wohl noch eine dritte.

Also wollte ich sie sofort bezahlen. Wie hier üblich auf einer Webseite per Kreditkarte. Steht auf dem Formular

For your payment you will need the following:

  • Your EAC account number and
  • The amount to be paid

All the above information is shown on your invoice. (Note: Under the current circumstances due to the Covid19 and until further notice, EAC has decided that the check digits are no longer necessary.)

Tatsächlich so in rot, das habe ich jetzt nicht zum Herausstellen so gemacht.

Verstehe ich nicht. Wegen COVID19 lassen sie auf ihren Rechnungen die Prüfziffern (wie man sie hier von anderen Rechnungen kennt) weg. Was haben Prüfziffern mit COVID19 zu tun? Ist es vielleicht so, dass sie wegen COVID19 nicht wollten, dass die Leute (was hier auch geht) in das lokale Büro des Stromversorgers gehen und da persönlich zahlen, sondern online, und die Eingabe der Prüfziffer zu viele überfordert hat?

Egal.

Zehnmal versucht, mit zwei Kreditkarten. Immer eine Fehlermeldung, nichtssagen. Es gab einen Fehler. Keine Angabe, welcher. Zahlungsanbieter über die Störung informiert. Paar Minuten später ging es dann. Kreditkartenzahlungen eben: Geht, geht nicht, geht, geht nicht. Paypal dagegen scheint hier völlig unbekannt zu sein.

Dadurch habe ich jetzt aber erstmal herausgefunden, was mich der Strom hier eigentlich kostet. Moderater als gedacht, so zwischen 100 und 150 Euro pro Quartal, wobei man natürlich sagen muss, dass das jetzt der Winter war, wo man ja auch elektrisch heizt, also die Zimmer per Klimaanlage und das Wasser per Boiler. Im Sommer sollte das deutlich niedriger sein, sofern man nicht die Klimaanlage zur Kühlung anschmeißt. Allerdings war ich ja auch nur in Teilzeit da und nicht durchgehend, bin alleine und keine Familie, und habe nie die ganze Wohnung, sondern immer nur mein kleines Arbeitszimmerchen beheizt, und das nur abends.

Das sind

  • Für Ende September bis Ende November 126 kWh, was auf netto 46,62 €, dazu eine Abgabe von 0,63 €, Mehrwertssteuer 8,67 € , und eine Dreingabe, die mir der Finanzminister spendiert in Höhe von 11,71 €, zusammen also 43,25 €. Und damit etwa 34 Cent pro kWh.
  • Für Ende Nov bis Ende Jan einmal 352 kWh, die mich dann Netto 114,29 € kosten sollen, worauf noch eine Abgabe von 1,76 € und 18 Cent Verzugszinsen, weil ich meine (ja nicht erhaltene) Rechnung nicht gezahlt hatte, zusammen 116,23, darauf noch 21,72 € MwSt, aber noch einen Zuschuss vom Finanzminister, der mir da 32,72 € zugibt (das finde ich jetzt sehr nett), insgesamt also 105,21 € und somit knapp 30 Cent pro kWh.

Wobei sie darauf noch angeben, dass die Treibstoffpreise gerade übermäßig hoch sind. Sinken die Treibstoffpreise, dürften auch die Strompreise entsprechend sinken.

Dazu kommen pro Quartal ungefähr 25 Euro an Wasserverbrauch. Und im Jahr sowas um die 600 Euro für die Hausverwaltung, Garten- und Poolpflege und sowas. Und natürlich, was man an Benzin verbraucht, aber das ist sehr wenig. Ist ja alles sehr nah beeinander hier.

Und Lebensmittel sind etwas teurer als in Deutschland, obwohl Deutschland da auch aufgeholt hat.

Und anscheinend war es das dann wohl hier mit den laufenden Kosten. Die natürlich etwas höher lägen, wenn ich die ganze Zeit hier gewesen wäre.

Oder etwas niedriger, wenn sich die Treibstoffpreise wieder normalisieren.