Ansichten eines Informatikers

Vulva oder Vagina?

Hadmut
6.3.2023 12:20

Ich habe mir den Tadel eines Biologen eingefangen. [Nachtrag!]

Hallo Herr Danisch,

Ihre politischen und juristischen Ansichten sind m.E. sehr fundiert und begründet.

Als Biologe muss ich Ihre Theorien und Aussagen über die Unterschiede zwischen den Geschlechtern (Amygdala, Evolution und Selektion) leider als nicht korrekt oder sogar falsch (Sie schreiben Vagina und meinen Vulva) bewerten.

Das Ihnen kürzlich empfohlene Buch des Deutsch- und Geschichtslehrers Mende (Widerstand – Warum zwischen linker und rechter Politik eine Schlacht der Gene wütet) ist z.T. hanebüchen:

Dass es in der Natur unterschiedliche Fortpflanzungsstrategien – hier mit „r“ und „K“ bezeichnet – gibt, steht außer Frage. Dass das auch innerhalb der Menschheit, und zwar genetisch bedingt, der Fall sei, ist schon eine gewagtere These, zumal der Verfasser selbst eingesteht, unsere Spezies sei im Wesentlichen K-strategisch ausgerichtet (Kapitel 2.3). Vollends abenteuerlich wird es, wenn Mende sogar politische Einstellungen darauf zurückzuführen versucht.

Seine einleitenden Behauptungen vermag der Autor denn auch nicht stringent durchzuhalten. Redet er anfangs noch dem genetischen Determinismus das Wort und leugnet die Relevanz des sozialen Umfelds sowie persönlicher Erfahrungen, so wird im Laufe des Textes immer weiter Abstand davon genommen und dies dadurch zu verschleiern versucht, diesen Faktoren das Etikett „epigenetisch“ umzuhängen. Werden politische Diskussionen anfangs noch der Sinnlosigkeit geziehen, so lässt es sich Mende später nicht nehmen, einige leidenschaftliche inhaltliche Plädoyers zu halten, insbesondere zum Thema Migration und Multikulturalismus, das ihm besonders am Herzen zu liegen scheint.

Der Eindruck, dass Argumente wenig ausrichten, drängt sich auch mir auf. Dass dies ausschließlich an genetischen Dispositionen liegen soll, halte ich für zweifelhaft.

Mit frdl. Grüßen

Zu dem Buch kann ich nichts sagen. Ich habe es – wie auch im Blogartikel erwähnt – bisher noch nicht gelesen.

Allerdings muss ich sagen, dass die Argumentation „ist schon eine gewagte These“ und „abenteuerlich“ bei mir keinerlei Überzeugungswert hat, denn das ist inhaltloses Suggestivgeschwafel. Damit sagt man nur, dass es einem a) persönlich nicht gefällt man aber b) keine greifbaren Gründe dagegen hat. Zumal es c) schon länger Fachpublikationen gibt, die die Auffassung vertreten, dass die politische Ausrichtung genetisch bedingt ist. Und die Epigenetik ist gerade ein ganz großes Forschungsthema. Auch, weil die tatsächliche körperliche Ausprägung des Geschlechts epigenetisch erfolgt: Das ist nicht so, dass auf dem XY-Chromosomenpaar die männlichen Baupläne sind und auf dem XX dann die weiblichen, sondern wir trage alle beide Baupläne in uns, die dann epigenetisch ein- und ausgeschaltet werden. Und Transsexualität, Intersexualität, Zwitter und so weiter sind nach deren Wissensstand Störungen in diesem komplexen System. Weil Frauen in der Regel nämlich nicht durch Fehlen männlicher Bauanleitungen enstehen, sondern durch deren Blockade. Und deshalb kann das in beide Richtungen Fehler erzeugen.

Mir scheint, der Herr Biologe, vermutlich älteren Baujahres, regt sich da nur fürchterlich auf, ohne es begründen zu können, weil ihm da was nicht in seinen Wissensstand passt, der anscheinend schon etwas älter ist. Das ist so typisches töbern und schwadronieren, wenn man selbst eigentlich nichts zu sagen weiß, also weder sagen kann, was man für richtig hält, noch was an der unerwünschten Meinung falsch sein soll. Ich kann diese Form der Argumentation überhaupt nicht leiden, weil es nämlich keine Argumentation, sondern nur Rabulistik ist. Man versucht damit, die Leute aufzuladen und zu positionieren, ohne irgendetwas gesagt zu haben.

Vulva oder Vagina?

Bleibt der Vorwurf, den inzwischen auch ein Zweiter erhebt, dass ich bei der australischen Blondine mit dem Fisch von Vagina und nicht von Vulva geschrieben habe. Was den Südpol des sehr knappen Badeanzuges angehe, handele es sich um die Vulva, nicht um die Vagina. Anatomie sechs, setzen!

Ähm … jain.

Ich hatte den Begriff – zugegebenermaßen, ohne drüber nachzudenken – verwendt, weil er im australischen Video verwendet wurde.

Der Punkt ist nämlich der: Hier geht es nicht um Medizin, sondern um Umgangssprache und allgemeine Modeaspekte. Und ich habe in den USA und in Australien schon viele Frauen von der Vagina reden gehört, auch wenn es um das Äußere geht, (und das tun sie oft und gerne, weil sich auch down under alles um den Südpol dreht), aber noch nicht ein einziges Mal hätte ich dort im Sprachgebrauch (außer vielleicht bei den Biologen und Medizinern, aber da war ich noch nicht) irgendein Frau den Begriff „Vulva“ benutzen gehört oder das irgendwo gelesen. Die verwenden dort umgangssprachlich immer den Begriff Vagina, und zwar für den ganzen Apparat, das gesamte Modul. Nicht nur die Innenangelegenheiten.

Das mag man gern als falsch definieren, aber es ist dort nunmal so üblich, und die Frage wäre auch, woher man eigentlich die Definitionshoheit nimmt.

Das ganze erinnert mich an einen Streit, den ich auf der Australienreise 2000 mit einer zwar hübschen, aber überheblichen, trotz ihres Alters Anfang 20 schon oberlehrerhaften und trotzdem bildungslückigen Deutschen hatte, die sich permanent damit aufspielen wollte, dass sie immer alles besser wusste und Leute korrigierte, es aber halt leider nie stimmte. Das war immer nur so Halb- oder Drittelwissen. So hatte die mich mal angefurzt, weil ich anlässlich des Aufenthaltes in Alice Springs bezüglich der dortigen Viecher von „Camels“ gesprochen hatte. Ich (sie hatte wohl was gegen Männer, weil sie immer nur Männer kritisierte) hätte ja keine Ahnung und wüsste nicht einmal, dass das keine Kamele seien, sondern Dromedare, weil sie nur einen Höcker hätten. Kamele seien die mit zweien.

Stimmte halt nur nicht.

Denn – und ich hatte mich dann auch extra nochmal versichert, nämlich als ich beim Ausritt auf selbigen Viechern, deren Betreuerin fragte, die als Biologin dort über gerade diese promovierte, und sie dazu befragt – diese Unterscheidung nur im Deutschen, nicht aber auf Englisch stattfinde, dort fallen nämlich beide unter Camel. Ein Fall von False Friends. Irgendwann später in Deutschland habe ich herausgefunden,dass es auch hier die Nomenklatur gibt, dass die mit einem Höcker Dromedare heißen, die mit zweien Trampeltiere, die ohne Neuweltkamele und alle zusammen Kamele heißen. Ich glaube mich erinnern zu können, dass wir das mit 1=Dromedar, 2=Kamel noch in der Schule gelernt hatten, das aber wohl geändert worden war oder vielleicht noch nie stimmte.

Wenn aber australische oder amerikanische Frauen von Vagina reden, meinen sie nach meiner Erfahrung normalerweise, wenn sie nicht gerade Ärzte oder Biologen sind, immer das ganze Ding, und davon meistens die Außenfassade, weil die in der Regel das Gesprächsthema liefert. Man hört sie selten von den Innereien reden, zumindest nicht in Anwesenheit von Männern. Von der Außenpolitik reden sie dagegen immer wieder mal gerne, um daran zu erinnern. Ich habe noch nicht ein einziges Mal eine englischsprachige Frau von ihrer Vulva reden gehört. Wenn überhaupt, dann von „pussy“, aber das gilt eben als salopp, und „vagina“ als sachlicher, vornehmer.

Und weil ich das gerade auf australisch im Video gehört hatte, und noch in diesem Duktus drin war, hatte ich Vagina geschrieben, obwohl die Besserwisser und Detailpedanten im Deutschen hier Vulva sagen würden.

Aber selbst wenn es falsch ist: Da ich ja sagte, was die sagten, also deren Rede wiedergegeben habe, wäre es ja unkorrekt gewesen, das in irgendeiner Weise zu korrigieren.

Was mir aber vor allem auffällt: Die Unterscheidung Vagina/Vulva ändert an der Aussage des Artikels überhaupt nichts. Wer allein aus der Verwendung eines – vermeintlich oder tatsächlich – unrichtigen Begriffs auf die Fehlerhaftigkeit der gesamten Aussage schließt, ist bei mir dann sowieso ganz unten durch.

Nachtrag: Wenn wir gerade dabei sind: Ein anderer schreibt, dass das, was die da gefangen hat, auch keine Forelle sei, nicht mal eine Meerforelle (die es durchaus gebe), sondern ein Barsch.