Ansichten eines Informatikers

„Wirtschaftsinformatik“

Hadmut
29.6.2022 11:56

Mir schreibt ein Wirtschaftsinformatiker.

Hi Hadmut,

hier schreibt ein Wirtschaftsinformatiker, der vor mehr als 20 Jahren Wirtschaftsinformatik in Wien studiert hat, damals noch vor der Bologna-Bachelor/Master-Geschichte.

Es war zu einer Zeit, als es gerade den .COM-Boom gab, sprich: Jeder, der was konnte, lehrte nicht an der Uni, sondern verdiente gutes Geld in der Privatwirtschaft.

Der Nutzen des Studiums war endenwollend, um nicht zusagen quasi sinnlos.

Das heißt nicht, dass ein Wirtschaftsinformatiker prinzipiell nichts kann – aber eben umgekehrt wird ein Schuh draus: Ein Abschluss in Wirtschaftsinformatik sagt nichts aus.

Wir konnten Folien aus den 70ern auswendig lernen (“Technische Informatik” hieß das), die Folien endeten irgendwann in den 80ern, also 10 Jahre bevor ich mein Studium begann, weil der Professor offenbar keine Lust mehr hatte, diese zu aktualisieren.

Es ist ein zusammengewürfelter Mix, der ein Bestehen quasi garantiert, weil man sich nirgendwo vertieft.
Man erhält einige interessante Einblicke, wenn man Eigeninitiative zeigt, kann man durchaus etwas lernen. In meinem Fall habe ich dann sehr bald Vollzeit gearbeitet, dort sehr viel in der Praxis gelernt und das Studium rasch “runtergebogen”, um nicht die bereits schon investierte Zeit (hatte nach 1,5 Jahren wo ich nur Teilzeit arbeitete die Hälfte des Studiums erledigt) als “sunk costs” abzuschreiben, weil ein Magister-Titel in Österreich bei Verkehrskontrollen immer noch vorteilhaft ist.
Ich behaupte, dass man das Wirtschaftsinformatikstudium als Vollzeitstudent in max. 3 Jahren schaffen konnte, wenn man sich bei der Auswahl der Fächer geschickt anstellt und nur das Einfachste nimmt. Zu meiner Zeit musste man noch etwas Programmieren, inzwischen kann man sogar ohne eine einzige Zeile Code den Wirtschaftsinformatik-Bachelor machen und sich mehr auf Bereiche wie Technikpsychologie oder feministische Informatik konzentrieren.

Deine Einschätzung zum Wirtschaftsinformatik-Studium kann ich also teilen und unterstützen, das trifft aber mittlerweile auf sehr viele Studiengänge zu, ist also eher eine generelle Kritik am derzeitigen Universitätswesen.
Einziger Lichtblick: Gender gab es damals noch nicht.

„…inzwischen kann man sogar ohne eine einzige Zeile Code den Wirtschaftsinformatik-Bachelor machen und sich mehr auf Bereiche wie Technikpsychologie oder feministische Informatik konzentrieren.“

Geil.

Aber sage ich ja: Das ist ein künstliches Vehikel, damit solche, die Informatik nicht packen, sich trotzdem „Informatiker“ nennen können sollen.