Ansichten eines Informatikers

Querverbindungen in Social Media

Hadmut
7.4.2022 14:13

Weil gerade einige Leser anfragen: [Update!]

Eine ganze Reihe von Lesern fragen zu meinem Artikel mit den 20 verschiedenen Social Media an, ob es nicht irgendwelche Querverbindungssoftware gibt, die die verschiedenen Social-Media miteinander verbindungen und die Inhalte rüberpumpen – oder regen an, sowas doch mal zu erfinden und zu entwickeln.

Sowas gibt es schon. Teils schon sehr lange. Ich habe da nur keinen so breiten Überblick, weil ich es eben nicht so mit den Social Media habe.

Allgemein nennt man diese Kopplungsstücke „Bridges“, aber das Problem ist eben, dass sie nicht sonderlich gut funktionieren, weil die Social Media sich eben unterscheiden und dann immer irgendwelche Namensräume abgebildet, Inhalte konvertiert werden müsse und so weiter. Wenn eines Videos anbietet und das andere nicht, oder das eine 300 und das andere nur 200 Zeichen lange Nachrichten zulässt, geht’s halt nicht so geradeaus. Dazu müssen die noch irgendeinen API-Zugriff haben, wenn die nicht über die Webschnittstelle fummeln wollen und so weiter und so fort. Außerdem bridgen die in der Regel nicht alles, geht ja auch nicht, wenn das eine Netz mehr Kapazität hat als das andere. Da muss dann jeder seine eigene Bridge laufen lassen. Und manchmal erlauben das die Nutzungsbedingungen auch nicht. Ist ein Riesen-Aufwand und läuft nicht wirklich gut.

Das Jabber zugrunde liegende Protokoll XMPP war sogar darauf vorbereitet, aber es ist wieder ein bisschen aus der Mode gekommen. Ich weiß von Firmen, die das wieder rausgeworfen haben, weil es an sich gut war, aber das Problem nicht löste (oder zumindest die Implementierungen, so genau habe ich es mir nicht angesehen), dass Leute, die nicht eingeloggt waren, das verpassen, was in ihrer Abwesenheit besprochen wurde.

Und die ganzen kommerziellen Anbieter haben natürlich keine so großes Interesse daran, sowas zu unterstützen, weil die die Leute natürlich in ihr Netzwerk holen wollen.

Wer sich dafür aber interessiert: Es gibt unzählige Webseiten dazu, und gerade erst vor ein paar Tagen habe ich in der c’t einen Artikel über solche Bridge-Module für Matrix gesehen, der einen Überblick darüber gibt, welche Bridges es für das – dezentrale – System Matrix gibt.

Wer also genug Ahnung, Zeit und Lust hat, sich einen eigenen Matrix-Server aufzusetzen und zu hosten oder irgendwo in die Cloud zu packen, kann sich da gerne mal durcharbeiten und das ausprobieren, schauen, was geht und wie gut. Das ist durchaus nicht uninteressant und sicher hilfreich, wenn man sich viel in Social Media herumtreibt.

So aus Informatiker-Erfahrung heraus würde ich aber auch sagen, dass das schon danach riecht, dass man da einiges an Arbeitszeit reinversenken kann und lange experimentieren muss, bis es läuft oder bis man die Ecken und Kanten verstanden hat.

Wer sich allerdings gerne in den Social Media herumtreibt, sich aus der Umklammerung und Gängelung von Twitter, Facebook usw. lösen und sein eigener Herr sein will, der sollte sich schon mal damit auseinandersetzen, ein dezentrales Netzwerk zu wählen und einen Knoten selbst zu betreiben. Ein Heimnetzwerkanschluss ist nicht ganz unproblematisch wegen der niedrigeren Uploads und der dynamisch wechselnden IP-Adresse, aber falls man noch einen Raspberry Pi auftreibt (die sind gerade sehr schwer bis gar nicht mehr zu bekommen) oder ähnliches, kann man erst mal experimentieren, und wenn es einem behagt und man auch ein paar Euro ausgeben will, dann beim Hoster eine kleine Cloud-Maschine mieten oder so etwas in der Art.

Das ist jetzt sicherlich nicht ganz einfach und setzt einiges an IT-Wissen und -Können voraus, und man muss das dann eben auch permament pflegen und aktualisieren, Backups machen und so weiter, aber grundsätzlich würde ich alles begrüßen, was uns aus dieser Diktatur von Facebook & Co. herauslöst. Und da läuft wohl bei Chats der Standard auf Matrix hinaus, als Facebook-Ersatz hört man immer wieder Mastodon.

Solange man sich also etwas Mühe gibt, um da keine Hackziele aufzustellen, weil man sie nicht wartet und pflegt, würde ich das sehr begrüßen und jeden, der will und hinreichende Mindestkenntnisse hat, um mal einen Server zum laufen zu bringen, dazu ermutigen.

Das hat nämlich auch den Vorteil, dass man dann, wenn man seinen eigenen Server betreibt, zwar weniger anonym, ansonsten aber gegen Zensur und so weiter juristisch deutlich robuster dasteht, weil man nicht Provider, sondern in eigener Sache unterwegs ist.

Wenn dann noch dazukommt, dass man nicht öffentlich, sondern nur mit bestimmten Personen direkt kommuniziert, es also um Privatkommunikation und Fernmeldegeheimnis geht, und der ganze Telemedien- und Pressekram raus ist, ist man juristisch schon sehr viel schwerer angreifbar. Zumal man damit auch nicht diesen ganzen Filterpflichten unterliegt, die die EU für Dienstleister etablieren will. Auch kein Netzdurchsetzungsgesetz oder sowas.

Die Mühe, die Kosten und die Schwierigkeiten können sich also durchaus lohnen. Muss sich aber jeder selbst überlegen.

Update:

Ein Leser schreibt

Hallo, Herr Danisch.

Im Zusammenhang mit einer usenet oder zerberus <-> fidonet Bridge (man bezeichnete es soweit ich mich erinnere als Gateway) kam einmal der sehr zutreffende Spruch, den ich Ihnen als einen an die Leser weiterzugebenden nahelege:

Wenn es zigtausendmal funktioniert, sagt keiner etwas.
Wenn es dann einmal nicht funktioniert, ist der Ärger groß.

Auch damals war man sich einig, daß derlei Projekte eine undankbare Aufgabe sind.

Ja, das mit Bridge und Gateway ist so eine Sache. Da gibt es unterschiedliche Auffassungen über die Begriffe. Manche halten eine Bridge für einen Spezialfall eines Gateways.

Ich bin da eher so auf den Netzwerkbegrifflichkeiten und halte eine Bridge für etwas, was automatisch und ohne Routing-Informationen zwischen zwei Netzwerken spiegelt, während ein Gateway in der mir vertrauten Taxonomie etwas ist, womit man gezielt und gewollt mit einem Protokoll Befehle und Nachrichten in ein anderes herüberschicken kann.

Wenn ich als in Medium A etwa durch Davorschreiben eines Befehls das Kommando „Schick diesen Tweet mal an Empfänger X in Medium B“ geben kann, dann würde ich es als Gateway bezeichnen. Werden aber automatisch alle Nachrichten, etwa eines Chatrooms oder eines Empfängers, in das andere Netz kopiert, ohne dass der Absender das im Einzelfall beabsichtigt oder merkt, würde ich es für eine Bridge halten.

Ich habe den Begriff der Bridge jetzt halt mal übernommen, weil das im ursprünglichen Text so stand. So, wie die Beschreibung auf mich wirkt, handelt es sich funktional aber auch wirklich um eine Bridge. (Wenn man mal davon absieht, dass eine Netzwerkbridge normalerweise auf den Schichten 1/2 und nicht im Applikationsprotokoll arbeitet.)