Ansichten eines Informatikers

Von Patronymen und türkischen Nachnamen

Hadmut
20.12.2021 18:02

Das ist jetzt aufschlussreich und erleuchtend.

Wisst Ihr, was ein Patronym ist?

Es ist eine Benennung nach dem Vater oder Vorfahren.

Wir kennen das beispielsweise aus dem skandinavischen Bereich, wo viele Leute einen Nachnamen tragen, der auf -son endet. Sigurdson zum Beispiel. Oder Amundsen. Die Endungen -son (und meines Wissens auch -sen) heißen eignetlich „Sohn des…“. Das heißt, der Nachname ist nicht, wie bei uns oder generell üblich, ein Familienname, den alle gleich tragen, sondern man trägt den Vornamen des Vaters als Nachnahmen. Sven Sigurdson ist also Sven, Sohn des Sigurd. Und der hieß dann vielleicht Sigurd Olafson.

Seltener, aber doch existent sind weibliche Formen, Matronym oder Metronym genannt, falles man nach der Mutter benannt wird. Es gibt ein Land, oder Länder, ich bin mir nicht sicher, ich glaube, vor allem in Island, wo viele Frauen einen Nachnamen auf -dottir (vgl. englisch daughter) haben. Ich weiß jetzt aber nicht, ob die dann auch nach dem Vater oder der Mutter benannt werden, ob es sich also um ein Matronym oder nur das Femininum eines Patronyms handelt.

Sowas gibt es auch im Arabischen, sehr gekannt sogar, das Fügungsort bin oder ibn bedeutet Sohn des …, wie in Osama bin Laden. Was zunächst erstaunt, weil dessen Vater Muhammad hieß, was sich aber aus dessen voller Namenskette Osama bin Mohammed bin Awad bin Laden, means “Osama, son of Mohammed, son of Awad, son of Laden” erklärt. Und wenn mich meine Karl-May-Kindheitserinnerungen nicht trüben, nannte er sich in seinen Erzählungen über das Arabische Kara ben Nemsi – Karl, Sohn der Deutschen. Von Hadschi Halef Omar Ben Hadschi Abul Abbas Ibn Hadschi Dawuhd al Gossarah ganz zu schweigen, wo nicht nur zwei Patronwörter drin vorkommen, sondern auch noch die Namenszusätze, dass er selbst und noch alle seiner genannten Vorfahren an der Hadsch teligenommen hatten. Wenn ich mich jetzt recht erinnere, ist „bint“ das Femininum, also für Töchter (nicht Mütter), das Äquivalent für -dottir.

Kurioserweise haben sie sowas auch umgekehrt, Abu bezeichnet dann den (ersten) Sohn, sobald jemand Kinder in die Welt gesetzt hat.

Das liefert übrigens auch einen ganz anderen, hochinteressanten kulturellen Einblick. Im Studentenwohnheim erklärte mir damals mal ein Araber, dass sie uns Deutsche in einem Punkt beneideten: Wir könnten so schön beleidigen. Im Arabischen müsste man das immer umständlich umschreiben, das sei immer so zeitaufwendig zu dichten und kompliziert zu drechseln und biete dem Beleidigten zuviel Zeit zu reagieren oder setzte voraus, dass der stehen bleibe und sich das anhöre. Im Deutschen ging das auf einmal so einfach, geradeaus und direkt. Es ist mir seither schon oft aufgefallen, dass Türken und Araber eben türkisch und arabisch miteinander reden, in Erregung aber urplötzlich kurzzeitig ins Deutsche verfallen. In der Münchner S-Bahn telefonierte mal auf dem Nachbarsitz einer in diesem dumpfen Arabisch, zehn Minuten stritt der mit dem Lautstark, keine Ahnung, worum es ging, und mittendrin ein saftiges „Bissdu Arschloch!“ Selbst bei kleinen türkischen Mädchen in der U-Bahn habe ich das mal beobachtet, die Ältere, vielleicht sieben, wollte ein Schulbuch lesen, und die jüngere, vielleicht vier oder fünf, hat sie laufend geärgert und gepiesackt. Mutter sitzt im schwarzen Kittel wie ein Sack Kartoffeln daneben und macht gar nichts. Zehn, fünfzehn Minuten ging das auf türkisch hin und her zwischen den Kleinen. Bis der Älteren der Kragen platzte und sie die jüngere höllenstocksauer in reinstem „Hör jetzt endlich auf!“ anfauchte. Dann war Ruhe. Deutsch als Eskalationssprache.

Die typische morgenländischen Beleidigung läuft dagegen auf „Hundesohn!“, „Hurensohn!“ oder etwas ausführlicher „Sohn einer Hündin!“ oder „Sohn einer Hure!“ hinaus, gelegentlich indirekt umschrieben mit Bekräftigungen wie „Isch figge daine Mudda!“. Direkter Ausfluss eines höchst kümmerlichen Arsenals an direkten Beleidigungen. Kulturell nämlich ist „Hurensohn“ auch nichts anderes als die Zuweisung eines Patro- oder Matronyms, nämlich die Abstammung zu benamsen. Quasi Hurenson als Nachnamen zu vergeben. Man kann nachlesen, dass uneheliche Sprösslinge oft Patronyme wie „Sohn eines Vaters“ bekamen, um die Herkunft zu verschleiern, was aber zu einem Ehr- und Wertverlust führte.

Im mitteleuropäischen Raum waren die nicht so üblich, wir hatten hier eher solche Namenskonstrukte wie nach dem Adelsgeschlecht (von…) oder der räumlichen Herkunft vom Wohnort oder Hof (van… oder von der…), oder eben dem Beruf (Schmidt, Müller, Meier, Schuster, Schweinsteiger von Steig=Stall).

Nun hatte ich neulich in irgendeinem anderen Zusammenhang im Blog erwähnt, dass ich die Namensendung -oglu schon oft bei türkischen Namen gehört oder gelesen habe, ohne zu wissen, was sie bedeutet. Leser schrieben mir, sie heiße einfach Sohn und markiere ein Patronym, wie eben -son.

Und weil ich gerade eine Leserzuschrift zitiert hatte, wonach Özdemir soviel wie echtes Eisen heiße, und ich gefragt hatte, ob das vielleicht irgendwie mit dem jüdischen Namensschema wie Eisenberg oder Silberstein zusammenhängen könnte, bekam ich als weitere Antwort

um noch Ihre Frage nach türkischen Namen wenigstens teilweise zu beantworten:

Die Türken besaßen bis zu Atatürks Regierung keine Nachnamen. Daher wird man bis heute für alle Formalitäten in der Türkei (Arbeitserlaubnis etc.) nach den Vornamen von Vater und Mutter gefragt, denn das war früher das Ausschlaggebende.

Als Atatürk die Nachnamen (ich glaube, erst in den 1930ern) einführte, stellte er jedem Hausvater frei, sich seinen Namen frei zu wählen (wie das per Sippe gehandhabt wurde, weiß ich nicht). Daher so viele Namen wie Öztürk (“echter Türke”, Özdemir, Atila (= Attila) etc., in denen sich das wiedererstarkte (oder erstmals erwachte) nationale Bewußtsein der Türken ausdrückte.

Der Vater des verstorbenen Archäologen Ekrem Akurgal ließ sich – er war in irgendeiner Position bei der türk. Botschaft in Berlin – von einem deutschen Assyriologen einen mesopotamischen Herrschernamen heraussuchen, der in das türkische Vokalsystem paßt. Der Name “Akurgal” hat im Türkischen m.W. keine Bedeutung, klingt aber sehr türkisch.

Daher also die vielen ‘sprechenden’ Nachnamen im Türkischen. Sie sind ganz überwiegend selbstgewählt, anders als jüdische Namen wie Eisenrost, Treppengeländer oder Katzenellenbogen, die ja angeblich auf boshafte k.u.k.-Bürokraten zurückgehen.

[k.u.k. = kaiserlich und königlich]

Ach. Öztürk = „echter Türke“.

Na, das sollten wir uns hier mal erlauben uns „Echter Deutscher“ zu nennen. Da bekämen wir aber was zu hören – vor allen von den Türken. Wie würde ich dann heißen? Hamur Özalman?

Erklärt aber, worum so viele Türken auf -oglu heißen. Die haben dann wohl das, wonach sie immer gefragt werden (wie heißt Dein Vater?), einfach als Nachnamen eingesetzt. So wie eben Gustavson.

Ein anderer, mit ehemaligen, inzwischen verkümmerten Türkisch-Kenntnissen schreibt mir

“Cem” würde ich ebenfalls aussprechen die das “dsch” in Dschungel, nicht etwa wie das “j” in “Journal”.

Atatürk hat das lateinische Alphabet in der Türkei eingeführt, sodass es eine sehr gute Kongruenz zwischen dem geschriebenen Türkisch und der gesprochenen türkischen Hochsprache gibt.

“z” wird immer wie das stimmhafte deutsche S gesprochen.

Die türkischen Nachnamen haben eher keine semantische Ähnlichkeit zu den jiddischen Namen. Die türkischen Namen beschreiben unter anderem die Eigenschaften als Kämpfer, wie eben Özdemir oder auch Erdoğan, oder Aslan (der Löwe) oder Korkmaz (er wird sich nicht fürchten), oder auch “geologische” Bezeichnungen, wie Karadeniz (schwarzes Meer), Deniz (Meer), Bulut (Wolke), Dağ (Berg). Natürlich gibt es viele verschiedene Arten von Nachnamen. Das ist so zu verstehen, wie wenn man sagen würde, dass viele deutsche Nachnamen eigentlich Berufsbezeichnungen sind (Schmidt, Müller, Meier, Bäcker, Weber, Schneider, Fischer, Köhler, Richter … ich glaube, Sie verstehen, was ich meine.)

Jemand, der “Özdemir” heißt, also “echtes Eisen”, hatte offenbar einen Vorfahren, der bei den Osmanen ein sehr harter, tapferer Soldat gewesen ist, ein richtiger Mann aus Eisen, wie man auch auf Deutsch sagen würde. Es gibt auch den Familiennamen “Çelik”, Stahl. Erdoğan ist eine Zusammensetzung aus “Mann” bzw. “Soldat” und “geboren”, könnte man also interpretieren als “geborener Soldat”. Das “ğ” ist übrigens stumm, dient als Vokalüberleitung, wie bei dem alten VW-Chef Piëch, den man auf Türkisch Piğech schreiben könnte (wenn’s denn den weichen “ch”-Laut im Türkischen gäbe).

100%-ig genderneutrale Sprache gelten alle Bezeichnungen auch für Frauen. “Aslan”, der Löwe, kann also eine Frau oder ein Mann sein, genauso wie die “profesör”.

Nur deutsche Grüne würden Aslan*innen schreiben. Vielleicht wird Cem Özdemir intern in der Mitgliederdatei auch als Cem Özdemir*innen geführt.

Da die türkische Sprache hundertprozentig genderneutral ist, ist nach der Theorie der Grünen in der Türkei die Gendergerechtigkeit zu 100% hergestellt, d.h. Mann und Frau sind in der Türkei und in anderen islamischen Gesellschaften mit genderneutralen Sprachen, wie Iran oder Afghanistan, absolut gleichberechtigt, weil die Sprache wie durch ein Wunder die Realität erzeugt, und das muss ja stimmen, weil das ja “die Wissenschaft” so sagt. Über 200 Genderlehrstühle können nicht irren, da muss ja was dran sein, denn schließlich hat Judith Butler das geschrieben.

Das mit den Kämpfernamen kommt mir bekannt vor. Hadmut = althochdeutsch hadu + muot = die Kampfgesinnte. Ein Frauenname. (Esoterischer Betriebsunfall bei der Namenswahl damals, die haben mich nicht gefragt.) Özdemir, der eisenharte Kämpfer.

Dass in der Türkei die Sprache geschlechtsneutral ist, hatte ich vor Jahren schon mal im Blog erwähnt, weil mich ein türkischstämmiger Leser ausführlich darauf hingewiesen hat. Es ist nämlich eine ungeklärte, und von Linken, Soziologen, Genderasten, Philosophen und anderen marxistischen Spinnern nie beantwortete oder auch nur beachtete Frage, warum sie uns ständig erzählen, Geschlecht und alles andere sei nur ein gesellschaftliches Konstrukt über Sprechakte, und Geschlechtergerechtigkeit nur über Dekonstruktion sprachlicher Geschlechtszuweisungen zu erreichen, während die Türkei ein Land mit sehr stark ausgeprägten Geschlechterrollen ist, obwohl die Sprache völlig geschlechtsneutral ist, der ganze Geisteswissenschaftlerschwachsinn, den uns Universitäten, Medien, Politik auftischen, also gar nicht stimmen kann, und das allerbekloppteste, was es geben kann, türkischstämmige Gender-Studies-Absolventinnen sind – völlig hirnrissig, denn gerade die müssten doch sofort erkennen, dass der Quatsch nicht stimmen kann, wenn man deutsch und türkisch vergleicht.

“profesör” hätte ich allerdings für einen Schminktisch mit LED-Beleuchtung von IKEA gehalten.