Ansichten eines Informatikers

Zur Tödlichkeit von Gleich- und Wechselstrom

Hadmut
6.12.2021 23:35

Einige Leser schreiben mir gerade in unterschiedlichem Tonfall.

Es wäre falsch, was ich über Strom schriebe. Manche meinen „vollkommen falsch“, allerdings ohne jegliche Begründung oder Erläuterung.

Besonders hübsch war der:

Eine “Funktionskleinspannung ohne elektrisch sichere Trennung” die durchaus zum Tod durch Handy-Ladegerät führen kann sollte auch ein Pseudo-Wissenschafftlicher Affe kennen.

Nicht alles ist Sicherheitskleinspannung Schutzkleinspannung wo 5 Volt draufsteht.

Saublöder Besserwessi Sie!

Ja, das mag im Sozialismus und unter Honecker so gewesen sein, aber meines Wissens ist das bei Geräten, bei denen Berührungsgefahr besteht, also insbesondere alle Steckernetzteile mit offenen Kontakt, nicht zulässig. Zumindest im Westen. (Anmerkung: Frankreich ist – oder war – im Westen.) Zumal ich das ja nicht nur im Artikel schon angesprochen hatte, sondern auch, dass USB eben nicht mehr auf 5 Volt beschränkt ist. Das ist dann aber auch nicht immer allen klar, dass das auch nicht mehr aktuell ist. Es ist verblüffend, wieviele Leute mich immer wieder belehren wollen und das damit tun, dass USB auf 5 Volt und 500mA begrenzt sei. Das war auch mal so, aber das ist schon lange her. Vor allem Smartphones, und um so eines ging es hier ja, werden längst mit USB-Netzteilen für höhere Spannungen ausgeliefert.

[Anmerkung: Es ist auch völlig egal, ob er mich für einen „pseudo-wissenschaftlichen Affen“ hält. Wichtig ist, dass er mein Blog trotzdem liest.]

Die meisten beziehen sich – soweit erkennbar, was sie mir vorwerfen – darauf, dass ich Gleichstrom als gefährlicher als Wechselstrom hingestellt habe. Das sei total falsch. Wechselstrom sei viel gefährlicher.

Sorry, aber das kenne ich eben anders, das habe ich mal so gelernt, dass Gleichstrom gefährlicher ist, weil er viel schneller und stärker zu Muskelkrämpfen führt, die einen davon abhalten, wieder loszulassen, und sogar zu Knochenbrüchen durch die eigene Muskelanspannung führen kann. Außerdem eben die Körpervergiftung und -zersetzung durch Elektrolyse.

Inzwischen geistert durch die Literatur, dass Wechselstrom gefährlicher sei. Worauf sich viele stützen. Geht man dem aber nach, dann sind das Berichte von Forensikern, die die Gefährlichkeit nach tatsächlich vorkommenden Todesfällen einstufen und besonderes Augenmerk auf das Herzkammerflimmern legen.

Daraus aber einen direkten Schluss zu ziehen ist gefährlich, weil man das erst statistisch bereinigen müsste. Natürlich gibt es mehr Unfälle durch Wechselstrom, weil wir viel mehr Wechselstrom im gefährlichen Spannungsbereich haben. Wo hätte man heute noch Gleichstrom über mehr als 24 Volt? Das ist schon selten, kommt erst wieder durch die Medientechnik (Mikrofone), Solaranlagen, e-Autos auf. Oder Notstromversorgungen, wo die Akkus auf 400 Volt Gleichstrom in Reihe geschaltet sind. Aber so den typischen Fall der angescheuerten Leitung gibt es mit Gleichstrom bei tödlicher Spannung (bisher) eigentlich nicht.

Ein anderer Punkt ist, dass Wechselstrom meistens mit einer Phase auf Erde benutzt wird, man also bei Kontakt zum Boden oder Metallteilen dann schon beim Anfassen der anderen Phase Gefahr läuft, einen geschlossenen Stromkreis zu haben. Bei Gleichspannungen gibt es sowas zwar auch, in Fahrzeugen, Booten und so weiter ist normalerweise der Minuspol auf Masse gelegt, aber mir wäre jetzt nichts mit hohen Spannungen bekannt, wo man bei Gleichstrom ähnlich wie bei Wechselstrom einen Pol auf Masse legt. Man müsste also zwei Pole anfassen.

Viele meinen, dass bei Gleichstrom erst Spannungen über 100 Volt tödlich wären. Es gab aber schon Unfälle mit weit niedrigeren Spannungen. Ein Leser schrieb mir, dass bei Kontakt mit durchbluteten Körperteilen bereits 9 Volt tödliche Folgen haben können.

Was mich aber an diesen Zuschriften stört, ist diese Oberlehrer-Haltung, die am Thema vorbei geht. Denn die Aussage meines Artikels war ja, dass ich es nicht unbedingt für erforderlich halte, dass gleich das Netzteil und oder die Steckdose in das Wasser fallen. Ich hatte ja geschrieben, dass es schon Todesfälle durch mangelhafte Handyladegeräte und auch schon durch Gleichstromspannungen gab, wie sie heute an USB-Ladegeräte vorkommen können.

Was soll die Aussage, dass Wechseltstrom gefährlicher als Gleichstrom wäre, denn daran ändern? Kann man immer nur am Gefährlichsten sterben?

Das ist ein Denkfehler, den ich schon oft beschrieben habe: Gefahren zu negieren, indem man darauf hinweist, dass andere gefährlicher sind. So wie Cannabis: Kommt man auf die Gefährlichkeit, heißt es sofort, aber Alkohol sei doch gefährlicher. Und so weiter. Eine Gefahrenblindheit, in der eine Gefahr negiert wird, weil man irgendwo eine echte oder fiktive größere Gefahr sieht. Das halte ich für höllengefährlich, vor allem, wenn sie mit der Arroganz und Überheblichkeit solcher herablassender Belehrungen erfolgt und mit der Überzeugung, dass Gleichstrom ja nicht gefährlich wäre. Und dann noch ohne Textverständnis. Oder „Lesekompetenz“, wie man das heute nennt.

Selbst wenn Wechselstrom gefährlicher ist: Was heißt das dann? Nichts. Ein 30 cm langes Messer ist gefährlicher als eines mit 15cm. Und? Kann man deshalb mit einem von 15cm nicht abgestochen werden?

Halte ich für unverantwortlich.

Die vernünftige Zuschrift war die eines Lesers, der auf französischen Nachrichtenseiten danach gesucht und mir geschrieben hat, dass da auch nichts näheres steht. Was er sagte, deutet darauf hin, dass die Meldung in den deutschen Medien unrichtig war.

Hier wirkte das so, als sei das Mädchen in der Badewanne gewesen und hätte mir ihrer Freundin telefoniert, die außerhalb gewesen wäre, und die wegen eines Schocks wegen des Vorgangs habe eingeliefert werden müssen.

Der Leser beschrieb mir das nun aber so, dass das von Badewanne gar nichts steht. Stattdessen wären beide Mädchen im Bad gewesen, aber den Texten nach nicht in der Badewanne, und hätten beide einen Schlag bekommen. Eines der Mädchen habe dabei diesen Schock erlitten, sei ansonsten aber nicht wesentlich verletzt worden.