Ansichten eines Informatikers

Vom Abhören analoger Telefone, der Stasi und der RAF

Hadmut
26.9.2021 13:51

Eine nur teilweise überraschende Randnotiz.

Ich hatte doch schon so viel darüber geschrieben, wer da im kalten Krieg und danach wessen Telefone abhörte, und dass die technologische Grenze zwischen abhörbaren und den nicht so abhörbaren Telefonen zwischen den analogen und den systematisch geschwächten Telefonen einerseits und den ordentlich gebauten, digital verschlüsselten Telefonen andererseits verlief. Und diesen komischen Vorfall an der Uni Karlsruhe, wo man mir 1994 verboten hatte, das digital verschlüsselte Telefon weiterzuentwickeln, und mir den Befehl gab, das zu zerstören und ganz aufzugeben oder nur noch die (schon damals bekannt unsicheren und technisch sehr problematischen) analoge Verschlüsselung zu verwenden.

Und ich hatte doch auch berichtet, dass die DDR die analogen (auch verschlüsselten) Telefone im Westen abgehört hat, nach derzeitigem halböffentlichen Wissensstand nur die Telefonate zwischen Kohl und den USA nicht abhören konnte, weil die Amerikaner eben selbst ordentlich digital verschlüsselte Geräte einsetzten und Kohl eins hingestellt hatten. Und dass Schäuble und Leiberich nach der Wende schleunigst die DDR-Kryptologen eingefangen haben.

Golem berichtet darüber, dass der SPIEGEL darüber berichtet, dass man erst jetzt herausgefunden habe, dass die DDR seit spätestens 1975 das analoge B-Netz der Bundespost (das A-, B- und C-Netz waren analog, ab dem D-Netz digital, und obwohl es auch C-Netz-Geräte im Handy-Format gab, kam der Durchbruch erst mit dem D-Netz; A- und B-Netzgeräte waren noch so sperrig, dass man sie noch im Kofferraum der Firmenchef-Limousine einbauen musste, und wenn man sie anrufen wollte, musste man noch die Vorwahl des Funkbezirks verwenden, in dem man den Angerufenen gerade vermutete, man musste also noch ungefähr wissen, wo der ist, ich weiß jetzt aber nicht auswendig, ob das B-Netz überhaupt verschlüsselt war) abhören konnte und die Autotelefongespräche von Politikerin in West-Berlin abhörte.

Ich finde das teilweise überraschend.

Nicht den Umstand, dass die DDR das B-Netz abgehört hat, denn schon vor 30 Jahren mit Einführung des D-Netzes, das anfangs nur in den Städten zu haben war (E-Plus hatte sogar jahrelang das Netz nur in Städten angeboten, um es günstiger anbieten zu können) wurden ja noch jahrelang C- und D-Netz nebeneinander angeboten, weil das C-Netz deutschlandweit ausgebaut und preisgünstiger war, zum Schluss hin sogar billig angeboten wurde, und nach Meinung mancher beim daamaligen Stand der Technik und der Digitalskepsis sogar die bessere Sprachqualität bot. Schon damals war aber das Argument zugunsten des D-Netzes seine bessere (aber dann auch nicht so gute) Sicherheit gegen Abhören. Das C-Netz galt nicht als so abörsicher. Wohlgemerkt: C, nicht der Vorgänger B.

Dass die DDR das B-Netz abhören konnte und abgehört hat, kann nicht überraschen. Es ist ja bekannt, dass die DDR im analogen Bereich praktisch alles abgehört hat, auch die Telefonate Kohls.

Überraschend finde ich, dass das jetzt, 30 Jahre nach der Wende oder sogar 46 Jahre nach dem konkreten Abhörfall erst als Nachricht an die Öffentlichkeit kommt – und überhaupt noch eine Nachricht ist.

Es ist immer wieder sehr deutlich zu sehen, dass man nicht nur abgehört hat, sondern die Bevölkerung auch darüber im unklaren gelassen hat, was alles abhörbar ist. Ich hatte immer wieder den Eindruck, dass man hier ganz bewusst in Kauf genommen hat, dass die eigene Seite vom Gegner abgehört wird, und das auch verschwiegen hat, um die Leute nicht dazu zu bringen, stärkere Geräte einzusetzen, damit man sie auch selbst abhören kann. Gerade das Erlebnis damals an der Uni, als man mir das digitale Kryptotelefon verbot, und ein analoges aufzwingen wollte, von dem mir und Kollegen sofort klar war, dass das nicht sicher sein konnte und zudem technisch problematisch oder unmöglich, weil man analog gescramblete Sprache nicht mehr durch die Sprachkompression eines D-Netz-Telefons jagen konnte. Jener Professor Beth, der mich als „Doktorvater“ damals meuchelte und den ich im immer stärker werdenden Verdacht habe, sich dem BND nicht nur angebiedert zu haben, sondern auch inoffizieller BND-Mitarbeiter gewesen zu sein, wollte das unbedingt auf analog durchdrücken, obwohl das ganze Institut seit Jahren an digitaler Technik gearbeitet hatte. Und er versuchte das immer alles möglichst geheim zu halten, nur handverlesenen einzelnen Experten zu zeigen. Uns war nie klar, wie ein Hochstapler und Techniklaie wie Beth daran gekommen war, an der Entwicklung analoger verschlüsselter (unsicherer) Funkgeräte für die britische Polizei mitzumachen, obwohl jeder merkte, dass er dazu fachlich überhaupt nicht in der Lage war. Wäre er da über die Geheimdienste reingekommen, würde das manches erklären – auch die Verbindungen zu Leiberich. Ob es eine Verbindung Professor Beths zu einem ehemaligen BND-Experten für internationalen Terrorismus namens Beth fast gleichen Alters gibt, konnte ich bisher nicht in Erfahrung bringen.

IT-Sicherheit wurde und wird hier systematisch verhindert, das alles flach gehalten, damit es abhörbar bleibt.

Und Artikel wie diese beiden zeigen auch, dass die Presse das nicht ausleuchtet oder auch nur versteht, sondern dass die da nur an der Oberfläche etwas kratzen.

Hier geht es nur um die Beerdigung der Terroristin Ulrike Meinhof.

Betrachtet man aber den damaligen RAF-Terrorismus, der ja von der DDR gedeckt, gefördert, organisiert wurde, oder auch den Anschlag auf die olympischen Spiele oder die Vorgänge um die Landshut und die RAF-Terroristen im Knast, und kombiniert das damit, dass die Stasi-gesteuert waren und die Stasi die Telefonate westlicher Politiker abhören konnten, ergeben sich da ganz neue Sichtweisen. Denn die Variante, dass die RAF nicht nur Bomben gelegt hat, sondern dabei und dazu auch Politik und Sicherheitsbehörden – indirekt, über die Stasi – abhören konnte und über die im Bilde waren, wirft auf vieles sicherlich ein neues Licht. Oder anders gesagt: Das Licht soll besser nicht geworfen werden. Und dass man in den 1990er und 2000er Jahren die Kryptoforschung hier systematisch sabotiert und lahmgelegt hat, hatte ich auch schon beschrieben.

In Sachen Kryptographie und Abhören werden wir ziemlich stark für ziemlich dumm verkauft.