Ansichten eines Informatikers

Du oder Sie?

Hadmut
23.9.2021 13:53

Weil ich immer mehr Mails bekomme, die erst mal damit anfangen, dass sie erklären, dass sie nicht wissen, ob sie mich Duzen oder Siezen sollen und mal auf Verdacht und mit drei Entschuldigungen das Du versuchen und ich doch sagen soll, ob ich oder ob ich nicht….

Leute, die Sache ist so:

Es ist mir schnurzpiepegal. Ziemlich zumindest.

Unter Informatikern und zumindest im produktiven Teil der IT-Branche war es schon immer (zumindest in den letzten 30 Jahren, die ich kenne) üblich, dass sich alles duzt, außer den Leuten, die in hoher Position sind und das per Krawatte markieren müssen.

Auch in den Social Media, und schon lange, bevor es diese in der Form gab, in den Foren, Boxen und Usenet-Gruppen hat sich auch alles geduzt.

Ich kenne das eigentlich nicht ausschließlich, aber weitüberwiegend so, dass sich alles duzt, aber auch Fälle, in denen das eben nicht so war. Dazu kommt aber, dass Informatiker oder die IT allgemein oder jeder, der heute reist, oft auch auf englisch kommuniziert oder in den angloamerikanischen Kulturraum eintaucht, und des dort die Unterscheidung ja gar nicht gibt, und sich sowieso längst fast jeder mit Vornamen anspricht. Es ist etwas beknackt, dieselbe Person auf deutsch mit „Haben Sie, Herr Meier, …“ anzusprechen, kommt aber ins selbe Gespräch einer rein, der nur englisch spricht, dann auf „Stefan, have you…“ umzuschwenken.

Es ist mir persönlich ziemlich egal, auch wenn ich zugestehe, dass es ein ziemlicher Unterschied zwischen „Sie Idiot!“ und „Du Idiot!“ ist.

Als Faustregel für die, die sich unsicher sind, sage ich: Wenn ich gerade eine Krawatte anhabe und wir uns nicht gut kennen, ist „Sie“ angebracht. Habe ich keine Krawatte an, stört mich ein Du zumindest nicht so, dass ich mich drüber aufrege, auch wenn mir das auf den Wecker geht, dass man vor allem in Berlin in den Läden von den Verkäufern aus Prinzip geduzt wird, weil das Zeitgeist ist. Ich neige dann dazu, völlig kommentarlos darüber hinwegzugehen und selbst zu siezen oder so zu gucken, dass die dann selbst verunsichert zwischen Du und Sie oszillieren.

Will sagen: Nein, ich halte das Du nicht in jedem Fall für angebracht, aber die Sache ist mir viel zu unwichtig, um daraus überhaupt ein Thema zu machen. Für mich sind ganz andere Sachen wichtig oder störend, beispielsweise wenn einer gerade eine rauchen war und mir dann gegenübertritt und das ins Gesicht atmet und es so stinkt. Sowas mag ich nicht. Sowas ist für mich viel wichtiger und relevanter, der Effekt tritt bei E-Mails aber glücklicherweise nur selten auf.

Ist mir also ziemlich egal, macht wie Ihr denkt, wie es Euch gerade lieber ist.

Nur: Erwartet nicht von mir, dass ich mir merken kann, mit wem ich per Du oder per Sie bin. Ich habe schon ein Namensgedächtnis wie ein totes Pferd, und mir das dann auch noch zu merken, ginge zu weit. Ich tendiere dazu, so zu antworten, wie mich jemand anspricht, und es mir ansonsten weitgehend egal sein zu lassen.

Es ist für mich einfach kein Thema, dem ich große Beachtung schenke oder dem ich Gewicht beimesse. Es ist mir weitgehend egal. Es interessiert mich nicht sonderlich, ich habe so viele wichtigere Fragen und Themen.

Zumal ich anmerken möchte, dass ich da in den letzten 20 Jahren auch eine gewisse Veränderung, Transformation durchgemacht habe. Gerade als ich noch an der Uni war oder mich an der Uni herumgetrieben habe, war das natürlich schon bitter, dass der Doktor verweigert wurde, wo die sich doch da alle nach der Länge der Titellatte sortieren, oben bei Prof. Dr. X. habil. Dr. plag. Dr. h.c.mult. Vorname von Sowiewas angefangen, und dann der Länge nach absteigend sortiert, und die sich da gegenseitig mit sonstwas vorstellen und ansprechen, Titel, Preise, Direktor von sonstwas. Und ich habe einfach gar nichts, nicht mal den Doktor.

Im Laufe der Zeit habe ich aber meinen Spaß daran gefunden, auf irgendwelchen Veranstaltungen zwischen irgendwelchen Professor… und Ministerialrat … und Staatsekretär sowiewas und alle den langen Wichtig-Titeln der Leute einfach „Der Danisch“ zu sein. Irgendwo fragte mich mal jemand, ob da auf dem Formular was fehle, und ich sagte nur „Danisch reicht bei mir“. Es ist mir erst im Laufe der Veranstaltung aufgefallen, dass das inzwischen wirklich so ist und es eigentlich viel wertvoller ist, das Gerümpel vor dem Namen nicht zu brauchen, als es zu haben, und auf einer Liste von Teilnehmern, die alle Titel, Posten, sonstwas haben, einfach nur mit Namen zu stehen, ohne Geschäftsführer, Unternehmer oder sowas davor, inzwischen wegen Inflation deutlich beeindruckender sein kann. In dieselbe Kiste abgelegter Anstrebungen habe ich auch das „Sie“ gepackt.

Zumal ich mir das Tragen von Krawatten weitgehend abgewöhnt habe.

Schreibt einfach, wie Ihr wollt, aber lasst die Entschuldigungen und Erklärungen dazu weg. Passt schon.