Ansichten eines Informatikers

Qualitätsmaß

Hadmut
1.9.2021 1:29

Herrje.

Es gab mal eine Zeit, da galt in der Fotografenszene, sofern sie Zoom-Objektive denn überhaupt der Nutzung würdig betrachteten und nicht allein Festbrennweiten an ihre Kamera ließen – wie „An meine Haut lass’ ich nur Wasser und CD, an meine Kamera lass ich nur Festbrennweiten – alles über Zoomfaktor 3 als „Scherbe“ oder „Flaschenboden“.

Faktor 3 galt als das, was man so ordentlich noch hinbekommt, und schließlich sind die Klassiker schlechthin das 24-70/2.8 und das 70-200/2.8, so teuer wie beliebt. Und je nach Hersteller wirklich gut, weshalb man bis Faktor 3 schlecht moppern konnte.

Irgendwann kamen dann die Superzooms, ich glaube, zuerst von Tamron, die mit 24-200 anfingen. Obwohl sowas längst bei den Kompakt- und Bridgekameras in Mode kam, und es das nun auch für Systemkameras geben sollte.

Die ersten waren so … naja. Besser als beschimpft, schlechter als wirklich zu gebrauchen, eine Frage der Ansprüche, des Geldbeutels und wieviel man mit auf Reisen schleppen wollte. Denn der Punkt war schon: Es hatte seine Vorteile, nur ein Objektiv mitschleppen zu müssen, das noch dazu aus Kunststoff und in Teleskopbauweise gebaut war. Aber halt auch seine Nachteile. Mechanisch nicht sehr stabil, und was wackelt und ausleiert ist auch nicht scharf. Und über den Teleskopmechanismus eine üble Staubpumpe. Sagen wir es so: Sie fanden ihr Publikum und ihren Käuferkreis, und sie brachten Tamron Geld ein. Bald lieferten auch die anderen sowas. Und letztlich „hat“ man sowas dann doch, weil es Fälle gibt, in denen man entweder nicht wechseln oder einfach nichts anderes mitnehmen kann. Kein Platz, zu schwer, zu groß, zu staubig zum Wechseln. Es gibt Museen, die zwar das Fotografieren erlauben, man aber nur ein einziges Objektiv mit reinnehmen darf. (Wenn man zu zweit ist, geht man dann zu zweit rein.) Weiß nicht warum, wahrscheinlich gehen ihnen die Leute, die da wechseln, auf den Wecker, oder sie wollen es auf Amateure beschränken oder sowas. Oder dass man die Kamera um den Hals hängen kann.

Irgendwann gab es dann stärkere Superzooms, so 18-200 oder 24-300, und die Kritik legte sich etwas, weil die auch besser wurden und die Bildqualität etwas besser, sich aber vor allem in Digitalien und Webseitistan die Ansprüche deutlich senkten und es Bildbearbeitungssoftware gab, die Verzeichnung und Farbfehler (chromatische Aberration) korrigieren konnten und man zu der Überzeugung kam, dass Objektivfehler eigentlich gar nicht so schlimm waren, wenn man digital und nicht analog fotografiert, solange die Fehler systematisch sind, mathematisch zu erfassen und rauszurechnen. Irgendwann fing man an, einige der Fehler sogar schon in der Kamera selbst rauszurechnen. Damit verlor sich zwischen den alten Analogkameras und den modernen Digitalkameras mit der modernen Bildnachbearbeitung der Schrecken dieser Objektive, weil man die Bildfehler, die man früher so fürchtete, und die das Prinzip zunichte machten, heute in Kauf nehmen oder zugunsten anderer Eigenschaften als nachrangig betrachten kann. Selbst Nikon hat sich herabgelassen, eine Bridgekamera mit einem 125-fach-Zoom, 24-3000 zu bauen. (Wirklich 3000 und nicht 300). Spektakulär, aber qualitativ eben beschränkt, obwohl besser als man so erwarten würde. Natürlich unterirdisch lichtschwach bei gleichzeitig extremer Verwacklungsempfindlichkeit, weshalb man hohe Empfindlichkeit braucht, die dann per Rauschen die anderen Nachteile relativiert. Hat aber durchaus seinen Daseinszweck etwa bei Paparazzi oder Tierfotografen auf Reisen. Man kann Leute beim Nasepopeln fotografieren und dabei so weit weg sein, dass sie einen nicht sehen können.

Das Problem bei den Dingern ist die Haltbarkeit. Sie leiern eben aus und halten Belastungen nicht sonderlich gut stand, weil meist auch aus Plastik, sammeln durch das Teleskopprinzip immer Dreck ein und haben das konstruktive Problem, dass die Linsen für Weitwinkel gebaut sein müssen, beim Telefoto aber teils nur ein kleiner Teil

Nun jubeln sie gerade, dass Tamron schon wieder mal ein neues Superzoom rausgebracht hat, als sei es das erste überhaupt und die Weltrevolution. Ein 18-300mm f/3.5 – 6.3 , aber nur für APS-C-Sensoren, derzeit nur für Sony E und Fujifilm X zu haben. Nikon und Canon sind inzwischen einigermaßen vom Markt verdrängt. Was mich daran erinnert, dass mir vor vielen Jahren mal einer schrieb, ich müsse von Nikon auf Fuji umsteigen, die seien besser. Ich schrieb, das kann ich nicht, weil ich die Objektive von Nikon habe und die das Wertvolle sind, nicht die Kamera. Das wollte er nicht einsehen, das sei, als ob man die Automarke nicht wechseln wolle, weil man noch Winterreifen im Keller habe. Klar. Wenn die Winterreifen fünfmal soviel kosten wie das Auto und dreimal so lange halten…

Der Punkt ist aber auch: Fuji bietet (meines Wissens) kein Vollformat an, nur APS-C und das noch größere Mittelformat (groß, schwer, teuer). Nikon, und die, die ihnen das Wasser abgraben, Sony, auch Vollformat. Aber: Ich habe Adapter. Um Nikon-F-Objektive an Sony-E-Kameras und Sony-E-Objektive an Nikon-Z-Kameras zu verwenden. (Immer nur in Richtung des niedrigeren Auflagemaßes). Deshalb ist Fuji, auch wenn sie noch so gut sein sollen (und ich in keiner Weise anzweifle, dass sie das sind), bei mir raus. Ich kann auch nicht andauernd neue Ausrüstungen kaufen. Das Zeug muss schon 10 bis 15 Jahre halten.

Jedenfalls bejubeln sie das Ding mit zwei Schlagzeilen:

  • Tamron Unveils World’s First All-In-One Zoom Lens for Mirrorless Cameras
  • Top image quality in its class

Eieieiei.

Es sei das erste und einzige seiner Art auf der Welt.

Und es liefere die beste Bildqualität in seiner Klasse.

Au weia.

Naja. Als Reiseobjektiv sicherlich nicht schlecht. Leicht, man muss kaum wechseln, wenn einem umgerechnet Brennweite ab 24 reicht und man mit 3.5-6.3 klarkommt. Aber sie waren schon mal einfallsreicher beim Bejubeln und Anpreisen. Anscheinend kein Teleskopmechanismus, sondern feste Länge. Was das Ding vielleicht doch interessant machen könnte. Mal die Tests abwarten.