Ansichten eines Informatikers

Gertrude Bell in Bagdad

Hadmut
1.6.2021 14:02

Ein wichtiger Aspekt. [Update: Leserzuschrift / Nachtrag]

Ich hatte doch in letzter Zeit ein paar Artikel zu dem Umstand, dass Israels Ministerpräsident Netanjahu gesagt hatte, die Nazis hätten die Juden ursprünglich nur vertreiben und nicht vernichten wollen, aber die Palästinenser hätten das gefordert und sich dagegen gewehrt, dass die Juden nach Israel/Tel Aviv verschoben würden. Seitdem habe ich viele Zuschriften bekommen, auch von Historikern, in denen beschrieben wird, dass es vor allem die Briten waren, die verhinderten, dass die Nazis die Juden an die beiden in Betracht gezogenen Plätze, nämlich das heutige Israel und Madagaskar bringen konnten. Es gibt etwa das Buch und den Film Exodus (auf DVD gekauft, aber noch nicht gesehen), in dem es darum geht, dass die Briten 1947, also als die Nazis keinen Einfluss mehr hatten, verhinderten, dass ein Schiff mit jüdischen Flüchtlingen von Zypern nach Israel fahren konnte. Dagegen hatten sich die Nazis schon 1936 als eng mit den Palästinensern befreundet dargestellt, was übrigens auch den Vorwurf des „Antisemitismus“ eigentlich in Frage stellt, denn ich habe reichlich Zuschriften zu dem Aspekt bekommen, dass „Semiten“ nicht etwa die Israeliten seien, sondern eine Sprachgruppe bezeichne, die semitischen Sprachen. Semiten seien Leute, die eine Sprache dieser Sprachgruppe sprächen. Dazu gehöre aber auch Arabisch. Deshalb sei es ein logischer Widerspruch, wenn man mit Arabern befreundet und Antisemit sei. Das richtige Wort sei schlicht „Judenhasser“, aber das sei den Akademikern rund um Soziologie, Politologie und ähnlichem begrifflich zu platt gewesen, man habe einen Begriff gebraucht, der sich wissenschaftlich anhört und in ihr Schwafelschema passe, und weil man keinen besseren gefunden habe, habe sich dieser Begriff verfestigt, obwohl eigentlich falsch. Passt aber dazu, dass mir ein Israeli mal erklärte, dass arabisch und hebräisch sprachlich verwandt seien. Er erklärt mir das am Beispiel, dass die Grußformel Shalom, das arabische Salem aleikum, oder auch das weithin übliche Salam alle dasselbe Wort seien. Frieden. Der Krieg zwischen Arabern und Juden sei eigentlich ein Bruderkrieg, sie sprächen (oder sprachen einst) letztlich dieselbe Sprache.

So wie viele Kriege Bruderkriege sind. Auch die zwischen Linken und Nazis.

Nun wies mich jemand auf den Film Von Britannien nach Bagdad: Gertrude Bell hin, der auf Phoenix lief, TV-Spielfilm,

Aus der Beschreibung bei Phoenix:

“Von Britannien nach Bagdad: Gertrude Bell” erzählt die ungewöhnliche und tragische Geschichte von Gertrude Bell, die oft mit Lawrence von Arabien verglichen wird. Gertrude Bell wurde nach langen Reisen durch den Nahen Osten vom britischen Auslandsgeheimdienst angeworben, um an der Neuordnung der Region mitzuwirken und die noch heute gültigen Grenzen zu ziehen.

Der Film schildert ihre ungewöhnliche Reise durch die damals noch unerforschte arabische Wüste und die Machtzentren des damaligen britischen Weltreichs in den Worten der Historikerin, Schriftstellerin, Archäologin und Alpinistin sowie ihrer Zeitgenossen – anhand von privaten Briefen, Tagebucheinträgen und offiziellen Dokumenten. Im englischen Original wird Gertrude Bell von der englischen Schauspielerin Tilda Swinton gesprochen, die auch als ausführende Produzentin tätig war. So bietet der Film neben atemberaubenden Bildern der irakischen Landschaften eine ganz neue Sicht auf eine einzigartige Frau, deren Geschichte eng mit der des heutigen Iraks verbunden ist.

Und von einer ARD-Seite:

Der Film erzählt die ungewöhnliche und tragische Geschichte von Gertrude Bell, der mächtigsten Frau im damaligen britischen Weltreich. Die Historikerin, Schriftstellerin, Archäologin, Alpinistin und politische Beraterin war nach dem Ersten Weltkrieg an der politischen Neuordnung des heutigen Iraks beteiligt und hinterließ dort Spuren, die noch immer sichtbar sind. Gertrude Bell war einflussreicher als ihr Freund und Kollege Thomas Edward Lawrence, bekannt als Lawrence von Arabien. Doch warum ging sie nicht in die Geschichte ein, deren Verlauf sie maßgeblich mitgeprägt hat?

den ich leider in keiner Mediathek gefunden habe. Ich bin auf dunkeln Kanälen voller Finsternis an eine Aufnahme gekommen, habe sie aber noch nicht angesehen.

Man schrieb mir aber dazu, der Film zeige sehr gut, welchen Einfluss und welches Interesse die Briten um die Zeit des ersten Weltkrieges im arabischen Raum genommen hatten, Lawrence von Arabien war ja am von den Briten betriebenen Aufstand der Araber gegen das osmanische Reich beteiligt (da habe ich kaum Ahnung, das muss ich mir erst mal noch anlesen). Und damit einher gehe das Kolonialinteresse der Briten, den arabischen Raum für sich einzunehmen. Man habe befürchtet, dass die Deutschen an Einfluss gewönnen, wenn die „deutschen“ Juden in Israel ansässig würden, und deshalb hätten die Briten versucht, das zu verhindern.

Zu Getrude Bell.

Update: Ein Leser liefert eine interessante Erklärung dazu:

…aber vielleicht kann ich etwas zur “Initialzündung” des britischen Interesses am Nähen Osten beitragen:

Anfang des 20. Jahrhunderts stellen die Briten ihre Flotte auf Ölfeuerung um (bisschen kurz dargestellt. Die Schiffe werden nicht umgerüstet, sondern beginnend mit der HMS Dreadnought, 1905, werden alle Schlachtschiffe mit ölbefeurtem Turbinenantrieb versehen). Keine Kohlebunker mehr, schnellere Versorgung, höhere Reichweite, Riesenvorteil. Hauptölquelle der Briten liegt in Kuwait, Transport erfolgt via Suezkanal und Gibraltar. Kuwait gehört historisch zum Irak, wird von den Briten aber aus Gründen der Praktikabilität herausgeschnitten (was Saddam Hussein 1991 rückgängig zu machen versuchte). Kurz gesagt: Die Briten wollen Anfang des 20. Jahrhunderts Ruhe im Karton, um ihre Flotte am Laufen zu halten, vor allem gegenüber der (kohlebefeuerten) Deutschen Flotte. Im Ersten Weltkrieg müssen die Briten zunächst um ihre Ölversorgung fürchten (osmanische Vorstöße auf Suez, Niederlage von Kut El Amara), mit dem Zusammenbruch der Osmanen (Palästinafront, Lawrence von Arabien, pp.) fällt ihnen aber die ganze Region wie eine reife Frucht in den Schoß.

Nachtrag: Einen habe ich noch vergessen: Ein Leser schrieb dazu

Dabei sind die Nebensätze interessant,z.B. das Churchill 1926 sich dort rumtrieb, was immer wieder erwähnt wird in der Doku. Der scheint dort massiv zu Hause gewesen zu sein.

Die Überlegung, dass die Briten Förderer der Nazis waren, steht ja im Raum.