Ansichten eines Informatikers

Ich hätte damals eigentlich Rotz und Wasser in die Kamera heulen sollen

Hadmut
25.4.2021 23:55

Wisst Ihr, was mich ankotzt?

Richtig ankotzt?

Wenn mir per Mail oder Twitter Leute vorwerfen, ich hätte nicht genug Empathie oder Probleme mit Corona:

Oder dann auch direkt oder indirekt Links auf Heul- und Verzweiflungsvideos:

Ach, dem Danisch geht’s so gut, der sieht’s nicht ein, dass es anderen dreckig geht…

Weil ich zwar nicht sehr viele, aber doch seit Monaten konstant solche Mails, Tweets und Vorwürfe bekomme, will ich dazu mal ein paar Takte sagen.

Doch, meine Jobs hingen von willkürlich handelnden Politikern ab. Und nicht nur indirekt von deren Willkür, sondern ich bin in den letzten 23 Jahren insgesamt dreimal beim Job und einige Male vor Gericht abgesägt worden. Ich dachte, das hätte ich hier ausreichend dargestellt.

Mal zur Information: Ich hatte da nicht nur ein paar dünne Monate oder ein Jahr, ich habe da 10 Jahre direkt juristisch gekämpft und inzwischen nochmal weitere 10 Jahre publizistisch. Allein der finanzielle Schaden geht für mich in die Millionen.

Und es ist auch nicht so, dass es mir gut geht, weil ich keine Familie habe. Sondern umgekehrt, ich bin Single und familienlos, weil ich seit 1998 fast pausenlos mit den Folgen der damaligen Politwillkür zu tun habe.

Und mir ging das damals mit dem Promotionsstreit auch finanziell ziemlich dreckig, ich war auch pleite. Richtig pleite. Und habe die letzten Kröten dann noch ausgegeben, um zu Konferenzen in die USA zu fahren, um zu versuchen, dort wenigstens irgendeine Hilfe oder einen Job zu finden, nachdem ich zwar während des Uni-Streits noch einen Job bei Xlink/KPNQwest hatte, die aber in der Dotcom-Krise pleite gegangen sind und dann erst mal gar nichts zu finden war. Ich musste von Karlsruhe nach Dresden, um einen Job zu finden, und bin mittlerweile von Karlsruhe nach Dresden, wieder nach Karlsruhe, nach Ulm, Ismaning, Unterföhring und inzwischen drei Wohnorte in Berlin gezogen.

Und sowas wie „Fördergelder“ habe ich gar nicht bekommen. Ich musste damals den Uni-Streit führen, aus eigener Tasche bezahlen, arbeiten gehen und davon noch zwei Wohnungen (Dresden und Karlsruhe) bezahlen.

Es ist nicht so, dass ich keine Empathie mit den Leuten hätte, die da jetzt in der Krise ihren Laden, ihren Job verlieren.

Der Punkt ist aber: Ihr kriegt schon nach einem Jahr eine Krise.

Macht das mal 5 oder 10 Jahre lang, dann kommen wir auf Augenhöhe und ich bin bereit, Mitleid auszupacken.

Hat mir irgendwer geholfen?

Nein. (Ein paar Leute haben mir Hintergrundinformationen gegeben, das war’s dann aber auch schon.)

Stattdessen haben mir diverse Politiker, Professoren, Verfassungsrichter noch massiv ins Kreuz getreten. Ursula von der Leyen hat mich damals abgesägt, weil ich was anderes gesagt habe, als sie hören wollte. Susanne Baer hat mir die Verfassungsbeschwerde abgesägt. Der BND hat mir die Promotion abgesägt.

Und sagt nicht, dass Ihr das nicht wüsstet. Ich schreibe hier seit 20 Jahren und inzwischen über 16.000 Blog-Artikel und im Zweitblog auch noch ein paar tausend, geht so auf die 20.000 zu.

Nur: Es liegt mir nicht so, in die Kamera Rotz und Wasser zu heulen, und den Weibchenfaktor habe ich auch nicht. Und selbst wenn: Sorry, damals gab es Twitter, Youtube, Smartphones, videotaugliche Digitalkameras und Browser noch nicht. Selbst wenn ich Rotz und Wasser geheult hätte, es hätte keiner gesehen.

Und nur so nebenbei: Ich war nicht nur finanziell pleite und beruflich vernichtet, ich war kurz vorher auch noch schwerst krebskrank, schwerbehindert in Heilbewährung mit ständigen Nachuntersuchungen. Und noch ein paar derbe familiäre Probleme oben drauf.

Und dann kommen Leute und werfen mir vor, ich hätte keine Empathie mit Leuten, denen es mal für ein paar Monate schlecht geht, oder die gerade ihre 2000 Euro von „September“ bekommen haben.

Ich habe da in den ganzen inzwischen 23 Jahren nie auch nur ein einziges Mal irgendein Fördergeld bekommen. Arbeitslosengeld habe ich bekommen, zugegeben. Aber das ist ja kein Fördergeld, dafür habe ich vorher ja auch jahrelang eingezahlt. Zusätzlich zu allen Belastungen. Und soll jetzt Mitleid und Empathie mit Leuten haben, die als Freiberufler oder Selbständige da gar nichts eingezahlen? Während ich seit Jahren Steuern zahle wie bekloppt, in der Summe über 50% und noch Spitzenbetrag gesetzliche Krankenkasse, um endlos andere Leute mitzufinanzieren?

Das ist keien Frage der Empathie, es ist eine Frage der Maßstäbe.

Oder anders gesagt:

Wann wäre ich denn mal dran mit Mitleid, Empathie und Verlustausgleich?

Würde ich da nicht viel weiter vorne in der Schlange stehen?

Oder muss ich erst Rotz und Wasser in die Kamera heulen?

Mir fehlt jedes Verständnis dafür, dass man mit mir über 23 Jahre umgegangen ist wie Dreck und mir immer wieder auch solche Mails schickt, dass ich endlich die Klappe und mich damit abfinden solle, dass ich keinen Doktor habe (der finanzielle Folgeschaden wird nie erwähnt), aber mir dann vorwirft, ich hätte nicht genug Empathie und sowas, würde hier so bequem sitzen, während es anderen dreckig geht.

Mir fällt dazu mehr so ein „willkommen im Club“ ein – noch 5 Jahre Lockdown und wir können mal auf einer Ebene reden.

Warum eigentlich gelten da wieder so unterschiedliche Maßstäbe? Warum soll der Danisch den Riesen-Schaden hinnehmen, zahlen, verzichten, Maul halten, über Jahre hinweg, und sich dafür noch von nicht wenigen Leuten beschimpfen lassen, und dass er endlich das Maul halten und sich unterordnen soll, aber dann Empathie und Mitleid haben und zahlen soll, wenn andere mal ein dreiviertel Jahr nicht können.

Oder mich dann noch mit 53 Schauspielidioten solidarisieren, von denen viele aus Rundfunkzwangsbeiträgen ziemlich fette Gehälter für nur wenige Tage Arbeit im Jahr bekommen.

Nöh, Leute, tut mir leid.

Ich habe da kein Mitleid.

Im Gegenteil würde ich da eher mal fragen, welche dieser Heuler, Flenner, Mitleidmelker eigentlich Rot-Rot-Grün, Gender, Frauenquoten und sowas wählt und befürwortet, und da auch nur ein einziges Mal gefragt hat, wer da wie abgesägt wird oder trotz großer Leistungen keinen Job bekommt.

Ich habe nicht das geringste, nicht das allergeringste Verständnis oder Mitleid für Leute, die Gender, Frauenquote, Frauenförderung und damit da Absägen der Leistungsträger befürworten, aber jetzt um sich selbst heulen, wenn sie mal für ein paar Wochen oder Monate politisch (und immerhin medizinisch) motiviert runtergefahren werden.

Mit geht dieses Selbstmitleid dieser Leute, diese völlig einseitige Problemwarnehmung so gewaltig auf den Wecker.

Diese Einteilung der Menschen in die Guten und die Schlechten, in die Wertvollen, für die wir Mitleid haben müssen, weil der Laden mal zu ist, und in die Wertlosen, an deren beruflicher Zerstörung wir uns ergötzen oder noch Beifall klatschen.

Warum sind diese Leute wertvoller als ich?

Warum lässt das Bundesverfassungsgericht für die alles stehen und liegen, um über deren Situation zu entscheiden, während man meine Verfassungsbeschwerde nur in den Müll geworfen hat? Und keinen stört es?

Bin ich weniger wert?

Die Frage ist natürlich rhetorisch, natürlich bin ich als weißer (inzwischen alter) heterosexueller Mann hier nichts mehr wert.

Stellt Euch vor, der Promotionsstreit fände heute statt, und ich wäre Frau, Trans, Schwarz oder Muslim. Sofort würde man Himmel und Hölle in Bewegung setzen, die Uni niederbrennen und fordern, Professoren und Verfassungsrichter zu feuern.

Aber: Ich bin ein weißer Mann. Ich bin gesellschaftlich wertlos, vogelfrei. Es interessiert überhaupt niemanden, wie es mir damals ging. Niemand, wirklich niemand in den Medien erwähnt mich. Ich werde nicht zur Kenntnis genommen. Ich bin ein weißer Mann. Die Frau oben, Frauen generell, jeder Migrant, Schwarze, Muslime, sie alle werden geschützt und wertgeschätzt. Es muss nur einer „Negerkuss“ sagen, und schon kommt es in allen Zeitungen und sogar den Nachrichtensendungen. Ich dagegen bin nicht nur völlig wertlos, ich soll auch noch immer für andere zahlen, arbeiten, verzichten, Maul halten. Ich bin das wertlose Melkvieh.

Ich könnte mich auch nicht erinnern, dass sich ein Jan Josef Liefers, eine Ulrike Volkerts, ein Ulrich Tukur jemals für mich eingesetzt hätten. Warum also sollte ich mich an meiner eigenen Entwertung beteiligen, indem ich sie darin noch bestätige, die Menschen in unterschiedliche Wertigkeiten einzuteilen, ihnen also noch bestätige, dass andere Menschen soviel mehr wert sind als ich?

Leute, tut mir leid, aber mir fehlt da jedes Verständnis für Heulsusen, Selbstmitleid und Fördergejammer. Im Gegenteil empfinde ich eine gewisse Verachtung für diese Gutmenschentum, das sich in guten Zeiten in political correctness macht und in schlechten Zeiten für sich selbst bettelt.

Deshalb, muss ich ganz ehrlich sagen, haben mich diese alles-dicht-machen-Videos ziemlich angekotzt, ich finde sie unsäglich verlogen. Aber ich gebe mir Mühe und die bloggerische Selbstdisziplin und gedankliche Selbstkontrolle, das (wie vorhin beschrieben) auszublenden und mich um nachvollziehbare, sachliche Gründe und neutrale Betrachtung von allen Seiten zu bemühen. Aber wie vorhin schon gesagt: Die Ausführung finde ich widerlich, und die damit vorgenommene Wertung auch. Nicht wenige schrieben dazu, dass es sich hier um Leute handelt, die sonst in ihrer völlig isolierten und abgeschnittenen Welt leben und – mache von ihnen, noch nicht alle – mit fett viel Geld überschüttet werden. Als Tatort-Kommissar bekommt man ziemlich viel Geld und hat ziemlich wenig Arbeit. Da stand, dass manche nur einen pro Jahr machen, manche auch bis zu einem pro Quartal. Weiß ich nicht genau. Aber die haben noch viel, viel Zeit für andere Dinge. Aber Frauenquoten in Tatort-Krimis.

Und nun sind diese Leute zum ersten mal in ihrer abgeschotteten Luxuswelt berührt. Und veranstalten ein Gejammer sondersgleichen, das jeglicher Argumentation, Begründung, Sachlichkeit, Maßhaltigkeit entbehrt und nur vor Polemik und arrogantem Selbstmitleid trieft. Ich habe ja neulich gegenüber den Landtagen aufgezeigt, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk ein korrupter Sauhaufen ist, in dem man sich hemmungslos die Taschen vollstopft. Wir regen uns drüber auf, weil bei Wirecard einmalig 2 Milliarden weggekommen sind, werfen aber jedes Jahr so rund 8 Milliarden dem Rundfunk in den Rachen, wovon locker 2 Milliarden in Löchern verschwinden, in die sie nicht gehören. Stört ja auch keinen. Findet man normal.

Oder um es mit den typischen Worten eines bekannten Bloggers zu sagen:

Es sind nicht die Maßstäbe, die mich so besonders ankotzen.

Es sind die doppelten Maßstäbe.