Ansichten eines Informatikers

Standpunktwechsel

Hadmut
2.4.2021 19:46

Ein Leser fragt an.

Hallo Hadmut,

bin interessiert – wie denkst Du dazu:

a) Thread zur Wissenschaftlichkeit:

Hier argumentierst Du, daß es exakt im Sinne von Wissenschaftlichkeit ist, wenn eben neue Erkenntnisse hinzukommen und die Wissenschaft eben einen neuen Standpunkt einnimmt.

b) Thread zur Corona-Rochade:

Hier argumentierst Du, daß die Medien / die Politik unglaubwürdig seien, weil sie ihren Standpunkt ständig ändern.

Ich könnte nun bei b) ähnlich zu a) argumentieren, daß Politik&Medien gerade deshalb besonders glaubwürdig sind, weil sie eben ihren Standpunkt ständig nachjustieren würden.

Frage – wie hältst Du die beiden Standpunkte sauber auseinander?

Gute Frage.

Aber leicht zu beantworten.

Der Standpunkt der Medien war in der Sache nie ein wissenschaftler, sondern immer ein politisch-opportunistischer. Es ist ja nicht so, dass deren Standpunkt, Corona sei harmlos, auf irgendeinem wissenschaftlichen oder sonstwie gearteten Erkenntnisstand beruhte, denn als man das hier sagte (Februar/März/Anfang April 2020) waren ja in China schon längst die Leute auf der Straße umgefallen (Januar 2020). Es ist ja nicht so, dass es damals irgendeinen (wenn auch falschen oder verfrühten) Erkenntnisstand gab, der den Standpunkt irgendwie gerechtfertigt hätte, zu sagen, COVID-19 ist harmlos.

Aber selbst wenn: Die haben ja auch nicht gesagt, dass sie COVID-19 für harmlos und Maßnahmen für nicht erfordlicher halten, hatten also keinen Standpunkt im wissenschaftlichen Sinne, sondern haben das verwendet, um sich über andere, die davor warten, lustig zu machen und sie als rechte Hetzer oder sowas hinzustellen, die ihrerseits einen Vorwand suchen, um Grenzen dicht zu machen und Migration zu unterbinden.

Es war also keine Aussage über COVID-19, es war nur eine Aussage über die, die vor COVID-19 warnten, ein rhetorischer Vorwand für politischen Krieg. COVID-19 spielte dabei genaugenommen – und das war eine zentrale Ursache für das spätere Verhängnis – überhaupt keine Rolle, sondern man hat sich mit dem Medienkrieg der Medien gegen das, was sie für „Rechte” halten, völlig auf diesen rechts-links-Kampf beschränkt. Dass da etwas aus der – bis dahin geleugneten – Natur daherkommt, was nicht politischen Ursprungs war und nicht Ergebnis einer Sozialisierung und eines Diskurses, und ebensowenig mit den Mitteln des Diskurses wegzudekonstruieren war, hat man damals nicht begriffen.

Deshalb war es auch kein Standpunkt, den man später geändert oder verbessert hat, sondern die Unfähigkeit, in Sachfragen überhaupt einen Standpunkt einzunehmen und irgendetwas außerhalb dieser politisch-soziologischen Sozialisierungs- und Diskursebene überhaupt wahr- und zur Kenntnis zu nehmen. Auch wenn damals schon die Bilder im Fernsehen – noch eher am Rande, besser auf Youtube und im ausländischen (ich habe es im australischen verfolgt) Fernsehen – kamen, hat man das überhaupt nicht zur Kenntnis genommen. Weil die Politik, die Medien, die Geisteswissenschaftler, die die Sendungen machten, keine Sachebene kannten. Man muss ich dazu in Erinnerung rufen, dass dieselben Leute bis dahin noch Biologie, Medizin, Natur – Thema Geschlecht – völlig verleugnet und behauptet haben, so etwas wie biologische Natur gäbe es gar nicht, das hätten sich alles nur fiese weiße alte Männer als „Wissenschaftler” erdacht, um Frauen und Minderheiten auszugrenzen.

Würde ich jetzt im dummen Soziologen- und Marxistenschwätz reden, würde ich nun sagen, dass COVID-19 die deren Philosophie und Weltbild „in eine Krise gestürzt” hat. Denn bis dahin konnte man sich – mit fettem Einkommen als Professor, ÖRR-Journalist oder Politiker – jahrelang leisten, jede Empirie, jede Natur, jede Biologie einfach zu übergehen und das alles als „Biologismen”, Sexismen, Verteidigungsmythen und Verschwörungstheorien alter weißer Männer hinzustellen, die nur nicht einsehen wollen, dass sie ihr Land mit anderen teilen sollen.

Ich kann mich noch sehr gut erinnern, wie die Leute durch die Medien verblödet wurden. Ich hatte mich im Januar 2020 schon über die Vorgänge in China informiert, Ende Januar nach Masken umgeguckt (ich hatte ja Ende Januar 2020 schon gebloggt, dass Masken ausverkauft sind, weil China die von der ganzen Welt aufkauft), kannte also die Gefahr nachweislich und zeitlich bestimmbar schon Mitte/Ende Januar 2020. Im Februar habe ich, der normalerweise kaum Vorräte in der Küche hat, weil ich den Supermarkt, der bis 22:00 offen hat, direkt vor der Nase habe, Vorräte angelegt und einen Tisch in der Küche durch drei Regale ersetzt, um genug auf Vorrat zu haben, um eine Quarantäne hungerfrei überstehen zu können. Ich bin mir deshalb sehr sicher (und nicht nur nachträglich rückwirkend verklärend pseudoerinnernd), dass mir die Lage damals sehr bewusst war, denn Klopapier, Nudeln, Handschuhe und Masken hatte ich auch, als es die gerade noch so gab. Und volle Home-Office-Fähigkeit hergestellt. Greenscreen, Videomischpult und sowas.

Anfang März hatte ich dann ziemlichen Ärger bekommen. Ich hatte nämlich in meiner Eigenschaft, für IT-Sicherheit zuständig zu sein (damit aber auch für Verfügbarkeit und Disaster Recovery), Kollegen, die quer durch die Republik mit dem Zug angereist waren und dann reinkamen und alles anfassten, ohne sich die Hände zu waschen, daran erinnert, sich beim Betreten erst mal die Hände zu waschen und die Desinfektionsmittelspender zu gebrauchen (für deren Existenz und Befüllung ich auch gesorgt hatte). Weil das aber Kollegen waren, die, nun ja, ich will es vorsichtig ausdrücken, der Körperhygiene generell einen geringeren Rang beimessen, als ich es tue, fühlten die sich zu Tode beleidigt, wenn man sie aufforderte, sich die Hände zu waschen, bevor man mit Kollegen interagiert. Das wurde als Panikmache und Beleidigung eingestuft, als hätte ich eine Gelegenheit gesucht, die Kollegen anzugreifen. Warum? Weil man den Medien glaubte, dass das alles nur Propaganda und Verschwörungstheorie sei, und jeder ein Spinner, der das für gefährlich hält. Ich habe mich damals – Anfang März 2020, ich glaube zum Freitag – eigenmächtig ins Home Office zurückgezogen. Da hatte man noch gelacht und das alles für völlig übertrieben und unnötig gehalten. Handdesinfektion mehr so als Höflichkeitsgeste betrachtet.

Mitte März, etwas mehr als eine Woche später, dann das Entsetzen, als von oben und über die Behörden die Anweisung kam, alle sofort ins Home-Office, Maskenpflicht, Desinfektionspflicht. Laden dicht. Plötzlich so wie verdammt, der Danisch hatte Recht.

Gerade durch diesen Vorfall, der jetzt nicht weiter schlimm war, aber mir so im Gedächtnis geblieben ist, habe ich gemerkt, wie Leute, die nur die deutschen Medien konsumierten, systematisch in die Irre geführt wurden und ihnen eingetrichtert worden war, alles nur wie eine Erkältung, alles nur Panikmache irgendwelcher Spinner.

Das war kein wissenschaftlicher Standpunkt. Das war keine Erkenntnis. Das war ein Medienkrieg, eine orchestrierte Kampagne. Man hatte COVID-19 einfach überhaupt nicht begriffen, auf dem Schirm, weil Biologie, und Biologismen lehnt man ja ab. Es dreht sich allein darum, dass man darin eine Masche erblickte, gegen Migration und offene Grenzen zu wettern, und die eben auslachen und bekämpfen wollte.

Man hatte einen Standpunkt. Aber keinen wissenschaftlichen. Nur einen dummen.

Das alles wäre ja noch akzeptabel gewesen, wenn man dann gesagt hätte (wie es wissenschaftlich wäre), OK, wir haben uns geirrt, und es verpennt, aber wir sehen es nun ein. Wir korrigieren uns.

Das hat man aber nicht getan.

Man hat dann so getan, als hätte man noch nie einen anderen Standpunkt gehabt, als vor COVID-19 zu warnen, und die Bösen seien nunmehr „Corona-Leugner”, die nicht einsehen wollen, dass COVID-19 gefährlich sei oder überhaupt existiert.

Und das ist noch schlimmer.

Einen Fehler zu machen, ihn zu erkennen und einzusehen und seine Position zu wechseln ist das eine.

Es aber so stillschweigend plötzlich zu ändern, dann so zu tun, als hätte man schon immer diesen Standpunkt gehabt, und dann den anderen den eigenen, falschen Standpunkt zu unterstellen, das hat nichts mit einer wissenschaftlichen Erkenntnisfähigkeit zu tun. Es ist schon formal und vom Ablauf her kein wissenschaftlicher Standpunktwechsel nach Erkenntnisgewinn. Der Wissenschaftler gibt zu, dass er das früher anders sah und jetzt weiter ist, und er beschreibt, warum und auf welcher Erkenntnis. Es ist auch kein Erkenntnisfortschritt, wenn man einen politisch Standpunkt einnimmt und dann durch die schiere Realität daran gehindert wird, ihn zu behalten, und des Dummsinns gestraft wird.

Das ist sozialistische Verlogenheit, wie Orwell sie in 1984 beschrieben hat.

Man muss lernen, Verlogenheit und wissenschaftlichem Erkenntnisgewinn auseinanderzuhalten.

Und dass es hier nie um einen wissenschaftlichen Standpunkt ging, sondern nur darum, sich aus der Medienposition in übelster Weise über alle lustig zu machen und sie zu diffamieren, die anderer Meinung waren, sieht man ja an den Videofetzen und alten Artikeln, die ich hier schon hatte. Das hatte ja nie etwas mit einem fachlichen Standpunkt zu tun, sondern nur damit, einen Anlass zum Diffamieren gesehen zu haben.

Ich könnte mich auch nicht erinnern, dass da schon mal irgendein Journalist eingeräumt hätte, dass sie das falsch gesehen, falsch informiert hatten und ihre Berichterstattung – die letztlich das Versagen der Politik mitverursacht hat und uns Milliarden kostet – aus der Luft gegriffener Mist war, der keine 6 Wochen gehalten hat.