Ansichten eines Informatikers

Postgeheimnis abgeschafft?

Hadmut
12.2.2021 21:05

Oha. [Update]

„Business Insider” behauptet, eine Bestätigung habe ich dafür aber noch nicht und würde das dann auch gerne erst mal im Originaltext sehen, der Bundestag habe „am Freitag” (ich hätte so den Verdacht, damit könnte heute gemeint sein) ein Gesetz erlassen, wonach Post- und Paketdienstleister verdächtige Sendungen öffnen sollen/können/dürfen.

Drogenhandel im Internet floriert. Über Internetseiten im Darknet können illegale Substanzen gekauft werden, die dann über normale Paketdienste bis nach Hause geliefert werden.

Als Reaktion darauf hat der Bundestag ein Gesetz verabschiedet, das es Postboten erlaubt, verdächtige Pakete zu öffnen. So sollen mehr Sendungen mit verbotenen Substanzen entdeckt werden.

Die Bundesdrogenbeauftragte Daniela Ludwig (CSU) sagte, dies sei ein wichtiger Schritt bei der Bekämpfung der Drogenkriminalität.

Es geht wohl zunehmend darum, dass sich auch der Drogenhandel „amazonisiert”, und man das Zeug im darknet bestellt und per Post an die Haustür geliefert bekommt. In Berlin gibt’s ja noch das Kokstaxi, da kann man sich das liefern lassen wie beim Pizza-Service, aber da hat die Berliner Polizei ein paar einkassiert, das läuft nicht mehr ganz so flüssig. Und nun wollen sie vordergründig wohl dem Drogenversand an den Kragen.

Dagegen will die Bundesregierung vorgehen. Am Freitag verabschiedete der Bundestag eine Gesetzesänderung, die es Postboten erlaubt, verdächtige Pakete zu öffnen. Das kann der Fall sein, wenn das Päckchen seltsam riecht oder anderweitig auffällig ist. In diesen Fällen ist eine Ausnahme vom Postgeheimnis zugelassen. In der Vergangenheit kam es besonders häufig bei nicht zustellbaren Päckchen zu Drogenfunden.

Das Gesetz greift nicht nur, wenn sich mutmaßlich Drogen in dem Paket befinden, sondern auch bei Verdacht auf Sprengstoff oder Waffen. Nach dem Öffnen müssen die Paketboten die verdächtigen Pakete bei der Polizei abgeben. Paketdienstleister, deren Mitarbeiter diese Pflicht verletzen, sollen mit einer Geldbuße von bis zu 500.000 Euro bestraft werden können.

Wenn das Päckchen seltsam riecht.

Also sollen die Mitarbeiter der Postdienstleister jetzt alle wissen, wie was riecht und welche Gerüche unter „seltsam” und „nicht seltsam” fallen und dann entsprechend aufmachen. Vielleicht mit dem Flakon erst noch etwas „Nobel No 5” auftragen, auf dass es jetzt nach Dynamit rieche.

Wie riecht Sprengstoff?

Ich war zwar im Grundwehrdienst in einer Pioniereinheit, die mit Sprengstoff rumgemacht hat, aber selbst hatte ich Sprengstoff nur in Form von Handgranaten und Panzerfaustraketen in der Hand. Tut mir leid, wenn ich das jetzt so sage, aber: Meiner Erinnerung nach hatten die gar keinen Geruch.

Munition hat im ordnungsgemäßen Zustand auch nicht menschenwahrnehmbar gerochen. Gaschromatographen können sowas, ich nicht.

Waffen riechen. Wenn sie frisch benutzt oder nicht geputzt sind, nach Schmauch und Pulver, wenn sie geputzt sind, nach Metall und Öl. Aber das würde ein hundsgewöhnlicher Vakuumgefrierbeutel schon beenden.

Mir schrieb mal ein Chemiker vor Jahren zum Thema Flughafensicherheit: Sprengstoff unter besonderer Sauberkeit in Reagenzglas oder Laborflaschen eingeschweißt und die hinterher außen mit Säure abgewaschen, würde kein Detektor mehr finden. Ob sowas zünden könnte ist eine andere Frage.

Wonach riechen Koks, Ecstacy, Heroin? Keine Ahnung. Aber spätestens dann, wenn sich herumspricht, dass es so ein Gesetz gibt, wäre doch niemand mehr so blöd, Pakete mit Duftnote zu verschicken. Die Polizei in Berlin twittert ja ab und zu mal Fotos von beschlagnahmtem Kram: Inzwischen alles professionalle in Ampullen und Probenhülsen verpackt.

Wie soll das also funktionieren?

Bisher war das so, dass die Post Sendungen nur zurückhalten/öffnen durfte, wenn sie entweder die Post selbst gefährdet, also beispielsweise irgendwas ausläuft oder verwest oder reizende Stoffe austreten, oder weder Empfänger noch Absender ersichtlich sind und man drinnen nach Hinweisen auf Empfangsberechtigte suchen muss. Das waren aber objektive Kriterien, nach denen man nicht suchen musste, sondern die sich von selbst zeigen.

Und nun?

Werden nun die Pakete bestimmter Empfänger durchsucht? Ja, das roch halt komisch?

Wie soll dann der Rechtsschutz aussehen?

Man kann nicht fotografieren, dass etwas komisch riecht. Und man kann auch nicht damit kommen, dass es jetzt nicht mehr komisch riecht. Oder es erst komisch riecht, seit es bei der Polizei auf dem Tisch stand, auf dem immer alles steht, was komisch riecht.

Es wäre also nichts mehr nachprüfbar. Weder kann man es selbst nachprüfen, noch kann ein Richter es nachprüfen. Wie will man es überprüfen oder widerlegen, wenn einer behauptet, er fand, dass es komisch riecht? Rein subjektiv? Ich hatte – auch schon 20 Jahre her – mal Ärger, weil ein Postbote mir einen Brief zugestellt haben wollte, den ich nie erhalten hatte. Und in die Postzustellungsurkunde auch noch „persönlich übergeben” geschrieben hatte, obwohl er mich unmöglich persönlich kennen konnte. Ich hatte damals das große Glück, dass ich zufällig just zu dem Zeitpunkt, zu dem das passiert sein sollte, und wogegen man meine Gegenrede vor einem Gericht völlig weggewischt hatte, weil die Urkunde immer zähle, in einer einiges entfernten anderen Stadt Geld am Geldautomaten abgehoben hatte und deshalb einen Kontoauszug mit Orts- und Zeitangabe als Alibi vorlegen konnte. Eigentlich war ich sogar mit Ausweisekontrolle im Bundesgerichtshof, aber die vernichten ihre Zugangslisten aus Datenschutzgründen abends wieder, hatte aber auf dem Rückweg da um die Ecke Geld abgehoben.

Wie aber will man nachprüfen oder widerlegen, dass ein Paket „komisch gerochen” hat?

Oder dass das, was der, der es dann aufgemacht hat, darin gefunden haben will, auch wirklich darin war und nicht eingelegt wurde? Nur mal zur Erinnerung: Die Zeiten, in denen Briefträger noch Beamte waren, sind lange vorbei. Und inzwischen sind da viele politische Aktivisten darunter.

Ergibt sich daraus nicht grundsätzlich die Möglichkeit der falschen Beschuldigung? Denn ein Paket mit Drogen kann man leicht packen und als Absender den X und als Empfänger den Y drauf schreiben und dafür sorgen, dass es ordentlich stinkt. Oder einen Haschisch-Aufkleber drauf machen.

Mir erscheint das überaus rechts- und verfassungswidrig.

Jetzt will ich das erst mal als Gesetzestext sehen.

Update: Ein Leser hat gefunden, dass der Bundestag was dazu schreibt:

Mit Annahme des Gesetzentwurfs wird die Strafverfolgung beim Handel etwa mit Betäubungsmitteln erleichtert. Künftig werden Beschäftigte von Postdienstleistern verpflichtet, verdächtige Postsendungen bei den Strafverfolgungsbehörden vorzulegen, heißt es. Dabei gehe es um Sendungen, bei denen zureichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass mit ihnen Straftaten nach dem Betäubungsmittelgesetz, dem Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetz, dem Arzneimittelgesetz, dem Antidoping-Gesetz, dem Waffengesetz oder dem Sprengstoffgesetz begangen werden. Unternehmen, deren Mitarbeiter diese Pflicht verletzen, können mit einer Geldbuße von bis zu 500.000 Euro bestraft werden können. Dazu wurde das Postgesetz ergänzt.

Zur Begründung heißt es, oft fänden Beschäftigte in nicht zustellbaren Postsendungen Betäubungsmittel. „In diesem Zusammenhang ist eine Zunahme des Handeltreibens mit inkriminierten Gütern unter Inanspruchnahme von Postdienstleistern zu verzeichnen.“

Was ist ein „zureichender tatsächlicher Anhaltspunkt”?

Wollte ich eigentlich in der Beschlussvorlage nachlesen, aber da kommt gerade „In Kürze wieder für Sie da! Diese Seite wird zur Zeit überarbeitet. Die Seite wird im Laufe des Tages wieder zur Verfügung gestellt. Bitte versuchen Sie es zu einem späteren Zeitpunkt erneut.”