Ansichten eines Informatikers

Spionagekameras

Hadmut
11.2.2021 14:50

Ich habe weder Geld, Zeit, Verwendung, noch Ausstellungsgelegenheit für sowas, aber wen’s interessiert:

Eine Sammlung russischer KGB-Spionagekameras wird versteigert.

Hat mich mal interessiert, als ich noch mit alten Kameras zu tun hatte, aber das hat sich längst erledigt. Außerdem bringt das relativ wenig, sowas zu „haben” und dann liegt es nur rum, sowas muss man ausstellen.

Interessant ist das natürlich schon, wie man damals versucht hat, in die verschiedensten Alltagsgegenstände Spionagekameras einzubauen. Die Möglichkeiten wären heutzutage natürlich weitaus besser mit alle den modernen elektronischen Miniaturkameras. Kamera im Kugelschreiber? Kein Problem, gibt’s auf eBay.

Die Frage ist eher: Braucht man sowas heute überhaupt noch?

Der Witz war ja früher, dass jemand mit einer normalen Kamera und der Umständlichkeit mechanisch-analoger Fotografie immer aufgefallen ist. Heute sind Kameras allgemein kleiner, leiser, schneller und durch den allgemeinen Gebrauch viel unauffälliger. Heute dürften ein großer Teil solcher Spionagefotos schlicht und einfach mit einem gewöhnlichen Handy gemacht werden, weil es als solches längst nicht mehr auffällt, jeder sowas verwendet und längst die Abweichung vom Handy das Auffällige geworden ist.

Auch braucht niemand mehr irgendwelche toten Briefkästen, um irgendwelche Mikrofilme heimlich unter irgendwelchen Kirchenbänken zu deponieren, man lädt das Foto einfach per Handy automatisch in die Cloud, wie jeder gewöhnliche Tourist.

Und wenn man es ganz unauffällig haben und sicherstellen will, dass sich niemand etwas dabei denkt, schnall man die größte Kamera, die man kriegen kann, mit den auffälligsten Panaoramalinsen, die man kriegen kann, auf ein Auto, schreibt groß und bunt „Google Street View” drauf und fährt damit hin und her.

Der Bedarf für Spionagekameras dürfte heute deutlich geschrumpft oder jedenfalls stark verändert sein. Sicherlich wird es noch Spionagekameras in Steckdosen versteckt geben oder im Rauchmelder an der Zimmerdecke. Viel wahrscheinlicher dürfte aber sein, dass man die Videokonferenzkamera oben auf dem Fernseher anzapft, die da so gar nicht versteckt, sondern so selbstverständlich ist.

Der zentrale Knackpunkt dürfte nämlich sein, dass Kameras nicht nur kleiner, leiser, bedienfreundlicher sind – wenn ich allein daran denke, dass man in Super 8-Kassetten sowas um die 15 Meter Film hatte, was bei ruckeligen 18 Bildern pro Sekunde gerade mal über 3 Minuten ging, und man heute für kleines Geld eine GoPro bekommt, die viel kleiner als allein die Kassette ist, der nicht nur mit FullHD, 60fps und Verwacklungsschutz qualitativ haushoch überlegen ist, sondern mit einem Akku auch so ein bis zwei Stunden hinbekommt, und man den kleinen Akku dann leicht wechseln kann, und das Ding außerdem keinerlei Geräusche macht, während die Super-8-Kamera fürchterlich ratterte (dafür aber in den meisten Versionen keinen Ton aufnahm) hat sich die Diskussion erledigt.

Ich habe mal vor langer, langer Zeit ein Interview mit Kurt Felix über „Verstehen Sie Spaß” gesehen, in dem er beschrieb, wie schwierig das früher war. Man muss mit riesigen, lauten Kameras mit riesigen Filmspulen arbeiten, die man irgendwo tarnen und verstecken musste, was praktisch unmöglich war, weshalb sie gar zu oft aufgeflogen sind oder die Riesen-Dinger in den seltsamsten Gegenständen verstecken mussten, ganze Bau-Anhänger brauchten. „Heute” (und das bezog sich auf die Zeit der analogen alektronischen Videokameras mit ihren immer noch großen Gehäusen und Videokassetten) sei das doch trivial, die könne man überall reinpacken, ferngesteuert starten und die machten gar keine Geräusche. Dabei fiel mir schon so ab etwa der GoPro 2/3 auf, dass jedes professionelle Fernsehteam mindestens so ein Ding dabei hatte.

Kameras mit ESP32-Prozessor oder inzwischen sogar KI-Chip bekommt man längst im unteren zweistelligen Eurobereich. Problematischer dürfte deshalb sein, dass man heute nicht nur überall Kameras hat, sondern diese per KI, Muster- und Gesichtserkennung längst autonom arbeiten und etwa melden können, wer gerade irgendwo vorbeiläuft.

Insofern finde ich auch die Katastrophenfilme völlig veraltet, in denen eine Bombe entschärft werden muss, an der eine große leuchtende 7-Segment-Anzeige runterzählt, bei der sich der Held entscheiden muss, ob er den dicken roten oder den blauen Draht durchschneidet, die natürlich stets locker in der Luft rumhängen, und dann seltsamerweise nie die Verbindung zwischen Zündmechanismus und Bombe unterbricht, sondern immern die Uhr stehen bleibt, als ob die Bombenzünderuhren ihren Takt stets durch eine dicke Leitung wie von einer Auto-Batterie bekommt und dann die in TTL-Schaltung gebaute Uhr nicht mehr runterzählen kann. Warum habe ich noch nie einen Katastrophenfilm gesehen, in dem der Held schnöde den Zünder aus dem Sprengstoff zieht?

Viel interessanter wäre doch das Bild an der Wand mit der Kamera im Bilderrahmen, das explodiert, wenn es die Zielperson erkennt, wie sie vor dem Bild vorbeiläuft oder steht.

Oder ein gewöhnlicher (halbdurchlässiger) Spiegel irgendwo im Fahrstuhl oder auf der Toilette, bei dem ja jeder dazu neigt, bei der Gelegenheit mal direkt reinzugucken, ob alles in Ordnung ist.

Und wenn schon nicht explodiert, dann zumindest meldet, welche Gesichtsgeometrien es erkannt hat. Damit man dann weiß, wer alles da war.