Ansichten eines Informatikers

Was ist Bewusstsein?

Hadmut
3.2.2021 23:54

Beim Nachdenken über das Thema Amygdala und die Eigenschaft des Marxismus als hirnorganische Störung des archaisch-evolutionären Herdenverhaltens ging mir eine Frage durch den Kopf.

Was ist Bewusstsein?

Auf einer sehr niedrigen Ebene sicherlich zunächst mal die nötige Steuerungsfunktion, um die eigenen Körperfunktionen und Extremitäten beisammen zu halten. Das Gefühl für das Ausmaß und den Umfang des eigenen Körpers.

Es gibt einige Hinweise darauf, dass sich dieses Körperumfangbewusstsein dynamisch adaptiv anpasst. Es gibt Experimente, um das zu täuschen. Ich kriege es nicht mehr genau zusammen, ich glaube es ging so: Drei Leute stehen hintereinander, der in der Mitte ist der, der getäuscht werden soll, bekommt die Augen verbunden. Er soll um den Kopf dessen vor ihm greifen und ihm mit dem Zeigefinger die Nasenspitze berühren und kreisen, während der hinter ihm das gleiche mit ihm macht, irgendwie glaubt man dann, eine Nase so lang wie der Arm zu haben, als ob man mit dem gestreckten Arm vorne an seine Nasenspitze fühlt.

Interessanter finde ich, dass Leute, die ein technisches Gerät sehr gut beherrschen und oft benutzen, das Gerät als Teil ihres Körpers auffassen. Besonders deutlich ist das wohl bei Baggerfahrern. Ich hatte mal einem Baggervirtuosen zugesehen, der neben dem Haus das Fundament für eine Tiefgarage aushob. Der war genial gut, vor allem merkte man das, als der nicht mehr da war und die LKW-Fahrer eher ungelenkt selbst baggern mussten und man einen riesigen Unterschied in den Fähigkeiten sehen konnte. Neulich gab es einen hochinteressanten Zwischenfall: Ein Waldarbeiter wäre mit seinem Harvester eigentlich abgestürzt, weil der Boden unter ihm nachgab und er eigentlich mitsamt dem Ding nach hinten einen Hang heruntergestürzt wäre. Er hatte sich aber wie ein Mensch in Sturzpanik sofort wie mit einer Hand festgehalten – aber nicht mit seiner echten Hand, sondern mit dem Greifer des Harvesters an einem Baum. Der hat mit diesem riesigen Greifer agiert wie mit seiner menschlichen Hand. Auch von Piloten erzählt man, dass sie irgendwann das Flugzeug nicht mehr fliegen, sondern das Flugzeug sind, das als Teil ihres Körpers auffassen. Sich also das Körpergefühl erweitert.

Nur: Das ist noch kein Entscheidungsbewusstsein, sondern mehr so ein Bewusstsein darüber, was der eigene räumliche Umfang und steuerbare Satz ist. So, wie eine Drohne „weiß”, was ihre Motoren sind und wie sie sich austrimmen muss, oder wie man mir in der KFZ-Werkstatt sagte, dass beim Anbau einer Anhängerkupplung der Bordrechner umprogrammiert werden muss, damit er beim Rückwärtseinparken in der Abstandswarnung weiß, dass er jetzt hinten länger ist.

Nein, mir geht es darum, was dieses „Ich” eigentlich ausmacht.

Mir kommt der Verdacht, dass das überbewertet wird. Womöglich ist das keine Eigenschaft, sondern nur ein Nebeneffekt.

Denn wenn das Gehirn kein zentraler Rechner wie ein Computer ist, sondern ein Haufen verteilter, evolutionär unterschiedlich alter Gehirnareale ist, die auf kuriose Weise verdrahtet oder auch nur über Botenstoffe verbunden sind, denen kein „Protokoll” mehr zugrundeliegt, sondern die sich gegenseitig eben so „unbewusst” steuern und beeinflussen, mal elektrisch, mal mit Dopamin, mal mit neuralen Vernetzungen und so weiter und das alles ein großes wildes verteiltes Durcheinander statt eines konstruierten monolithischen Konstrukts ist, und das alles zusammenrührt, könnte es dann sein, dass als Ergebnis eines solchen Zusammenwirkens das ist, was wir für Bewusstsein halten? Dass es einfach die Folge eines organisch zusammengewachsenen Rechners ist?

Wie meine ich das?

Wenn ich etwas sehe, dann ist mir nicht immer gleich bewusst, dass ich jetzt absichtlich sehen muss, das geht von alleine. Weil da Teile im Hirn außerhalb des Bewusstseins dafür sorgen, dass das mit dem Gucken klappt. Aber ich weiß hinterher (zumindest meistens), dass die Information daher kommt, dass ich etwas gesehen habe. Oder gefühlt. Oder gehört. Oder gerochen. Da spüre ich, woher das kommt.

Wenn jetzt aber die Amygdala sagt, ich soll mal Angst bekommen oder den Deppen vor mir als Gegner betrachten, dann merke ich nicht, oh, das war jetzt die Amygdala, so wie ich merke, dass ich das vom Auge oder Ohr her warhnehme.

Und auch beim Gedächtnis merke ich nicht, dass ich jetzt mal an der und der Stelle im Hirn buddeln gehen muss. Oder mir das vom Sprachzentrum mal ausformulieren lassen müsste.

Ich hatte schon öfters mal beschrieben, dass mir beim schnellen Schreiben auf der Tastatur immer wieder Schreibfehler passieren, teils groteske, die mir handschriftlich nie passieren würden: Nämlich das Vertauschen ganzer Silben gegen andere, die sich zwar ähnlich anhören (teils sogar sprachübergreifend englisch-deutsch), aber völlig anders schreiben und etwas völlig anderes bedeuten. Ich schreibe halt seit 35 Jahren intensiv 10-Finger-System (als ich bei der Bundeswehr im Grundwehrdienst im Kompanietrupp gelandet bin und Schreibmaschine schreiben musste, dachte ich mir, jetzt oder nie, und habe mir im Buchgeschäft einen Kursus gekauft und in der Mittagspause geübt, und dann fast ziemlichen Ärger bekommen, weil man im Müll meine Blätter voller Buchstabengruppen qwert zuiop asdf jklö fand und dachte, ich hätte verschlüsselte Funksprüche in den Müll geworfen und baff war, als ich dieses Anleitungsbuch mit den Übungen vorzeigte.) Irgendwann denkt man nicht mehr in einzelnen Buchstaben, sondern in Bewegungsabläufen und ganzen Silben, ähnlich wie Stenographen ja auch zu ganzen Silben je eine Bewegung gespeichert haben, und offenbar werden die im Hirn nach Klang abgespeichert – und verwechselt. Man müsste mal in Erfahrung bringen, ob jemandem, der seit Geburt voll gehörlos ist, dasselbe Phänomen unterläuft.

Aber: Ich spüre das ja nicht, dass ich da jetzt aus irgendeinem Teil meines Gehirns die Information abrufe, mit welcher Fingerbewegung ich jetzt „Teil” schreibe. Es funktioniert, aber ich merke nicht, wie es funktioniert, ich kann es nicht beeinflussen. Ich merke nur indirekt über das Schreibfehlermuster, dass es überhaupt so ist.

Ich frage mich, ob „Bewusstsein” am Ende im wesentlichen aus dem Effekt entsteht, dass viele Teile im Gehirn als Rechner kooperieren, ohne dass man sie als einzelne Funktionsgruppen wie Auge oder Gehör wahrnehmen kann.

Ob nicht „Bewusstsein” schnöde einfach nur die Abwesenheit der Fähigkeit ist, zu spüren, wo es jeweils herkommt. Das „Unterbewusstsein”.

Irgendeine Stelle im Gehirn meint jetzt, man müsse mal was nettes, herdenkonformes sagen. Oder mit dem Typ da Streit anfangen, um das Revier zu verteidigen. Also tun wir das, ohne aber zu spüren, aus welchem Teil des Gehirns das jetzt kam.

Kann es sein, dass wir dieses Die-Wirkung-ist-da-aber-wir-wissen-nicht-woher-es-kommt das ist, was wir fälschlich für Selbstbewusstsein, das „Ich” halten?

Als ob da jemand die Fäden der Marionetten zieht, und wir die Fäden nicht sehen, oder jemand wie in „Matrix” die Matrix von außen programmiert und wir das interpretieren, weil wir die Steuerungsmechanismen nicht erkennen können?