Ansichten eines Informatikers

Pferd gegen Internet

Hadmut
31.12.2020 15:45

Weil Rückfragen zum Artikel über den dämlichen Vergleich zwischen dem Datentransport per Pferd und per Internet kamen:

Ich erklär’s nochmal anders:

Beim Transport per Boten (Hund, Pferd, Läufer mit Datenträger)
hängt die Übertragungszeit (im Rahmen der Aufgabenstellung) praktisch nicht von der Datenmenge ab, weil man einfach unterstellt, dass der einen befüllten Datenträger (Festplatte, USB-Stick, Backup-Band) transportiert und das problemlos in einem Lauf. Ob auf dem Datenträger 10 Byte oder 10 Terabyte drauf sind, ist egal.

Dafür aber hängt die Zeit linear von der gewählten Entfernung der Übertragung ab, weil man unterstellt, dass sich der Bote mit einer konstanten Geschwindigkeit geradlinig bewegt. Der muss nicht mehrfach laufen, auf den Flieger warten oder mit dem Sattelschlepper fahren. Man geht einfach von einem fiktiven Boten aus, der eine beliebige Datenmenge mit konstanter Geschwindigkeit, ohne Verkehrsprobleme, Pannen und so weiter von A nach B auf direktem Wege transportiert.

Die Übertragungszeit per Bote wird in der Aufgabenstellung also effektiv allein durch die gewählte Entfernung und Bewegungsgeschwindigkeit des Boten bestimmt, die Datenmenge spielt keine Rolle.

Beim Transport per Datenfernübertragung (Modem, ISDN, DSL, Standleitung usw.)
ist es umgekehrt, denn da unterstellt man eine entfernungsunabhängige Übertragungsgeschwindigkeit (hat 10 MBit DSL oder sowas), die Übertragungszeit wird hier also allein durch das Verhältnis von Datenmenge zur in der Aufgabenstellung gegebenen Übertragungsgeschwindigkeit bestimmt.

Die Übertragungszeit per Netz wird in der Aufgabenstellung also effektiv allein durch die gewählte Datenmenge und Übertragungsgeschwindigkeit des Netzwerkes bestimmt, die Entfernung spielt keine Rolle.

Man vergleicht also in einer Aufgabenstellung, die einen Wettbewerb suggeriert, zwei Dinge, die eigentlich überhaupt nichts miteinander zu tun haben, nämlich einmal Entfernung dividiert durch Bewegungsgeschwindigkeit mit Datenmenge dividiert durch Übertragungsgeschwindigkeit. Und nur, weil man sprachlich damit anfängt, dass sie die Daten übertragen und bei beiden als Größe Sekunden rauskommt (der eine dividiert Meter durch m/s, erhält also als Einheit Sekunden, der andere dividiert Bit durch bit/s, erhält also ebenfalls Sekunden), man also eine Vergleichbarkeit suggeriert, obwohl beides auf Größen beruht, die mit der jeweils anderen Übertragungsart gar nichts zu tun haben. Beim Versand einer kurzen E-Mail ist das Netzwerk schneller, auch wenn sie nur an den Nachbarschreibtisch geht.

Weil man die beiden Übertragungszeiten in der Aufgabenstellung durch die Wahl von Entfernung/Bewegungsgeschwindigkeit und Datenmenge/Übertragungsgeschwindigkeit völlig unabhängig voneinander wählen kann, kann man die Aufgabenstellung immer so bauen, dass der gewinnt, den man möchte. Völlig egal, wie gut und schnell das Netzwerk ist.

Das ist wie „nachts ist es kälter als draußen”. Kann schon sein, aber es sagt nichts aus, weil es unterschiedliche Dinge vergleicht.

Das heißt nicht, dass die Aufgabe unsinnig ist.

Denn die Grundidee ist schon, zu lernen, sich jeweils zu überlegen, welche Übertragungsart im konkreten Fall schneller (billiger, zuverlässiger) ist, wenn man die Wahl zwischen beiden Methoden hat. Es heißt aber nicht, und das ist der springende Punkt, dass eine Übertragungsart als Qualitätsmaßstab des anderen herhalten kann.

Umgekehrt müsste man den Weltmeistern im 100-Meter-Lauf, im Marathon und im Iron-Man vorhalten, dass sie lahme Schnecken wären, weil eine E-Mail vor ihnen am Ziel ist. Man muss sich überlegen, was jeweils günstiger ist, aber man kann das eine nicht als Maßstab des anderen verwenden, weil das eine von der Entfernung und das andere von der Datenmenge abhängt.