Ansichten eines Informatikers

Berlin – Dresden – elektrisch?

Hadmut
18.9.2020 0:22

Mmmh.

Ich war doch am Montag in Dresden bei der Landtagsanhörung.

Und habe ja mal ein paar Jahre in Dresden gewohnt und gearbeitet, und war nun zum ersten Mal seit 2007 wieder in der Innenstadt von Dresden. Seither war ich nur ein einziges Mal überhaupt in Dresden, damals auf dem Rückweg vom Aktworkshop in Prag bin ich mal ein äußeren Bereichen von Dresden vorbeigefahren, um mal zu gucken, wie es da aussieht, wo ich gewohnt und gearbeitet habe. Und nun jetzt eben zum ersten Mal wieder in der Innenstadt, der Landtag liegt ja direkt an Semperoper und Zwinger. Und weil ich ja den ganzen Tag schon ständig gesessen habe, erst im Auto, dann im Landtagsgebäude, dann im Plenarsaal, bin ich mir noch etwas die Beine vertreten gegangen, bevor ich mich wieder ins Auto gesetzt habe um mich wieder zwei Stunden nach Berlin zu sitzen. Mal gucken, wie es in Dresden um die Frauenkirche, Altmarktgalerie, Prager Straße und so herum aussieht.

Also ich noch in Dresden gewohnt habe, bin ich die Strecke nach Berlin häufig gefahren, weil ich öfters in Berlin zu tun hatte.

Seit ich in Berlin wohne, bin ich die Strecke (außer damals nach Prag) nie mehr gefahren, weil ich in Dresden bisher nichts zu tun hatte.

Wie ich also so im Auto sitze, ging mir so durch den Kopf, dass das alles mit einem Elektroauto ziemlich problematisch gewesen sein würde. Ich kann’s hier nicht laden. Ich hätte es dort nicht laden können. Und ohne zu laden wäre es wohl auch nicht gegangen. Wie stellen die sich das eigentlich alle vor?

Ich hatte dort das Pech, dass der Parkscheinautomat keine Quittung gedruckt hat. Hat er mir zwar angezeigt, als ich die Taste gedrückt habe, man hat auch das Geräusch eines Druckers gehört, es kam aber nichts raus. Also habe ich eben den Parkschein fotografiert, bevor der im Automat beim Rausfahren geblieben ist und hatte mal die Firma angeschrieben, die die Tiefgarage betreibt, ob die mir eine Quittung für die Fahrtkostenabrechnung schicken können. Auf der Webseite behaupten sie groß, dass sie auch Ladestationen anböten, habe ich dort aber nicht gesehen, als ich im ziemlich vollen Parkhaus nach einem Parkplatz gesucht habe.

Nun lese ich gerade über VW, die mit dem neuen ID.4 (komischer Name für ein Auto, soll halt irgendwie modern und technisch klingen, klingt wie R2D2s Konkurrent BB-8) Tesla abhängen und das elektrische Weltauto anbieten wollen:

Der ID.4 wird Brandstätter zufolge auf eine Reichweite von 520 Kilometern mit einer Ladung der 77-Kilowattstunden-Batterie kommen. Der Elektromotor wird eine Leistung von 150 KW (204 PS) haben, und binnen 30 Minuten soll der Wagen an entsprechenden Schnellladesäulen genug Strom für 320 Kilometer tanken können.

Von hier nach Dresden und zurück sind, wenn man sonst nichts dort rumfährt, knapp 400 km. Hat mich noch Umwege wegen Baustellen gekostet.

Ich nehme das jetzt mal, weil Fahrt so nach Dresden, Leipzig, Hamburg so typische Entfernungen wären, von denen ich noch erwarte, dass man die ohne Pause fahren kann.

Andere Strecken wie Dresden-Karlsruhe bin ich auch oft ohne Pause gefahren, aber das hatte ich mir dann doch abgewöhnt, zwischendrin mal austreten und was essen ist bei 5 Stunden schon genehm. München-Berlin bin ich damals im Rahmen des Umzugs auch einige Male gefahren, macht man aber auch mit Pausen. Und dann könnte man ein Fahrzeug auch aufladen – wenn man denn eine Ladestation findet, was ich bezweifle, wenn man erst mal alle Leute zwingt, ein Elektroauto zu haben. Bleibt man mit leerem Tank liegen, kann einem der Pannendienst wenigstens einen 5-Liter-Kanister bringen. Mit ner USB-Powerbank ist es aber nicht getan.

Nun liest sich das mit dieser Reichweite von 520 Kilometern ja ganz nett und ausreichend, für die 400 Kilometer nach Dresden und zurück, stimmt aber so nicht ganz. Es war nämlich 30° warm, ich da ja mit ordentlichen Klamotten und langer Hose, und deshalb mit laufender Klimaanlage, ich will da ja nicht nassgeschwitzt ankommen. Oder wenn es kalt gewesen wäre, mit Heizung. Das Autoradio hatte ich auch noch an, und auf dem Rückweg die Scheinwerfer. Und dann reicht eine Batterie, die im besten Fall 520km reicht, eben nicht mehr. Dann müsste man schon froh sein, wenn man es von Berlin nach Dresden schafft.

Jetzt mal angenommen, die Tiefgaragenfirma in Dresden hält, was sie da auf der Webseite verspricht. Ich habe so 6-7 Stunden dort geparkt. Das hätte zwar gereicht, um ein Fahrzeug wieder aufzuladen, aber hätte man mich so lange eine Ladestation belegen lassen?

Also irgendwie leuchtet mir das noch nicht ein (nicht mal mit sparsamen LED-Lampen), wie das dann praktisch funktionieren soll, wenn die hier Verbrennerfahrzeuge verbieten und Elektroautos erzwingen wollen. Wenn die nicht mal Termine auf dem Bürgeramt hinkriegen.

Realistisch hätte man da – worst case – damit rechnen müssen, dass ich auf dem Hin- und Rückweg noch zusätzlich hätte nachladen müssen. Vielleicht nur 10 oder 20 Minuten, aber auch da müsste man erst mal eine Ladestation finden. Zwar sind die generell einfacher und könnten auch an normalen Rastplätzen aufgestellt werden, aber bisher nehmen sie das ja auch nicht in Angriff.

Mir leuchtet das nicht so recht ein, wie das dann praktikabel funktionieren soll.

Manch einer wird sagen, dass man das mit dem Zug hätte fahren sollen. Das wäre damals, als ich das noch aus normalen beruflichen Gründen gefahren bin, nicht möglich gewesen, weil ich oft noch den Kofferraum voll Zeugs hatte, und jetzt habe ich mich auch gegen Zug entschieden, wegen Corona.

Bei aller Sympathie für VW ID.4 und ähnliches. Ich sehe das noch nicht als so generell praktikabel an. Das klappt dann, wenn man nur in der Stadt und Umgebung rumfährt, und eine Ladestation hat. Ich gebe zwar zu, dass das in vielen Fällen genau so ist. In vielen aber eben auch nicht.

Was mir allerdings aufgefallen ist: Die Autobahn war in beiden Richtungen sehr viel leerer als ich das von 2003-2007 in Erinnerung habe. Stau unmöglich, nicht genug Autos für einen Stau da.

Was macht man eigentlich mit einem Elektroauto im Stau, wo der Verbrauch pro Kilometer dann plötzlich extrem hochgeht?

Ich kann mich erinnern, in meiner Dresdener Zeit bei der Pendelei Karlsruhe-Dresden einige Male bei eisigen Temperaturen und Schnee stecken geblieben zu sein. Ich weiß nicht mehr genau, wo das war, ich glaube so A72 und ein Stück A4. Ich weiß, dass ich einmal wegen einer Totalsperrung einen riesigen Umweg in Schrittgeschwindigkeit (weil endlose Autoschlangen, die damals alle die damals neuen Navigationssysteme hatten und alle dieselbe Umfahrung fuhren) durch den Wald gefahren zu sein und da mal so fast 15 Stunden unterwegs gewesen zu sein. Und einmal stundenlang in einer Eiseskälte völlig steckengeblieben zu sein, nichts ging mehr, und trotz Decke und Jacke habe ich so alle paar Minuten den Motor im Stand laufen lassen, weil das wirklich bitter kalt wurde. Draußen irgendwie so -15 Grad oder sowas in der Art. Damals mein erstes im Auto montiertes Handy, (da gab es noch Lade- und Sprechschalen für Nokia-Modelle) und hatte aus dem Stau (im Radio sagten sie, es gab einen schweren Unfall) die Polizei angerufen, weil das langsam richtig gefährlich wurde mit der Kälte und mir dann auch irgendwann der Sprit knapp geworden und die Getränke ausgegangen waren (ein Stau-Nachbar hatte schon keinen Sprit mehr und war komplett ausgefallen), um zu fragen, warum sie einen nicht nach hinten rückwärts über die letzte Ausfahrt zurückfahren und evakuieren lassen. Sie meinten, das täten sie ja schon längst, aber ich hätte das Pech (oder Glück, je nach Sichtweise), genau zwischen zwei Großunfällen zu stehen, weshalb es für mich nicht vor und zurück ginge. (Irgendwann ging es dann auf einer Spur nach vorne weiter und ich habe es noch bis zur Tankstelle geschafft.)

Das sind Situationen, in denn ein Elektroauto nicht nur völlig ausgefallen wäre, sondern wo das auch lebensgefährlich gewesen wäre, weil ich die Rettungskräfte zu uns nicht durchgedrungen wären. Die sagten mir ja, dass sie an den Unfällen erst mal selbst nicht vorbei kommen, bis die Feuerwehr das bei hohem Schnee und eisiger Kälte geräumt hat.

Mir erscheint das alles noch nicht plausibel.