Ansichten eines Informatikers

Unbedingt mal lesen – Journalismus im Wandel der Zeit

Hadmut
12.6.2020 13:09

Ich kann den Titel nur nicht in der Überschrift erwähnen, sonst würde ich wieder auf allen Social Media-Kanälen gesperrt.

Das sollte man sich echt mal anschauen. Ein Leser hat mich gerade darauf hingewiesen. [ Ich muss jetzt hier noch etwas blabla einfügen, weil Twitter über die automatisierten Tweets immer auch den Anfang des Textes mitbekommt, damit das dann da nicht auf Twitter erscheint.

Dumm di dumm, lalalala, brumm … brumm … brumm … so, das sollte genügen.]

Schaut mal in den SPIEGEL. Schnell, bevor der pleite und weg ist. Die machen doch jetzt auf moralisch und links und so. Wehe jedem, der ein falsches Wort sagt.

Schaut mal in den SPIEGEL von 1965 und bildet Euch eine Meinung über die romantische Prosaik: USA / RASSENKRAWALLE Der häßliche Neger

Am besten gleich runterladen, solange es noch zugänglich ist.

Die Neger dieses Landes werden möglicherweise nie an die Macht kommen, aber sie haben Einfluß genug, das Chaos hereinbrechen zu lassen. Negerdichter James Baldwin […]

Hollywood zerplatzte ein amerikanischer Traum. Ein beispielloser Negeraufstand in Los Angeles demonstrierte es: Das schwarz-weiße Rassenproblem (in den USA) ist durch die rechtliche Gleichberechtigung des schwarzen Mannes nicht entschärft worden.

Fünf Tage nach Unterzeichnung des Wahlrechtsgesetzes durch Präsident Johnson, das die historische Kampf -Forderung der Farbigen nach Gleichstellung mit den weißen Wahlbürgern erfüllte, heizten die Neger in der “Stadt der Engel” die Hölle an.

Eine Woche lang mordete, marodierte und brandschatzte der schwarze Mob. Feuer und Gewehrfeuer töteten 35 Menschen und verletzten mindestens 800; über 700 Wohn- und Geschäftshäuser wurden eingeäschert oder beschädigt, ein Gebiet von 77 Quadratkilometer (etwa die Fläche von Oberhausen oder Braunschweig) wurde verwüstet.

Im Feuerschein des blutigsten Rassenkrawalls der US-Geschichte** sah die Nation einen Typus Neger, den bis dahin nur der fanatische Ku-Klux-Klan beschworen hatte: den tierischen, unberechenbaren, bösartigen Schwarzen – den häßlichen Neger.

“Selbst kleine Kinder wüteten wie wilde Tiere”, meldete die Londoner “Times”. Achtjährige Jungen betranken sich in aufgebrochenen Läden mit Whisky. Dann stürmten sie mit Schrotflinten durch die Straßen, Mädchen kreischten: “Los, killt einen Whitey!” (Whitey ist ein Schimpfwort für die Weißen.)

“Tötet, tötet, tötet!” wurde zum Kriegsruf des Mobs im Farbigen-Viertel Watts (100 000 Einwohner). Tausende Neger durchbrachen den Sperrgürtel aus 18 000 Polizisten und Nationalgardisten und terrorisierten die Stadtteile Long Beach, Wilmington und Hollywood.

Und das war da echt bitter für alle Beteiligten:

Inmitten der Plünderer eines Pfandhauses saß ein kleiner Kraushaar-Knabe und schluchzte. “Immer, wenn ich mir ein Radio gegrabscht habe, kommt ein Großer und nimmt es mir weg.”

Aber, das muss man ihnen lassen, Gleichbehandlung war gegeben:

Auf dem Höhepunkt der Blut- und Brand-Orgie kannten die Schwarzen keine Rassenunterschiede mehr; sie fielen über jeden her, der ihnen in den Weg kam, gleich, ob Weißer, Mexikaner oder Neger. Ein farbiger Geschäftsmann brüllte, ein Gewehr im Anschlag, die auf seinen Laden hindrängenden Hautgenossen an: “Ihr mögt meine Blutsbrüder sein, aber wenn ihr nicht abhaut, werdet ihr meine toten Brüder sein!”

Amen, Bruder! Amen!

Selbst die Schlauesten versagten:

Auch der Negerführer und Friedensnobelpreisträger Martin Luther King wußte keinen anderen Rat. […]

Der häßliche Neger, der sich durch den Aufruhr von Los Angeles in das Bewußtsein Amerikas drängte, ist das Endprodukt eines jahrzehntelangen negativen Auslese-Prozesses in den Großstadt-Slums des amerikanischen Nordens und des Westens.

Präsident Johnson, der alle Amerikaner in seine “Große Gesellschaft” ohne Armut führen möchte, erfuhr erst im April durch einen vertraulichen Slum -Report das volle Ausmaß dieser dort lauernden schwarzen Gefahr. Zahlen und Fakten des Berichts sind so alarmierend, daß die Regierung bis jetzt eine Veröffentlichung scheute.

Fazit der 78-Seiten-Dokumentation: Während die Neger im ländlichen Süden

– entgegen dem weitverbreiteten

“Onkel- Toms Hütte”-Klischee – die Fesseln der Diskriminierung sprengten, gerieten ihre Rassengenossen in den Großstädten zunehmend unter das Joch von Armut und Wohnungselend.

Die Neger wurden im vorgeblich nichtrassistischen Norden und Westen für Arbeitsplätze zuletzt geheuert und zuerst gefeuert.

Der ist auch was fürs Herz:

Im New Yorker Stadtteil Harlem, dem größten Neger-Kral der Welt, sind auf sechs Quadratkilometern 300 000 Einwohner zusammengepfercht. Wurden die übrigen Stadtteile ebenso dicht besiedelt wie einige Harlem-Straßen, so könnte die gesamte Bevölkerung der Vereinigten Staaten in New York untergebracht werden. […]

Der Slum-Report der Johnson -Administration stellt fest:

– Fast jede vierte Neger-Frau in den

Großstädten ist geschieden oder von ihrem Mann verlassen worden.

– Über die Hälfte aller jungen Neger

haben bis zum 18. Lebensjahr zumindest zeitweilig in einem vaterlosen Elternhaus gelebt. […]

In den Slums geschah,was der britische Soziologe Geoffrey Gorer schon 1949 so formulierte: “Der Charakter der Neger wird systematisch verdorben.”

Und so weiter und so fort. Der SPIEGEL von 1965.

Und ausgerechnet die machen heute auf moralische Oberinstanz bezüglich aller political correctness.

Stellt Euch mal vor, was los wäre, wenn heute jemand so einen Text loslassen würde.

Der Grund dafür, warum da zigmal von „Neger” die Rede ist, sogar der ganze Bericht „Neger-Report” heißt, sondern – ich bin 1966 geboren, und das war da noch lange Zeit so – war „Neger” nicht das rassistische Schimpfwort, als das es heute dargestellt wird, sondern ein normaler Begriff normaler Sprache. Man sollte dabei berücksichtigen, dass Afrika zu dieser Zeit noch nicht sonderlich erforscht war und der allgemeinen Bevölkerung – abgesehen von den Kolonien und dem zweiten Weltkrieg – praktisch unbekannt war. Irgendwo zwischen Grzimek und Daktari. Und schwarze Menschen hier so selten war, dass sie eine eigene Sehenswürdigkeit darstellten. Dazu kam, dass man aus Presse und Fernsehen vor allem die Bilder aus den USA kannte, wo gerade der Afro-Look mit diesen riesigen Kugelfrisuren Standard war.

Wenn man den Artikel mal der Bedeutung entkleidet, die dem Begriff heute zugemessen wird und die er damals schlicht nicht hatte, und auch diesen für die damalige Zeit typischen pathologisch-betrachtenden Sprachstil etwas zurücknimmt, bleibt allerdings eine zwar harte, gnadenlose, unverblümte, aber auch nüchterne, zutreffende und die heutigen Probleme erklärende Analyse zurück. Die, wenn man es beim Lesen schafft, die heutige Konotation von „Neger” auszublenden, und damalige Maßstäbe anwendet, durchaus zu deren Gunsten ausgeht, weil man ja beschreibt, dass die Umstände, unter denen sie leben müssen, schon schlecht sind. Es ist ein Artikel durch die Brille der 60er Jahre, aber es ist kein böswilliger Artikel. So hat man damals gedacht und gesprochen. Grundsätzlich allerdings waren die auch damals schon in der Lage, sich diplomatischer auszudrücken.

Zeigt sehr gut die Entwicklung des SPIEGEL: Die waren mal beinhart, aber informativ und analytisch.

Heute: Moralisch, verfälschend, einseitig. Relotius-verlogen.

Man sollte der Presse öfters ihre eigenen Artikel vorhalten.