Ansichten eines Informatikers

Vom Siechtum und Sterben…

Hadmut
1.5.2020 1:37

…der Kameraindustrie und der olympischen Spiele.

Gerade drüber gestolpert:

Das Thema hatten wir schon oft hier, aber es verschärft sich gerade. Die Handy-Hersteller Apple und Google (als Android-Lizenzgeber) haben als Handys Geräte entwickelt, die genau genommen eigentlich gar nichts richtig können, aber von dem, was sie nicht wirklich gut können, sehr viel, fast alles abdecken. Man hat einen guten Kompromiss gebaut, der ziemlich genau das bedient, was viele Leute wollen und brauchen, ob nun privat oder beruflich. Im Englischen gibt es solche Redewendungen wie „Good enough” oder „It does the job”, die ausdrücken, dass man nicht das perfekte Bild braucht, sondern einen praktikablen, effizienten Weg brauchen. Die normale Kamera mag das bessere Bild machen, aber erstens ist es sehr aufwendig, das dann von unterwegs zu verarbeiten (und das Handy braucht man dazu ohnehin), und sie ist sperrig, schwer, teuer.

Man hat es bis heute nicht geschafft, Kameras zu bauen, die sich bezüglich der Weiterverarbeitungsmöglichkeiten samt Übertragung mit einem Handy anlegen können, schon gar nicht in der Jackentaschentauglichkeit oder der Preisklasse. Zudem hat es eine Verschiebung vom Foto zum Video ergeben, und das Video braucht diese Auflösung und Bildqualität zumindest in den meisten Fällen nicht.

Nun kommt noch die Corona-Krise (und mit ihr die Verschiebung der für die Kameraindustrie sehr wichtigen Olympischen Spiele) dazu, und dann wird es richtig eng. Man merkt das schon, dass die Kamerahersteller mehr oder weniger verzweifelt versuchen, die Leute zuhause mit Fotografie zu beschäftigen, ihnen beispielsweise Schulungsvideos, die sonst Geld kosten, kostenlos anzubieten oder irgendwelche Profitricks zu verrraten. Aber die Realität ist eben, dass man im HomeOffice nicht so wirklich großen Bedarf an Fotokameras hat.

Canon hat das bemerkt und gerade irgendwas von einer neuen Software veröffentlicht, mit der man Canon-Spiegelreflexkameras als USB-Webcam verwenden kann. Das ist das, was gerade wirklich gebraucht wird. Das ist zwar schon etwas würdelos und unterfordernd für so eine Kamera, aber wenigstens hätte man so mal ordentliche Home-Office-Aufnahmen und nicht den Billigkram von den Notebook-Billigkameras.

Von Nikon erwartet man eine spiegellose Profikamera (Z8), die eigentlich zu den olympischen Spielen fällig gewesen wäre, die nun für nächstes Jahr erwartet wird. Es dürfte eine sehr ungewöhnliche Situation für Ingenieure sein, dass die mal nicht die Kamera auf den Markt werfen müssen, bevor sie fertig entwickelt ist, sondern umgekehrt gesagt bekommen „lass Dir ein Jahr mehr Zeit…” Nicht nur, dass man gerade Probleme hätte, sie in Stückzahlen zu fertigen und kaum jemand sie gerade braucht, man kann sie auch erst nächstes Jahr bringen, denn wer würde schon mit einer „Kamera vom letzten Jahr” zu den olympischen Spielen gehen? Wobei es ja mal heißt, dass sie dieses oder nächstes Jahr angekündigt werden und kommen. Vermutlich wird sie dieses Jahr angekündigt und kommt dann nächstes auf den Markt.

Japan hat neulich irgendwo mitgeteilt, dass sie sich eine weitere Verschiebung der Spiele nicht leisten können. Wenn’s nächstes Jahr nicht besser ist mit Corona, dann müssen die Spiele ganz ausfallen.

Ich glaube nicht, dass der Kameramarkt sich von der Corona-Krise noch ganz wieder erholen wird. Ein paar wird’s zerreißen und danach wird die Fotografie ohnehin eine andere sein.

Ich würde allerdings nicht drauf wetten, dass es olympische Spiele 2024 und danach geben wird.

Wenn sich Japan an den Spielen 2020/21 finanziell verhebt und einen Crash hinlegt, wird sich so schnell niemand mehr finden, der noch Spiele ausrichtet. Geht ja nicht virtuell aus dem HomeOffice. Viele haben ja mit sowas Miese gemacht, und wenn man jetzt sieht, dass man auf den irren Kosten völlig sitzen bleiben kann ohne die Einnahmen zu haben (sie haben ja obendrein noch das Problem, dass sie die Athleten-Wohnhäuser nicht wie geplant ab Herbst an normale Mieter vermieten können), stellt sowas künftig ein Risiko dar, das keiner mehr auf sich nehmen wird.

2022 soll es Winterspiele in Peking geben, die werden die vermutlich aus politischer Räson durchziehen. Aber Spaß wird’s nicht machen. Allerdings sind die Chinesen rigoros im Umgang mit der Epidemie, und gerade heißt es, dort breche eine zweite Corona-Welle los. Wenn die das bis 2021 nicht in den Griff kriegen, könnten die die Notbremse ziehen.

Sommerspiele 2024 Paris, da hätte ich schon arge Zweifel, ob von Paris bis dahin noch genug übrig ist. Es heißt, Frankreich sei auch gerade nicht mehr so wahnsinnig weit weg von der Staatspleite.

Winterspiele 2026 in Mailand und Cortina d’Ampezzo, mal sehen, ob sie Italien bis dahin nochmal hoch kriegen. Italien ist ja angeblich so weit weg von der Staatspleite wie Frankreich, nur eben schon auf der anderen Seite der Pleitegrenze.

Sommerspiele 2028 in LA? Das könnte schon ein richtiges Problem werden. Wenn die USA jetzt in so eine richtige Rezession laufen und dann da so richtig der bisher angerührte Rassenkonflikt hochkocht… Sagen wir es so: Falls Trump nochmal Präsident wird, also 2021-2025, und der dann den ganzen Aufbau bezahlen muss, würde ich dem zutrauen, dass der die Spiele einfach absagt.

Letztlich sind Olympische Spiele ja auch ein Akt der Globalisierung. Und Globalisierung ist gerade kaputt.

Ich könnte mir tatsächlich vorstellen, dass wir noch höchstens ein, zwei olympische Spiele, vielleicht auch gar keine mehr erleben. Ich halte es für möglich, dass wir schon die letzten großen olympischen Spiele erlebt haben und es nur noch nicht wissen. Es wird sich wohl keiner mehr leisten können oder wollen.

Vielleicht noch welche in einer Sparversion ohne Publikum, alles kleiner, bescheidener, billiger.

Oder: Irgendein Land übernimmt sie als Dauerveranstaltung und bildet das wirtschaftlich damit ab, sie alle vier Jahre zu machen, und die Stadien dann einfach stehen zu lassen.

Bleibt die Frage: Was macht man im Home-Office mit Spiegelreflexkameras? Also außer sie als WebCam zu missbrauchen?