Ansichten eines Informatikers

Komische Rechtsanwältin

Hadmut
9.4.2020 14:59

Würde ich mich jedesmal am Kopf kratzen, wenn ich mich über Juristen wundere, hätte ich mir die Hand schon durch den Kopf durchgescheuert.

Wobei ich mich allerdings doch frage, ob das überhaupt geht, oder ob das mit dem Wundern nicht schon dann aufhören würde, wenn man auf halbem Weg angekommen ist.

Ich hatte doch geschrieben, dass eine Rechtsanwältin Verfassungsbeschwerde/Eilantrag beim Bundesverfassungsgericht gegen die Corona-Maßnahmen stellen wollte, und weiter geschrieben, dass das Bundesverfassungsgericht einen genau solchen Antrag abgelehnt hatte, es sich aber nicht um denselben handeln kann, weil das zwar anonymisiert, aber darin als Beschwerdeführer von „Herr …” die Rede war.

Auf Sputniknews ist ein seltsamer Artikel über die Dame erschienen, Glaubwürdigkeit kann ich nicht einschätzen, aber immerhin ist eine Quellenangabe zu einem Zeitungsbericht bei RP Online dazu angegeben, der das auch beschreibt.

Jedenfalls soll laut dieser Webseite nun die Polizei gegen sie ermitteln und ihre Webseite verschwunden sein.

RP Online:

Die Heidelberger Anwältin hatte auf ihrer Homepage am Dienstag eine 19-seitiges Dokument veröffentlicht, in dem sie sämtliche Corona-Beschränkungen für verfassungswidrig und unwirksam erklärte. Niemand müsse sie befolgen, sofern er nicht infiziert sei. Jeder dürfe sein Geschäft öffnen und reisen, Verstöße dürften nicht bestraft werden.

Was ich a priori für eine gewagte Ansicht halte, aber ich habe das Dokument nicht gelesen. Selbst wenn die Beschränkungen verfassungswidrig seien, kann eine Rechtsanwältin sie nicht dafür „erklären”. Das könnte nur ein Gericht, und selbst da müsste ich jetzt auch erst nochmal nachlesen, wann das normale Gerichte können und wann sie es dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorlegen müssen. Man kann sie für verfassungswidrig halten, aber vielleicht ist das auch nur ein Fehler der Zeitung.

Generell aber gilt, dass man nicht nach Lust und Laune und politischer Überzeugung entscheiden kann, woran man sich hält und woran nicht (weil das nämlich heißt, dass sich niemand niemals nicht an gar nichts mehr hält und jeder nur noch das tut, was er selbst für richtig hält), sondern man den Rechtsweg beschreiten muss, Widerspruch einlegen und so weiter.

Damit man sich nicht daran halten müsste und es einfach ignorieren könnte, müssten das mehr als nur rechtswidrig, es müsste nichtig sein. Das ist aber nur selten der Fall und schwierig darzulegen. Glaube ich hier auch nicht.

Dabei führte Frau unter anderem auch das sogenannte Widerstandsrecht in Artikel 20 des Grundgesetzes als Begründung an. Ferner rief sie “alle 83 Millionen Mitbürgerinnen und Mitbürger” auf, am Samstag Demonstrationen zu organisieren. Diese sollten unter dem Motto “Coronoia 2020 – Nie wieder mit uns. Wir stehen heute auf” stehen.

Und das ist nun ziemlicher Quatsch. Artikel 20 gestattet nicht den Widerstand gegen Corona-Schutzmaßnahmen oder sonstige Verwaltungsakte, die einem nicht gefallen, sondern nur dann, wenn einer die ganze Rechtsordnung abschaffen will. Das kann man aber nicht vor dem Bundesverfassungsgericht einklagen, weil man mit den Anrufen des Bundesverfassungsgerichts ja zugibt, dass es die Rechtsordnung zumindest in Teilen doch noch gibt. Außerdem setzt Artikel 20 voraus, dass andere Abhilfe nicht möglich ist, und wenn man sich beim Bundesverfassungsgericht beschwert, räumt man damit ja ein, dass man darin einen Weg der Abhilfe sieht.

Und Sputniknews:

Anlass für die polizeilichen Ermittlungen ist laut der Zeitung, dass […] über ihre Internetseite zu einer rechtswidrigen Tat aufgerufen und darüber hinaus für Karsamstag zu einer bundesweiten Demonstration aufgerufen habe. Das hätten die zuständigen Ermittler am Mittwoch in Heidelberg und Mannheim mitgeteilt. Die Anwältin hatte in einer Erklärung auf ihrer Webseite vom Mittwoch auf das „Recht zum Widerstand wegen Demonstrationsverbot“ hingewiesen.
Sie hatte darauf aufmerksam gemacht, dass wegen des Verbotes der Versammlung von mehr als zwei Personen im öffentlichen Raum untersagt sei, gegen diese Beseitigung der verfassungsmäßigen Ordnung zu demonstrieren. „Dies ist ebenfalls ein unerhörter und unfassbarer Eingriff in das verfassungsrechtliche Grundrecht der Versammlungsfreiheit des Art. 8 GG (Grundgesetz – Anm. d. Red.)!“, stellte sie fest.

[…] betonte, „alle Deutschen (nach dem Wortlaut des Grundgesetzes leider nur die Deutschen)“ hätten in dem Fall das Recht zum Widerstand nach Art. 20 Abs. 4 GG. […]

Die Anwältin weiter: „Recht zum Widerstand bedeutet zunächst, dass sich ab sofort kein Bürger in Deutschland mehr an diese Verbote halten muss, da sämtliche Corona-Verordnungen aller 16 Bundesländer wegen ihrer eklatanten Verfassungswidrigkeit unwirksam sind.“

Das gibt schon der Wortlaut nicht her.

Da steht nicht, dass man Widerstand gegen Verwaltungsakte leisten darf, die man für rechtswidrig hält, sondern nur gegen jeden, der die ganze Rechtsordnung abschaffen will.

Erstaunlich, dass die als Rechtsanwältin andere Leute beraten und vertreten darf.

Seltsame Leute gibt es da.