Ansichten eines Informatikers

Ballett, Oper, Pornos

Hadmut
17.3.2020 15:20

Jemand Bedarf?

Die Wiener Staatsoper bietet als Ausgleich für die Corona-Schließung täglich um 17 und 19 Uhr „Livestreamings” (die nicht live, sondern ältere Aufzeichnungen sind) unter https://www.staatsoperlive.com/ an.

Nordrhein-Westfalen dagegen will deutschsprachige Pornoseiten sperren, den sogenannten „Cock-Block”, und es gerüchtet, dass das gerade damit zusammenhängt und begründet wird, dass die lieben Kinderchen wegen Corona alle zuhause rumsitzen und Pornos gucken (obwohl es eignetlich schon immer so war, dass es auf dem Schulhof mehr Pornos als zuhause gab). Und jetzt nutzt man eben die Gelegenheit, die Gunst der Stunde, um mal wieder Netzsperren durchzusetzen.

Dabei will NRW gezielt deutschsprachige Pornos sperren lassen, weil die sich an das deutsche Publikum richteten. Mal abgesehen davon, dass mir bisher bei Pornos der Zusammenhang mit einer bestimmten Sprache jetzt nicht so aufgefallen wäre, und wir ja divers und weltoffen sein wollten, dürfte das schlicht verfassungswidrig sein, weil niemand wegen seiner Sprache benachteiligt werden darf (Art. 3 GG), weder als Darsteller noch als Konsument.

Falls die Plattformen dieser Aufforderung nicht nachkommen, und auch der Host, also der Serverbetreiber die Seiten nicht für deutsche Kunden unzugänglich machen will, kündigt Tobias Schmid an, sich direkt an Internetanbieter wie Telekom oder Vodafone zu wenden, um eine Sperrung durchzusetzen. Ein drastischer Schritt für die Durchsetzung von Jugendschutzgesetzen. In der Regel wehren sich Internetanbieter massiv gegen solche Zensurvorhaben. Bisher gelang eine solche Sperrung einer ganzen Plattform nur in wenigen Fällen. Zum Beispiel bei der Streamingplattform Kinox.to oder Boerse.to, einem Forum, auf dem Mitglieder illegal beschaffte Software tauschen konnten.[…]

Nur deutsche Pornos sind ein Problem

Aber auch für die Betreiber:innen könnte es ein Schlupfloch geben. Wenn eine Seite nicht mehr in deutscher Übersetzung existiert und nicht mehr über eine „.de“-Adresse erreichbar ist, dann ist sie nicht mehr auf den deutschen Markt ausgerichtet. Damit wird sie für die Landesmedienanstalten uninteressant.

Trotzdem könnte die stringente Durchsetzung des Jugendschutzes im Internet weitreichende Folgen haben. Denn die vier Unternehmen, gegen die Landesmedienanstalt NRW derzeit vorgeht, sind möglicherweise erst der Anfang.

Es sieht so aus, als erprobe die Behörde gerade das Regulierungsverfahren, um es danach möglicherweise auf noch mehr Unternehmen anzuwenden.

Da bin ich mal schon auf rein technischer Ebene sehr gespannt, wie sie das machen wollen.

Bestimmte IP-Adressen kann man nämlich nicht mehr sperren, seit die alle in den Clouds hocken und die Firmen ständig ihre IP-Adressen aus demselben Bereich ständig untereinander tauschen oder gleich über irgendwelche Proxies oder Content-Delivery-Netze gehen. Kann leicht sein, dass seriöse Tageszeitungen und Pornoseiten per IP-Adressen nicht mehr voneinander zu unterscheiden sind.

Per DNS wird das auch schwierig, weil die Browser inzwischen teilweise DNS over HTTPS verwenden. Da geht das Sperren in Deutschland nicht mehr.

Nach Inhalt wird auch nicht gehen, läuft inzwischen alles über HTTPS.

Da bin ich wirklich sehr gespannt, wie sie das machen wollen.

Grundsätzlich aber sollte man sich diskriminiert fühlen und entsprechend beschweren, weil von der Sperre türkischer, arabischer, chinesicher Pornos keine Rede ist.