Ansichten eines Informatikers

Star Trek Picard

Hadmut
7.3.2020 15:01

Leser fragen – najaaa….

Leser fragen, was ich bis jetzt von Star Trek Picard halten würde, weil ich schon länger nichts mehr geschrieben habe. Ob ich enttäuscht wäre…

Nöh.

Enttäuscht bin ich keineswegs.

Ich bin mir nur gerade nicht ganz klar, wo das Ding hinläuft, und neige dazu, den Kommentar erst nach und nicht schon während der Sendung (außer bei Talkshows) abzulassen. Und weil das ja nicht mehr wie früher einzelne, abgeschlossene Episoden sind, sondern ein Handlungsstrang über 10 (ich dachte erst, es sind acht, und dachte mir, dass sie sich jetzt aber sputen müssen, aber es sind 10 Folgen mit einem Doppelfolgen-Finale) Folgen.

Und dass ich gerade nichts dazu sage, ist eher ein gutes Zeichen. Während eines spannenden Filmes redet man nicht, während eines langweiligen schon.

Ich hatte anfangs mal geschrieben, dass ich das gemächliche Erzähltempo eigentlich mal ganz angenehm finde, weil man sich an diesem ständigen Krach-Bumm-Bäng auch sattgesehen hat. Zumal das zur Rolle und zum Alter Picards auch nicht passen würde.

Ich nehme gerade positiv wahr, dass die Serie nicht wie manche andere spektakulär anfängt und dann immer flacher vor sich hinblubbert, sondern dass sie, trotz unterschiedlicher Regisseure und Drehbuchautoren, zunehmend Fahrt aufnehmen.

Ich habe zwar auch gemerkt, dass sie da etliche Dehnfugen drin haben, so sind etwa die Auftritte von Seven of Nine oder der Besuch bei Troi/Riker, oder auch das Einsammeln von Elnor, eigentlich Dehnfolgen, die die Kernhandlung nicht ernstlich tragen. Das macht aber nichts, weil das ja im wirklichen Leben auch nicht anders ist. Wenn man da jede Woche ein Folge sieht und da auch mal Nebenschauplätze betrachtet werden, ist man da vielleicht in einem realistischeren Zeitablauf. In einem Zeitablauf, in dem die Handlung so vielleicht sogar spielen könnte. Ich bin mir da nämlich nicht so ganz sicher, welcher Zeitraum da eigentlich dargestellt wird. Was vielleicht damit zusammenhängt, dass ich beim Reisen mit Überlichtgeschwindigkeit nachlässig war und nicht auf dem neuesten Wissensstand bin. Aber sonst passiert ja immer gerne enorm viel Zeugs in den 90 Minuten eines Kinofilms oder einer Tatort-Folge.

Aber ich finde es eigentlich gut. Zumal Seven of Nine ja eine ziemlich gute Figur abgibt, während Troi und Riker schon merklich gealtert sind. Aber irgendwie merkt man da auch den „parasozialen Effekt”, es ist, als ob man alte Bekannte nach Jahren wieder trifft.

Übrigens fällt mir auch immer wieder auf, dass die Serie „billig” gedreht wurde. Ganz viel Zeugs und Ausstattung des 21. Jahrhunderts (sprich: Normaler Kram von heute), öfters mal stehen einfach 3D-Drucker aus dem Baumarkt als Replikatoren im Bild, die Szenen im Hauptquartier wurden im praktisch unveränderten Convention Center in LA Anaheim gedreht. Die haben im wesentlichen heutige Kleidung an. Und die Maske beschränkt sich meist auf Romulaner-Ohren und -augenbrauen, Narben und ein paar simple Borg-Anbauteile.

Auch das gefällt mir eigentlich ganz gut, weil der Schwerpunkt auf der Story und nicht irgendwelchem CGI-Gehampel liegt. Ich fand beispielsweise auch die ganz alten Star Wars-Filme, in denen man die Kulissen noch von Hand gebaut hat, deutlich besser als die zweite Staffel mit ihrem übertriebenen und nicht ganz ausgereiften CGI-Käse.

Deshalb gefällt mir auch, dass die da nicht ständig in Hektik herumspringen, sondern auch einfach mal sitzen und sich unterhalten. Man muss sich halt Zeit nehmen.

Positiv aufgefallen ist mir die Zusammenstellung der Charaktere und ihrer Besetzungen.

Man hat darauf geachtet, schon Chakterköpfe zu nehmen, da sind keine 08/15-Schauspieler dabei. Eigentlich gefallen mir die alle ziemlich gut. Besonders Raffi, Narissa. Auch Narek finde ich hervorragend besetzt. Anfangs etwas farblos fand ich Agnes Jurati und Elnor. Jurati kam anfangs wie überfordert rüber und Elnor schlicht überflüssig und im falschen Film. Bei beiden merkt man aber, dass die mit dem Prinzip wachsen, dass die Handlung zu- und nicht abnimmt. Die werden aufgebaut und auf überraschende Weise wichtig und aktiv.

Es ist eben kein Action-Spektakel, sondern eigentlich eine mit den Mitteln einer Fernsehserie in der frei gestaltbaren und Phantasieoffenen Zukunft spielende Erzählung.

Und das gefällt mir gut.

Die Frage ist allerdings, ob sie die Story auch zum Ende hin gut hinbekommen.

Denn man ahnt inzwischen schon, worauf es hinausläuft und was das Geheimnis des Zhat Vash sein kann. Warum die das alles machen und warum sie so drauf aus sind, Dahj und Soji umzulegen.

Ich bekomme ja auch immer wieder mal Zuschriften mit Vermutungen und Gerüchten, worauf das alles hinausläuft. Und es scheint zu passen.

Heute schrieb mir einer etwas, was mir schon ein paar Mal durch den Kopf ging und ich neulich schon in einer Unterhaltung mit anderen mal diskutiert hatte: Es hat verblüffende Ähnlichkeit mit „Auf der Suche nach Spock”. Oder „Bobby Ewing unter der Dusche”. Man hat eine zentrale Hauptfigur der Geschichte aus dramaturgischen Gründen tot- und damit rausgeschrieben, und hinterher braucht man sie dann eigentlich doch nochmal. Insofern könnte das alles vielleicht auch „Auf der Suche nach Data” sein. Bei Spock war es eben dieser Geist-Übertragung-Griff zu Pille, nun die Fähigkeiten von Bruce Maddox, aus einzelnen Positronen im Prinzip den ganzen Data zu extrahieren, um die Dramaturgie vom Identitäts-Backup, das man wieder einspielen kann, zu singen.

Man wird sehen.

Aber bisher gefällt’s mir ziemlich gut.

Ob’s mir sehr gut gefällt, wird von den letzten Folgen abhängen.

Anderes Fernsehen

Ich weiß aber auch, dass es Leute gibt, denen es nicht gefällt, denen es zu langsam, zu langweilig ist. Die Geschmäcker sind verschieden.

Ich habe aber auch gelesen, dass inzwischen viele Schauspieler, selbst A-prominente (denen es auf Geld eh nicht mehr ankommt, weil sie bergeweise davon haben) etwas tun, was man früher als Absturz oder Abstieg betrachtet hätte: Den Wechsel vom Kinofilm zur Fernsehserie.

Das wäre früher als enorme Degradierung angesehen worden. Einige Schauspieler sagen aber, dass ihnen das hohe Erzähltempo heutiger Kinofilme (vergleicht mal die alten Hitchcocks) auf die Nerven geht und zwar das Konto füllt, aber keinen Spaß macht. Dass sie sich lieber Zeit nehmen, um in einer Serie etwas erzählen zu können. Und dass das eben geht, weil man nicht mehr wie früher Sitcoms oder abgeschlossene Handlungen in jeder Folge hat, deren Reihenfolge eigentlich egal ist (vgl. die alten Krimiserien), sondern eine Story über eine oder mehrere Staffeln scheibchenweise erzählt.

Und das geht wiederum nur, weil man heute eben nicht mehr nur Fernsehen guckt, sondern Streaming hat. Man kann Folgen nicht verpassen.

Mir ist noch etwas anderes aufgefallen.

Viele Journalisten sagen, dass sie den Umstieg von Papier auf Webseiten in einer bestimmten Hinsicht als sehr entspannend und befreiend empfinden: Die Länge ist nicht vorgegeben. Früher mussten sie exakt eine Seite oder Spalte schreiben und dazu abschneiden, weglassen oder auffüllen, plustern. Oft sogar einzelne Wörter, damit es passt. Bei Webseiten ist das egal, da schreiben sie einfach, wie es ihnen gefällt. Auf einen Absatz mehr oder weniger kommt es nicht an.

Derselbe Effekt liegt auch hier vor: Die Folgen sind unterschiedlich lang. Sie sind bisher zwischen 43 und 59 Minuten lang. Weil die nicht zu einem festen Sendplatz im Fernsehen kommen müssen. Es spielt technisch keine Rolle mehr, ob die kürzer oder länger sind oder in ein festes Raster passen.

Und das hebt die Qualität. Die müssen nicht mehr Füllszenen aufplustern, damit sie auf die nötige Länge kommen, oder hetzen und weglassen, weil sie zu lang sind. Buchkapitel sind ja auch nicht alle gleich lang.

Sie haben die Freiheit, die Länge der Folgen zu variieren und müssen nichts hinzufügen oder weglassen.

Und das hebt die Qualität.