Ansichten eines Informatikers

Bismarck und Danisch

Hadmut
7.12.2019 1:32

Ein Leser meint, ein zentrales inhaltliches Element meines Blogs gleiche dem Standpunkt des Fürsten von Bismarck.

Nämlich der, dass die Linken zwar alles kaputtschlagen wollen, aber selbst nicht wissen und nicht sagen sollen, wie die angestrebte Gesellschaft eigentlich aussehen und funktionieren soll.

Dazu verweist der Leser auf die Rede Bismarcks über das Sozialistengesetz von 1878:

Sobald uns von sozialdemokratischer Seite irgend ein positiver Vorschlag entgegen träte oder vorläge, wie sie in vernünftiger Weise die Zukunft gestalten wollen, um das Schicksal der Arbeiter zu verbessern, so würde ich wenigstens mich einer wohlwollenden entgegenkommenden Prüfung der Sache nicht entziehen und würde selbst vor dem Gedanken der Staatshilfe nicht zurückschrecken, um den Leuten zu helfen, die sich selbst helfen.

Seit elf Jahren haben wir den Vorzug, mit Sozialdemokraten gemeinschaftlich zu tagen – mein Gedächtniß läßt mich vielleicht im Stiche, aber ich appellire an das eines jeden andern, ist Ihnen bei den langen Reden auch nur eine einzige in Erinnerung, wo auch der leiseste Schatten eines positiven Gedankens, eines Vorschlags über das, was künftig werden soll, nachdem sie das Bestehende in Bresche gelegt haben – ist Ihnen etwas derartiges erinnerlich? Ich wäre dankbar, darauf aufmerksam gemacht zu werden. Ich kenne Nichts der Art und ich glaube auch den Grund zu wissen, warum die Herren darüber, wie sie die Welt künftig gestalten wollen, wenn sie die Herren wären, sorgfältig schweigen: sie wissen es nicht, sie wissen in dieser Beziehung Nichts, sie haben auch den Stein der Weisen nicht. Sie können die Versprechungen niemals halten, mit denen sie jetzt die Leute verführen.

Daß die Herren nun mit den dunkeln Versprechungen, denen sie nie eine ausgeprägte Form geben, Anklang gefunden gaben, ja das ist ja bei dem, der überhaupt nicht mit seiner Lage zufrieden ist, namentlich wenn er seine Unzufriedenheit mit der germanischen Energie empfindet und geltend macht, nicht so außerordentlich schwer. Wenn sie den Leuten, die zwar lesen können, aber nicht das Gelesene beurtheilen – und die Fähigkeit des Lesens ist bei uns viel verbreiteter, wie in Frankreich und England; die Fähigkeit des praktischen Urtheils über das Gelesene vielleicht minder verbreitet als in den beiden Ländern, – wenn sie den Leuten glänzende Versprechungen machen, dabei in Hohn und Spott, in Bild und Wort Alles, was ihnen bisher heilig gewesen ist, als einen Zopf, eine Lüge darstellen, alles das, was unsere Väter und uns unter dem Motto: „Mit Gott für König und Vaterland“ begeistert und geführt hat, als eine hohle Redensart, als einen Schwindel dargestellt zu sehen, ihnen den Glauben an Gott, den Glauben an unser Königthum, die Anhänglichkeit an das Vaterland, den Glauben an die Familienverhältnisse, an den Besitz, an die Vererbung dessen, was sie erwerben für ihre Kinder, ihnen alles das nehmen, so ist es doch nicht allzu schwer, einen Menschen von geringem Bildungsgrad dahin zu führen, daß er schließlich spricht: „Fluch sei der Hoffnung, Fluch dem Glauben und Fluch vor Allem der Geduld!“ Ein so geistig verarmter und nackt ausgezogener Mensch, was bleibt denn dem übrig, als eine wilde Jagd nach sinnlichen Genüssen, die allein ihn noch mit diesem Leben versöhnen können? […]

Ja, dem war auch schon aufgefallen, dass Linke Hass schüren und Leute aufwiegeln, aber nicht wissen, wohin es eigentlich gehen soll.

Wie konnte es soweit kommen?

Wie kommt es, daß die Sozialdemokratie gerade im Deutschen Reiche eine so große Macht erlangt hat? Bis zum Jahre 1870 war Frankreich das eigentliche Versuchsfeld für ihre Bestrebungen. Die französische Regierung warf sie jedoch nieder. Sie sah sich nunmehr in Europa um, wo sie ihre Zelte, die sie abbrach, aufschlagen könne.

„Die Leiter sahen sich um in Europa, wo sie nun den Hebel anlegen könnten; daß ihnen da Deutschland in erster Linie einfiel, dorthin die Agitation zu verlegen, das wundert mich gar nicht. Ein Land mit so milden Gesetzen, mit so gutmüthigen Richtern, ein Land mit hervorragender Freude an der Kritik[6], namentlich wenn sie die Regierung betrifft, ein Land, in dem der Angriff auf einen Minister, das Tadeln eines Ministers noch heut für eine That gilt, – ein Land, wo die Anerkennung für irgend etwas, was die Regierung thut, gleich in den Verdacht des Servilismus[7] bringt, ein Land, in dem die Operationsbasen[8] des Sozialismus, die großen Städte, durch die fortschrittliche Bearbeitung sehr sorgfältig vorbereitet waren, wo die Diskreditirung[9] der Behörden und der Institutionen durch die fortschrittliche Agitation bereits einen sehr hohen Grad erreicht hatte, das hatte sein Anziehendes.

Der Deutsche hat an und für sich eine starke Neigung zur Unzufriedenheit. Ich weiß nicht, wer von uns einen zufriedenen Landsmann kennt. […]

Vergleichen Sie damit den Deutschen; dessen Ehrgeiz ist von Hause aus nicht auf eine nach dem 50. Jahre zu genießende mäßige Rente gerichtet, – sein Ehrgeiz ist schrankenlos. Der Bäcker, der sich etablirt[10], will nicht etwa der wohlhabendste Bäcker in seinem Ort werden, nein, er will Hausbesitzer, Rentier, er will nach seinem größeren Berliner Ideal schließlich Bankier, Millionär werden. Sein Ehrgeiz hat keine Grenze. Es ist das eine Eigenschaft, die ihre sehr guten Seiten hat, es ist die deutsche Strebsamkeit, sie steckt sich ihr Ziel niemals zu kurz, – aber sie hat auch für die Zufriedenheit im Staat ihr sehr Bedenkliches, namentlich unter den unteren Beamtenklassen. Wo ist der Beamte, der in der Erziehung seiner Kinder nicht eine Stufe höher hinaufsteigen will, als die, die er selbst gehabt hat? Und die Folgen dieser Unzufriedenheit sind, daß ein großer Theil unserer Subalternbeamten von der sozialistischen Krankheit angesteckt ist.

Dann beschreibt er pointiert, warum die Leute alle in die Stadt wollen (weil da mehr los und das Leben bequemer und vornehmer ist) und das für Agitation anfällig macht.

Übrigens liest sich auch seine Meinung von der damaligen Billigpresse wie das heutige Geheul über die Social Media:

Die Leichtigkeit des Verkehrs auf den Bahnen, die Freizügigkeit, – alles dies zieht die in den größeren Städten durch Vergnügungen festgehaltene Bevölkerung an sie, und dies hat der Agitation großen Vorschub geleistet. Noch viel stärker wurde dies, wie wir das neue Preßgesetz schufen, dieses schaffte plötzlich vor allen Dingen die Caution ab, es schaffte [335] den Stempel ab. Bis dahin war ein gewisses Kapital und mit dem Kapital vielleicht ein gewisses Maß von Bildung vorhanden und erforderlich, um eine Zeitung ins Leben zu rufen; heutzutage kann man mit 100–150 Mark dem Unternehmen näher treten, und nach Bildung ist ja gar kein Bedürfniß, man braucht bloß abzuschreiben, was einem geliefert wird, und das bekommt man von der Agitation geliefert, was gedruckt werden soll, und solche Blätter, die einmal in der Woche erscheinen, und die der Betheiligte, der sie empfängt, der Arbeiter auf dem Lande oder in der kleinen Stadt, um so länger liest und um so mehr zirkuliren läßt und sich um so deutlicher einprägt, was darin steht – der Mann liest kein zweites Blatt; ich weiß nicht, wie die wohlfeilsten Abonnements sind, sie werden 20 Silbergroschen nicht übersteigen; ich weiß nur, daß die Gefälligkeit der Kaiserlichen Post sie zu einem Porto von 4 Silbergroschen das ganze Jahr lang viel Hundert Meilen weit durch das ganze Land fährt, so weit sie gehen wollen – die Facilität[13] des Verkehrs, dieser Appell an den gemeinen Mann und seine gefährlichsten Instinkte, waren früher nicht so leicht, die ist durch unser Preßgesetz außerordentlich gestiegen; sie ist gleichzeitig gestiegen durch die außerordentliche Milde unseres Strafgesetzes, und wenn wir sie bis zu so schweren Verbrechen sich aufschwingen gesehen haben, wie geschehen, so trägt dazu auch nicht unwesentlich bei, daß der Glaube an die Vollstreckung einer erkannten Todesstrafe geschwunden ist. Wird der Mörder nicht hingerichtet, was steht ihm dann bevor? Gefängniß. Die Hoffnung bleibt ihm, daß ein gelungener Putsch seiner politischen Freunde ihn freimachen kann und ihn aus einem Sträfling zu einem Helden der Partei stempelt; es schwebt ihm auch die dunkle Hoffnung auf eine Amnestie vor, daß man beim Regierungswechsel oder sonst eine Anzahl Menschen, über deren Unschädlichmachung man sonst froh ist, wieder auf die Gesellschaft loslassen werde. Das ist meines Erachtens eines der mächtigsten Motive, welches auf die Verwegenheit des Verbrechers einen ganz wesentlichen Einfluß hat, und ich bin Sr. Majestät und Sr. Kaiserlichen Hoheit außerordentlich dankbar, daß wir an Hödel endlich ein Beispiel gesehen haben, daß die Obrigkeit das Schwert noch zu handhaben versteht.

Damals war man so weit fortgeschritten, dass man mit 100-150 Mark und ohne Bildung eine Zeitung herausgeben und die Leute aufwiegeln konnte. Im Prinzip dieselbe Schelte wie heute über Social Media, nur andersherum. Damals war es gegen Linke, heute sind es die Linken. Und so weiter:

Um das öffentliche Vertrauen zu heben, glaube ich, daß es nothwendig ist für den Staat, die Macht der Agitatoren zu brechen. Es ist ja heutzutage die Stellung eines sozialistischen Agitators ein ausgebildeter Gewerbszweig wie jeder andere; man wird Agitator, Volksredner, wie man früher Schmied oder Zimmermann wurde, man ergreift dieses Gewerbe und steht sich dabei unter Umständen sehr viel besser, als wenn man bei dem ursprünglichen geblieben wäre, hat ein angenehmes und freies, vielleicht auch angesehenes Leben in gewissen Kreisen. Aber das hindert nicht, daß wir gegen die Herren, die diese Gewerbthätigkeit ergriffen haben, uns im Stande der Nothwehr befinden, und je zeitiger wir diese Nothwehr eintreten lassen, mit desto weniger Schaden für die Freiheit der Uebrigen und für die Sicherheit und den inneren Frieden werden wir, glaube ich, damit zu Ende kommen.

Liest sich wie der gerade beschlossene neue Medienstaatsvertrag. Und wie unsere Minister:

Diese Gefahren sind mir nicht neu. Meine Stellung und meine Erlebnisse bringen mich dazu, gefährliche Blätter mit mehr Aufmerksamkeit zu lesen, als es von Seiten der meisten hier Anwesenden der Fall sein mag, und wer die sozialistische Presse in den letzten Jahren hier verfolgt hat, der mußte ja doch die Gewaltthat, den Mord, den Königsmord, die Abschaffung des Königsthums zwischen den Zeilen durchblicken sehen in so mancher Nummer, und so entgeistet in der Beurtheilung solcher Sachen, wie unser Strafrichter das zum Theil auffaßt, so buchstäblich ist der Leser dieser Zeitung nicht, der hat ein feineres Verständniß wie der Strafrichter für diese Nuancen[14], der weiß, was die Presse sagen will, wenn auch der Strafrichter das nicht zugibt.

Brüller:

Können die Regierungen zur Bekämpfung der Sozialdemokratie auf die Unterstützung des Reichstags rechnen?

Ja, das hat was.

Man sollte mal drüber nachdenken, was daraus dann wurde, und dass wir heute nicht nur der Weimarer Republik ähneln, sondern offenbar auch der Zeit um Bismarck herum.

Es wiederholt sich alles, aber niemand hat etwas gelernt, versucht die Wiederholung zu verhindern.

Wie ich auch schon geschrieben habe: Es ist, also wollte man die Zeit ab 1918 noch einmal mit anderem Ausgang nachspielen.

Es wird nicht lange dauern, dann werden sie als Vorspiel und Einleitung den ersten Weltkrieg neu auflegen.