Ansichten eines Informatikers

Amateurretter und freiwillige Feuerwehrleute

Hadmut
11.7.2019 23:51

Geht mir gerade so durch den Kopf.

Es ist ja ein bekanntes Phänomen, dass Feuerwehrmänner selbst zu Brandstiftern werden, um sich dann als Retter oder Brandbekämpfer beweisen zu können. Hatten sie nicht gerade bei einem der Waldbrände einen jungen Feuerwehrmann festgenommen, weil er den Brand gelegt hatte?

Es ist ein ziemlich kritisches Problem, dass Leute da oft über Jahre und gerade bei den Freiwilligen in einem sozialen festen Umfeld trainieren und dann oft nur selten dazu kommen das auch mal einzusetzen. In dem Kaff, in dem ich mal gewohnt habe (da gab’s früher weder eine Verkehrsampel noch einen Aufzug im ganzen Kaff.) gab es natürlich eine freiwillige Feuerwehr, auch ziemlich gut und trainiert, die hatten auch immer wieder Notfälle und andere Einsätze, aber nie Brände. Die haben bei Unfällen Autos auseinandergeschnitten, Leichen aus dem Rhein geholt, Autos geborgen, die von der Landstraße gefallen sind und all so Zeugs, nur gebrannt hat es einfach nie. Also zumindest nicht versehentlich. Einmal im Jahr haben wir von den Pfadfindern die heilige Aufgabe erfüllt, für den St. Martins-Umzug das Feuer anzuzünden (was gar nicht so einfach war, weil Holzfeuer nicht lange schön lodern, man sie also nicht vorher anzünden und brennen lassen konnte, die Vorwarnzeit, wenn die am Ende der Straße um die Ecke kamen aber zu kurz war, um das Feuer in Ganz zu kriegen. Die Methode war deshalb, den Holzhaufen dann schnell mit einem 5-Liter-Kanister Benzin zu überschütten und ein Streichholz reinzuwerfen, das ging dann so heftig los und hatte so einen verpuffenden Druckwelleneffekt, dass einem noch in einiger Entfernung Druck und Hitze ins Gesicht wummerten. Dann kamen die Kinder und haben gefeiert. Und dann hat’s die Feuerwehr wieder gelöscht. Und aufgepasst, dass nichts „anbrennt”. Das war so über Jahre deren Routine, und das war durchaus ein Problem, weil sich da manche schon komisch vorkamen. Irgendwann gab’s dann den ganz großen Einsatz, als der Reithof so richtig groß brannte. Da konnten sie dann endlich mal zeigen, was sie konnten.

Jahre später habe ich mich dann woanders beim Tag der offenen Tür mal mit einem Feuerwehrmann über brandstiftende Feuerwehrleute unterhalten, und der sagte mir, dass es das zwar beängstigend häufig gäbe, aber nur bei der Freiwilligen Feuerwehr. Weil die das irgendwie so auf die Hobby-Schiene brächten. Bei Berufsfeuerwehrleuten gäbe es das nicht (sagte der, ich glaub’s nicht so ganz), weil die sowieso den ganzen Tag so ausgelastet sind, dass die keine zusätzlichen Probleme bräuchten. Weil’s Berufsfeuerwehrleute auch nur da gäbe, wo sie wirklich häufig im Einsatz sind. Die warteten nicht wie freiwillige Feuerwehren mit Üben auf einen Einsatz.

Das ist jetzt heikel, weil ich sicherlich böse Zuschriften bekomme. Als ich gerade zu Frauen bei der Feuerwehr erwähnte, dass man Feuerwehrleuten eigentlich danken statt sie zu beschuldigen sollte, weil sie für kleines Gehalt ihr Leben riskieren um andere zu retten, bekam ich Zuschriften, dass das nicht fair sei, weil es viel mehr freiwillige als berufliche Feuerwehrleute gäbe und die gar nichts bekämen, nur aus Idealismus da wären. Tut mir leid, das habe ich so nicht gemeint, hiermit anerkannt.

Das ändert aber nichts daran, dass freiwillige Feuerwehren häufig üben und vergleichsweise wenig echte Einsätze haben, da also schon so ein gewisser Druck entsteht, das doch irgendwann mal anwenden und den Helden geben zu können.

Wobei der Effekt auch bei der Berufsfeuerwehr zu beobachten ist. Als ich mal bei der Münchner Feuerwehr das Museum besucht und mich dort mit welchen unterhalten habe, sagten die mir, dass die alten erfahrenen Feuerwehrleute ganz wichtig sind, auch wenn die vielleicht nicht mehr so fit sind und nicht mehr an vorderster Front kämpfen, weil die Ruhe in den Laden bringen. Junge Leute würden gerne überstürzt zum Einsatzort brettern und sich und andere dadurch gefährden. Sie hätten bei manchen Wachen mal die Praxis gehabt, dass das Tor zur Ausfahrt vom Gelände erst geöffnet wird, wenn der ganze Löschzug aus der Halle und abfahrtbereit war, damit die nicht vorzeitig losbrettern, weil sie so geladen sind, dass die gar nicht mehr daran denken, mit den anderen zusammenzubleiben.

Wir kamen darauf, weil ich in Australien (oder Neuseeland, weiß nicht mehr genau) einen Einsatz bei einem Fehlalarm gesehen hatte, bei dem die junge Mannschaft mit viel Getrabbel und etwas Durcheinander angetreten war, um die (vermeintlich) brennende Klimaanlage hoch oben auf dem Dach zu löschen und irgendwelche Menschen zu retten, während der Fahrer der Drehleiter so ein ganz alter, etwas dicker mit barockem Schnäuzer war, der da in aller Ruhe ganz gemütlich seine Drehleiter aufbaute und oben ans Dach anlegte, sein Werk betrachtete, damit zufrieden war, sich dann in Ruhe aus einem Fach seine Feuerwehrhose holte und sich dann erst mal ganz in Ruhe die Hosen anzog – und trotzdem vor den Jungen fertig und einsatzbereit war. Ihr könnt jetzt rauf und so. Der von der Münchner Feuerwehr sagte mir dazu, man könne das gar nicht ermessen, wie gut und wichtig es sei, solche Leute dabei zu haben. Das seien die, die die Jungen vor Dummheiten und Einsatzdrang bewahrten und Ruhe reinbringen.

Was mich daran erinnerte, dass mir ein Institutskollege an der Uni, der statt Wehrdienst Rettungswagen gefahren war, erzählte, dass dort jeder schon mal einen Satz Blaulichter habe bezahlen müssen. Weil man anfangs so voll Adrenalin gewesen sei, und so eilig mit Blaulicht zur Rettung rausfahren wollte, dass man nicht warten konnte, bis das Rolltor ganz oben war und die kleine Ampel von rot auf grün gesprungen ist. Da ist jeder mal vorzeitig losgebrettert, hat die Höhe des Rettungswagens samt Blaulichtern unterschätzt und sich die am Rolltor abgerissen.

Irgendwer sagte mir auch mal, ich glaube, es war derselbe Kollege, dass Rettungswägen nicht etwa, wie man meinen sollte, hochmotorisiert und schnell seien, sondern im Gegenteil den kleinsten angebotenen Motor hätten, und selbst der mitunter noch gedrosselt werde, damit die Leute sich im Blaulichtstress und Rettungswahn nicht selbst das Hirn einrennen.

Das ist … menschlich.

Das ist halt so.

Man bekämpft es, indem man eben die alten, ruhigen vorne fahren lässt oder die Leute eben durch geschlossene Ausfahrttüren zwingt, etwas zu warten, um runterzukommen.

Männer neigen zwar aufgrund des Adrenalins und anderer Eigenheiten dazu, aus dramatischen Notfällen körperlich zu retten, während Frauen eher zu emotionalen Rettungen neigen, also eher so Sorgentelefon und Suizid ausreden, aber mir geht gerade die Frage durch den Kopf, ob diese Mittelmeerretter nicht vielleicht genau diesem Effekt erlegen sind, ob die nicht wie ein brandstiftender Feuerwehrmann selbst daran mitwirken, die Leute in „Seenot” zu bringen, um sie dann daraus retten zu können.

Denn sie sind ja Freiwillige und keine Berufsretter.