Ansichten eines Informatikers

Australien und Neuseeland

Hadmut
1.5.2019 12:58

So richtige Demokratien sind sie dann halt auch wieder nicht.

Ich habe das schon gesagt, dass mir Australien und Neuseeland als Länder unheimlich gut gefallen (sonst würde ich ja nicht hinreisen).

Aber auch, dass man das immer wieder mal merkt, dass die Demokratie bei denen nicht so ausentwickelt ist.

Das hat meines Erachtens und nach meinem auf Tourismus beschränkten Wissensstand vor allem drei, vier Gründe:

  • Die haben nicht viel Geschichte. Außer den jeweiligen Ureinwohnern, die in reinen Stammesgesellschaften wohnten, ist da einfach noch nicht viel passiert. Die Besiedlung durch Europäer und Amerikaner (die mit der Demokratie und so) erfolgt ja erst seit 250 Jahren.
  • Die waren die letzten 250 Jahre mit Aufbau beschäftigt. Die hatten was anderes zu tun.
  • Die hatten soviel Platz, dass sie sich nicht aus dem Weg gehen mussten, sondern da jeder irgendwo „sein Ding” machen konnte. Die hatten keinen Kompromiss- oder Einigungsdruck.
  • Sie sind formal keine Demokratien, sondern immer noch Königreiche und Kolonien. Staatsoberhaupt ist die Queen.

Politik wird da nicht allzu ernst genommen, und sie haben deshalb auch keine ernstlichen Grundrechte oder Bezug dazu.

Über das Attentat von Christchurch haben die Medien dort einen Kodex vereinbart.

Sender und Zeitungen veröffentlichten eine Selbstverpflichtung. Demnach wollen sie dem 28-jährigen Täter aus Australien keine Plattform für Rassismus bieten.
Dafür soll die Berichterstattung über Äußerungen begrenzt werden, die ideologische Theorien einer Überlegenheit der weißen Bevölkerung verteidigen oder terroristisches Gedankengut befördern. Die Erklärung wird unter anderem von Radio New Zealand, verschiedenen Zeitungshäusern und dem Online-Portal Stuff getragen.

Hier nochmal auf Englisch.

New Zealand media organisations have taken the unprecedented step of agreeing to limit their reporting of the trial of the man accused of the Christchurch mosque massacre in an attempt to contain the dissemination of his white supremacist beliefs.

Auch wenn es Selbstzensur ist, es ist die Einführung von Zensur. Oder besser gesagt, eines neuen Ausmaßes von Zensur, denn Zensur gibt es in Australien und Neuseeland eigentlich schon. Dass Besitz und Verbreitung des Attentatsvideos dort strafbar ist, liegt daran, dass es von einem als unzulässig eingestuft wurde, der ganz offiziell als Dienstbezeichnung „Chief Censor” hat:

The Office of Film & Literature Classification has said it banned the Christchurch terrorist attack livestream because it was “clearly intended to record, share and glorify the acts of extreme violence and cruelty”.

Chief Censor David Shanks officially banned the 16-minute and 55-second video last week, labelling it as “objectionable”.

“The video promotes and supports the infliction of extreme violence and cruelty,” the decision summary said.

Das war noch in gewisser Weise nachvollziehbar, auch bei uns gibt es ja Inhalte, deren Besitz, Weitergabe oder Anfertigung verboten ist. (Kinderpornographie, Aufnahmen aus fremden Wohn- und Intimbereichen usw.) Ton-, Bild- und Videoaufnahmen stehen immer in einem gewissen Konflikt mit Rechten des Einzelnen, der abgebildet wird.

Wenn aber nun aus einem Gerichtsverfahren nicht mehr berichtet wird, und man sich über die Anwendung von Gesetzen und Rechtsprechung keine substantiierte Meinung mehr bilden kann, dann wird das kritisch. Auch wenn man das aus deren Sicht vielleicht gar nicht muss, weil das Rechtssystem zumindest formal nicht das des Volkes, sondern das der Königin ist. Reicht eigentlich, wenn die damit einverstanden ist.

Aus Australien wird in dem Zusammenhang berichtet, dass ein Politiker gehen musste, weil er sich islamkritisch geäußert hatte:

Beide Länder sind souveräne Staaten. Sie können das tun, wie sie es für richtig halten.

Ich halte es allerdings nicht für ratsam. So, wie ich die Australier einschätze, wird es da viele geben, bei denen es dadurch erst richtig anfängt zu brodeln. Die sind zwar nach außen hin immer so ruhig, gelassen, unpolitisch, aber wenn man mit denen mal im Privaten spricht, haben die schon ihren Standpunkt und ihre Meinung.

Ich glaube nicht, dass man da irgendetwas einfangen oder verhindern kann, indem man nicht darüber redet.