Ansichten eines Informatikers

Marktsterben

Hadmut
10.4.2019 21:31

Die Camera & Imaging Products Association (CIPA) hat einen Report herausgegeben,

wonach der Kamera-Markt gerade so im Ganzen schlecht aussieht und baden geht.

Zentrale Aussage ist, dass es nicht, wie man bisher dachte, auf das Sensorformat ankommt, sondern einfach der Markt im Ganzen wegnudelt. Im Februar 2019 gab es 35% weniger Kameraverkäufe als im Februar 2018.

Beachtlich dabei, dass Nikon und Canon mit ihren neuen Kameras und neuen Objektivbajonetten – obschon technisch exzellent – da nicht viel ausrichten konnten und auch die Panasonic S nicht.

Ich merke das ja auch recht deutlich an mir selbst. Wie schon neulich erwähnt, ich laufe da durch die Kameraläden und Ausstellungen, und finde nichts mehr, was mich noch anspricht. Das einzige, was mich momentan noch wirklich interessiert, ist die Blackmagic Pocket Cinema 4K, und für die habe ich derzeit objektiv keine Verwendung und auch keine Zeit. Es gibt derzeit eigentlich nur zwei Kameras auf dem Markt, die ich für wirklich interessant halte, die GH5 und die GoPro 7 Black, und die habe ich.

Alle anderen sind zwar irgendwie toll, haben für mich aber alle irgendeine No-Go-Macke. Und weil ich erst mal gut ausgestattet bin, kaufe ich – außer Kleinkram – vorerst erst einmal gar nichts und gucke nur zu.

Die neue Panasonic S hatte ich neulich im Fotoladen mal in der Hand. Die ist toll. Die ist prima. Die ist gut. Schwer wie ein Ambos und teuer wie ein Auto. Wenn ich überhaupt sowas kaufen würde, würde ich eine Mittelformatkamera kaufen. Wenn schon groß, teuer, schwer, dann aber auch gleich richtig.

Canon … sagt mir gerade gar nichts.

Nikon … hat eine tolle Z6/Z7 mit dickem Konstruktionsfehler, über den auch viele Insider den Kopf schütteln, nur ein Kartenfach und noch ein paar andere Fehler (die mir allerdings nicht so klar sind). Obwohl eigentlich eine sehr gute Kamera, läuft sie nicht so doll. Nikon hatte erwartet, dass die Z7 der Runner wird, und die Z6 nur der Sparnagel (Z6 und Z7 sind äußerlich gleich, die Z7 hat die höhere Auflösung und kostet deutlich mehr, die Z6 ist bei Video etwas besser und angeblich durch die größeren Pixel weniger rauschanfällig), aber die Verkäufe sind bei Fifty-Fifty. Die Leute kaufen die billigere. Wobei mir ja im November in Neuseeland schon aufgefallen war, dass die Z7 und dann die Z6 gerade neu herausgekommen waren und schon in den Vitrinen rumstanden, hätte man direkt kaufen können, während bei der Blackmagic Wartelisten über mindestens 4 Monate bestanden (aber die nur ein Nischenprodukt ist).

Ein Problem ist, dass die gerade versuchen, fehlenden Umsatz durch steigende Marge reinzuholen, alle ins teurere Segment stürmen, aber die Leute einfach nicht ständig Geld rauswerfen wollen. Es gibt sehr viele Leute wie mich, die in den letzten Jahren einiges Geld in gute Objektive investiert haben und jetzt bitteschön etwas haben wollen, was an diese Objektive passt. Mir hat vor ein paar Tagen ein Vertreter von Fujifilm deren X-T3 angepriesen. Die ist super, die ist toll, die gewinnt alle Vergleiche. Aber ich müsste mir alle Objektive neu kaufen, die dort ebenso teuer sind, um dann doch nur eine Kamera mit APS-C-Sensor zu haben. Danke, aber danke nein. Es kotzt mich einfach an, dass die Hersteller ständig erwarten, dass man sich immer wieder mit neuen Objektiven eindeckt.

Und dann wundern die sich, dass ihnen der Markt wegbricht.

Ich hatte mir als Student eine Minolta und ein paar (billige!) Objektive für Minolta gekauft, fast nur Sigma. Optisch sehr mäßig, nicht digitaladäquat, mit Selbstzersetzung, aber dafür im billigen Bereich. Im Prinzip Schrott. Ein Original-Minolta 50mm geht nicht mehr, weil die Blendenrückholfeder verharzt ist und die Reparatur mehr kostet als das Objektiv. Aber wozu? Es gibt keine Kameras für das Bajonett mehr. Ich hab’s versäumt, den Rest wenigstens für Kleingeld auf eBay zu verkloppen, solange man überhaupt noch etwas dafür bekommen hat.

Dann habe ich die guten Nikon-Objektive gekauft, die sich auch gelohnt haben und die noch gut drauf sind, aber Nikon macht mich gerade nicht so glücklich.

Dann habe ich mir vom Nikon-1-System etwas gekauft, weil ich mal für einen Urlaub die wasserdichte haben wollte und es die beim Mediamarkt gerade zum Schleuderpreis gab, und ich dann noch eine 1J5 vom China-Billigversand zum halben Preis bekam, als kleine Taschenkamera. Ein Reinfall, die sind einfach nicht gut. Und das ganze Nikon-1-System inzwischen tot und abgekündigt, das lief nicht.

Mit der GH5 habe ich dann eine Micro-Four-Thirds-Kamera, und die macht mir richtig Spaß. Das ist gut, und mit dem Leica-Set-Objektiv, das es zur Kamera gab, habe ich schon mörderscharfe Fotos gemacht. Und es ist schön klein. Aber halt qualitativ nicht bei Vollformat. Egal. Das macht einen guten Eindruck. Bis auf den Umstand, dass Panasonic keinen Phasenautofocus einbaut.

Nur: Panasonic ist da gerade unstet, und bei Olympus (die ja auch MFT machen) fragte man sich schon, ob die sich auch zurückziehen. Zumindest wollen die den Schritt auf Vollformat nicht mitgehen. Immerhin ist man da nicht ganz aufgeschmissen, wenn ein Hersteller aufgibt. Die haben jetzt einen neuen großen Profibrocken herausgebraucht, groß, teuer, schwer. Hatte ich in der Hand. Zweifellos eine gute Kamera. Aber wer zum Kuckuck gibt soviel Geld für eine große schwere Kamera aus, um dann eine Micro-Four-Thirds-Kamera zu haben? Die sieht schon lächerlich aus, wenn da dieser große tolle Profibrocken steht und dann so einen winzigen Sensor hat. Die wie ein Sumo-Ringer mit Schrumpfhoden.

Sony macht gute Kameras, aber wieder mit einem anderen Bajonett, dazu lange mit schwachem Objektivsortiment.

Egal, worin man investiert, es ist alles wackelig, riskant, teuer.

Und dann wundern die sich, dass die ihren Kram nicht losbekommen.

Im Netz tickern die Nachrichten. Die GH5 ist im Preis gerutscht. Die Z6/Z7 bekommt man im Graupimport schon viel billiger. Und so weiter und so weiter.

Der Markt ist kaputt. Aber man hat ihn auch durch miserables Management kaputt gemacht.

Was natürlich auch eine Rolle spielt ist die marzisstische „junge Generation”, die alles haben, aber nichts mehr zahlen will.

Wenn ich dann sehe, wieviele neue Kameras nicht Selfie-Video-tauglich sind, weil man das Display nicht nach vorne schwenken kann, merke ich, dass das dann nicht funktionieren kann.

Es werden ein bis zwei Hersteller dicht machen oder aufgeben.

Gute Überlebenschancen sehe ich bei Canon, Sony, Panasonic, weil die einfach noch andere Geschäftsfelder haben. Nikon ist da etwas problematisch. Olympus scheint noch zu können, aber nicht mehr so zu wollen. Fujifilm ist mir ein Rätsel, die machen eine hervorragende Kamera, haben aber ein teures Produkt, was sehr nischenmäßig rüberkommt.

Man wird sterben müssen.

In der derzeitigen Situation kann man eigentlich nicht kaufen, weil alles irgendwie gerade nicht so super, und nichts dauerhaft erscheint, jede Investition ein Risiko ist. Es sei denn, die Preise gehen noch deutlich runter und in den Keller. Womit sich die Überlebensstrategie mancher Hersteller, sich in das Hochpreissegment zurückzuziehen, nicht halten lässt.

Wie man sich in einer solchen Marktsituation Designfehler wie den fehlenden zweiten Kartenslot bei Z6/Z7 leisten kann, ist mir einfach ein Rätsel. Und wie ich aus der Branche hörte, vielen Insidern auch.

Man könnte ja nun meinen, dass sich das alles hin zu Handys verschiebt. Aber nein, die melden auch stark rückläufige Umsätze. Da sind auch einige in der Verlustzone.

Haben die Leute kein Geld mehr?

Haben sie keine Lust mehr?

Oder sind sie jetzt alle erst mal gut ausgestattet?

Ich hatte es ja vor ein paar Tagen schon geschrieben: Kameras halten hier vier bis fünf Jahre, und die Hersteller wollen (müssen) gerade im zwei-Jahres-Rhythmus verkaufen.

Da wird es einige zerlegen.

Prognose

Ich glaube nicht, dass es hier nur um den Kameramarkt geht.

Ich glaube, dass man es da nur zuerst sieht.

Wir erleben gerade das Nachwachsen einer konsumfremden neuen Käuferschicht, die sich an ein virtuelles Leben mit zugelieferten Inhalten gewöhnt hat. Die brauchen keine dicke Kamera, auch kein Auto und auch sonst eigentlich nichts mehr, solange sie von Google und Facebook digital versorgt werden.

Mir sagte vor vielen Jahren mal eine, dass sie auf Reisen erst gar keine Kamera mitnimmt, weil sie die Fotos von jedem Ort, den man besuchen kann, doch viel schöner im Web findet, als sie sie selbst machen könnte. Von der Aussage habe ich mich bis heute nicht erholt. Mir sagte mal eine andere, dass ihr aufgefallen wäre, dass ich mit einer Kamera in der Hand ganz anders urlaube als andere Leute, dass ich auf Dinge achte und mir Ansichten ansehe, an denen andere achtlos vorübergehen.

Ich glaube, das ist generell so. Leute wie ich, die die Wohnung voll Krempel haben, sind eine aussterbene Spezies. Es kommt ein Nihilismus, ein Minimalismus in Mode, den man auch am reduzierten Webdesign, an der Idee des Micro-Hauses findet. Eine Art Verweigerung, eine Nichtteilnahme am Wirtschaftssystem.

Daran werden weite Teile der Wirtschaft sterben. Keiner kauft, keiner arbeitet. Alle liegen rum und erwarten, dass das Grundeinkommen zum Leben reicht.

In 20 bis 30 Jahren ist von der Wirtschaft nicht mehr viel übrig.