Ansichten eines Informatikers

Der Turmbau zu Babel

Hadmut
16.2.2019 17:53

Ein Leser hat mich gerade auf etwas gebracht: Eine theologische Sichtweise.

Ich hatte doch vorhin einen Blog-Artikel über Europa und dessen Größe und die verschiedenen Sprachen und darüber, dass ich stark vermute, dass Europa einfach zu groß ist, um zu funktionieren, dass es aus natürlichen Gründen nicht funktionieren kann, und die Staaten eigentlich so die optimale Größe haben. Und deshalb in deren Abschaffung zwangsläufig eine Verschlechterung liegt.

Ein Leser wies mich in diesem Zusammenhang auf den Turmbau zu Babel hin.

Und zwar mit dem kuriosen Hinweis, dass das Gebäude des europäischen Parlaments dem Turm zu Babel (oder jedenfalls dem, was man sich darunter vorstellt), nachempfunden ist. Die Architektur habe nämlich verblüffende Ähnlichkeit mit einem Gemälde des Renaissance-Malers Peter Bruegel, wobei mir unklar ist, ob das Zufall oder Absicht ist, aber die Ähnlichkeit ist erstaunlich, und wenn man googelt, findet man ganz viele Webseiten, auf denen das auch thematisiert und gegenübergestellt ist, beispielweise diese hier. Oder diese, auf der einer schreibt, es käme ihm vor, wie Jurassic Park, wo man eine alte DNA ausgebuddelt und wieder neu ausgebrütet hat. Darauf gekommen ist der Leser über ein Plakat namens „Europe: Many Tongues, One Voice”, das er für ein offizielles hielt, ich dagegen eher als Kritik von Gegnern einstufe, weil mir Google als Quelle nur jede Menge europa-kritischer Seiten liefert. Wie eben die letztgenannte, auf der das Plaket auch zu finden ist. Angeblich von 2015, leider kann man das Kleingedruckte da nicht lesen. Auf manchen Versionen steht zwar oben rechts „nowtheendbegins.com”, aber nicht auf allen, das ist nachträglich draufgeschrieben.

[Nachtrag:Per Google findet man auch lesbare Versionen des Plakats, auf denen „Council of Europe” zu lesen ist. Das Plakat scheint also echt zu sein, sie scheinen ganz bewusst den Turmbau zu Babel nachahmen zu wollen.]

Drehe ich meine Phantasie runter und meine Nüchternheit hoch, dann sagt mir eine Drüse irgendwo trief drinnen, dass runde Bauformen eben zeitlos und universell sind, und nur, weil zwei Gebäude rund sind, nicht das eine dem anderen nachgebaut worden sein muss. Gerüchteweise sollen auch schon rechteckige Gebäude gesehen worden sein, die nichts miteinander zu tun hatten. Zumal laut Wikipedia Anfang des 20. Jahrhunderts eine Gebäudestruktur in Babylon (heutiger Irak) gefunden wurde, die man für Überbleibsel des Turms hält, die aber eckig und nicht rund ist.

Wenn ich mir diese Rekonstruktion so ansehe, dann drängt sich mir der Gedanke auf, dass das einfach eine Art antike Shopping Mall oder ein Welthandelszentrum war. Die haben sich halt ein Einkaufszentrum gebaut, das ist alles. Und World Trade Center neigen ja generell zur Turmform, ich kenne bisher nur solche. Manche neigten sogar zum Einsturz.

Anscheinend ist das aber so etwas wie eine kulturinvariante Konstante, dass es sich einfach anbietet und lohnt, solche Handelszentren zu bauen. Zwar findet man per Google und Wikipedia eher Aussagen, dass es sich um einen Tempel gehandelt habe, aber Tempel und Handel waren ja damals eng beisammen, darüber hat ja schon Jesus geschimpft.

Nun, ergänzte der Leser, und da bin ich völlig unbeleckt, weil ich es mit Religion und Bibel nun wirklich nicht habe, dass man auf die biblische Erzählung achten sollte. Denn darin heiße es, dass Gott die Menschen vor dem Fehler bewahrt habe, indem er ihnen verschiedene Sprachen gab, damit sie nicht mehr miteinander sprechen könnten, und sie über die Welt verteilt. Laut Webseiten, weil er sie nicht nochmal per Sintflut abmurksen wollte. Laut Leser, weil er es für falsch hielt und die Menschen davor bewahren wollte. Zweck des neuen Parlaments sei, den Versuch zu wiederholen und sich über Gott zu erheben. Wie auch immer.

Mir drängt sich da nun ein anderer Gedanke auf.

Könnte es sein, dass das damals einfach schon mal ein großes Gastarbeiter- und Migrationsprojekt war? Denn wenn man sich solche Bauwerke wie diese „Zikkurat” oder die Pyramiden anschaut, dann waren die ziemlich groß und man brauchte sehr viele Arbeiter, um sowas zu bauen.

Sowas wird nicht ohne Gastarbeiter (oder vielleicht auch Sklaven) aus einem größeren Umkreis vor sich gegangen sein, die natürlich auch verschiedene Sprachen sprachen. Wegen fehlender Telekommunikation und leicht transportabler Schrift dürften die Sprachräume deutlich kleiner gewesen sein.

Kann das sein, dass die, die das so für die Bibel geschrieben haben, sich exakt so vorkamen wie ich heute in der Berliner U-Bahn? Nämlich ständig von Leuten umgeben zu sein, die Sprachen sprechen, die man nicht nur nicht versteht, sondern nicht mal erkennt?

Und sich deshalb als von Gott gestraft betrachteten?

Ich hatte vorhin (wieder) geschrieben, dass ich vermute, dass es eine gewisse optimale Größe für einen Staat gibt. Die hängt natürlich von der Kommunikationstechnik, Industrieform und anderen Gegebenheiten ab.

Kann das sein, dass die damals für den Bau einfach viele Gastarbeiter ins Land geholt haben, dadurch viele Sprachen gesprochen wurden, und das dann zu einem rapiden Gesellschaftszerfall führte, der in der Bibel als Einschreiten Gottes dargestellt wurde?

Sind wir gerade, ob nun gewollt oder nicht, in der nahezu exakten Wiederholung des Turmbaus von Babel, der gerade wieder schief geht?