Ansichten eines Informatikers

Warum ich in der gesetzlichen Krankenkasse bin

Hadmut
13.2.2019 18:51

Einige Leser hatten gefragt, warum ich…[Update] denn in der gesetzlichen Krankenkasse bin. (Die Bandbreite des Tonfalls reichte von freundlich über neugierig-interessiert bis zur Frage, warum ich so doof bin.) Ich bezahle als freiwillig Versicherter den Höchstsatz von über 700 Euro, obwohl ich nur eine einzige Person bin und keine Familie oder Mitversicherte habe.

Ich warte mitunter Monate auf Arzttermine. Ständig muss ich noch zuzahlen oder Privatrezepte selbst zahlen, die die Kasse nicht übernimmt.

Als ich in Berlin mal am Knie operiert wurde, lag ich in einem Vierbettzimmer. Das hatte alles doppelt, zwei Eingangstüren, zwei Bäder, zwei getrennte Licht-Kreise und so weiter. Eigentlich waren es zwei Zweierzimmer gewesen, aber man hatte die Zwischenwand entfernt, um ein Vierbettzimmer zu erhalten, ohne daraus auch nur irgendeinen Vorteil zu ziehen. Der Grund war, dass man ursprünglich nur diese Zweierzimmer hatte, alle gleich. Man kann sie aber bei Privatversicherten nicht zum Privatversicherungstarif abrechnen, wenn an den Zimmer nicht irgendetwas „besser” als bei Kassenpatienten ist. Also hat man kurzhand ein paar Wände rausgerissen, um die Zimmer für die Kassenpatienten künstlich zu verschlechtern (und hat dafür sogar noch Geld für die Baumaßnahmen bezahlt). Man wird als Kassenpatient also systematisch und künstlich schlechter behandelt, um einen Qualitätsunterschied zu fingieren. Viele Ärzte haben zwei unterschiedliche Telefonnummern für Privat- und Kassenpatienten, und immer mehr Ärzte geben ihre Kassenzulassung ab, betreiben nur noch Privatpraxen.

Und dafür zahle ich den Höchstpreis plus reichlich Zuzahlungen. Als ich Kind war, gab es gar keine Zuzahlungen, da ging alles auf Rezept. Es gab sogar Brillen mit Gläsern. Zwar nur die einfacheren, die sogeannten „Kassengestelle”, aber immerhin, es war kostenlos. Seither wurde die Krankenversicherung immer teurer – und immer schlechter.

Ich habe keinerlei Zweifel, dass die Krankenversicherung auch wieder nur irgendein Bürgerbetrug ist, bei dem jede Menge Geld abgepumpt und heimlich besteuert, es nur nicht so genannt wird. Eigentlich müsste man das auch alles zu den Steuer- und Abgabenlasten mit dazurechnen.

Die Leser fragen also zu Recht, warum ich das mache oder warum ich so „blöd” bin.

Die Antwort ist: Ich mache das ja nicht freiwillig.

Ich war als Student mal schwer an Krebs erkrankt, nach Einschätzung der Ärzte eigentlich schon über den Point of no return hinweg, und habe das auch nur überlebt, weil ich damals ziemlich durchtrainiert war und auf Ärzte traf, die da mal kreative Ideen zu Abweichungen vom Behandlungsschema hatten (und sich dachten, wenn er eh drauf geht, können wir damit ja nichts mehr kaputt machen, aber einfach mal sehen, was passiert). Obwohl ich dann auch noch fast alle verfügbaren Komplikationen mitgenommen habe, habe ich es überwiegend überlebt.

Das Problem daran: Danach nimmt einen keine private Krankenkasse mehr an. Der Grund liegt nicht mal so sehr in der Krebserkrankung selbst, sondern den Spätfolgen der Behandlung. Als ich damals krank war, war ich nämlich noch mit- und nicht selbstversichert. Da war ich 24. Und kurz darauf musste ich mich nach einer Krankenversicherung umsehen. Berater und Verkäufer für sowas gab es an der Uni genug, die haben einen überall angequatscht, ob man nicht in deren Private will, aber alle sagten mir, keine Chance. Geht gar nicht.

10 Jahre später habe ich es noch einmal versucht. Da hieß es immmer noch: „Keine Chance”. Denn man musste Gesundheitsfragen über die letzten 15 Jahre beantworten. Dazu kam, dass es nicht ganz klar war, was eigentlich der relevante Zeitpunkt war, ab dem eine Krankheit als „beendet” anzusehen ist und die Frist läuft. Denn ich war nach der Erkrankung noch (per Gesetz) für 5 Jahre 80% schwerbehindert. Nutzt dem Arbeitgeber, bringt eine Woche mehr Urlaub (den ich an der Uni sowieso nicht bekam) und man kann die vollen Fahrtkosten (sprich: Autoanschaffungskosten) in der Steuererklärung absetzen.

Das nächste Mal bin ich dann zu einem Versicherungsagenten, als die Krankheit 17 Jahre zurücklag. Ich bin in München zu einem Versicherungsagenten, der sagte, das sei nun kein Problem mehr, das müsste man nicht mehr angeben. Er hatte verschiedene Krankenversicherungen angefragt, die mich auch (nachdem die Erkrankung nicht mehr angegeben werden musste) alle genommen hätten und mir – mehr oder weniger – günstige Angebote erstellt. Ich hatte mich für eines entschieden und er gab mir noch einige Formulare, die ich ausfüllen und rückreichen sollte. Eigentlich schon alles erledigt.

Da rief der mich an und sagte: „Es geht nicht. Sie können sich nicht privat versichern lassen.”

Warum nicht?

Weil ich direkt vorher zwischen zwei Jobs ein Jahr Lücke gehabt und in dieser Zeit freiberuflich gearbeitet hatte. Es gab damals ein Gesetz, das vorschrieb, dass wenn man wieder in eine abhängige Tätigkeit (=Angstellter) wechselt, drei Jahre in die gesetzliche Krankenversicherung muss, egal ob man über der Einkommensgrenze liegt. Deshalb, sagte der Versicherungsvertreter, müsse ich nun weitere drei Jahre in der Gesetzlichen bleiben.

Und dann könnte ich aber wechseln?

Ja, sagte er. Aber er rate mir dringend ab. Weil ich dann nämlich über 45 sei und sowas wollten die Privaten gar nicht mehr haben, würden deshalb die Tarife so hochdrehen, dass sich das nicht mehr lohne. Ich hätte dann nämlich 20 Jahre in die gesetzliche Krankenkasse eingezahlt, und das Geld fehle einfach als Kapitalsammlung in der Privaten.

Das ist der Grund, warum ich in der Gesetzlichen bin, miserable Leistungen bekomme, aber den Höchstsatz für nur eine Person zahle, während sonst Großfamilien für Minibeträge versichert werden.

Das gleiche Problem hatte ich damals auch mit der Berufsunfähigkeitsversicherung. Ich habe nur eine einzige Versicherung gefunden, die mich noch genommen hat, und das auch nur zum doppelten Beitrag. Seither zahle ich dafür auch doppelt.

Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG:

Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

Wohlgemerkt, diesen ganzen Mist nennen sie „Gerechtigkeit”, vieles davon ist auch mit oder durch die SPD entstanden. Alle Menschen seien gleich, seien gleich viel wert, behaupten sie. Es stimmt aber nicht. Manche Menschen sind für die Private Krankenversicherung weniger, für die gesetzliche Krankenkasse mehr wert als andere.

Frage beantwortet?

Nachtrag: Schon mal bemerkt? Putzfrauen oder Hartz IV-Bezieher sind gerade Dauergäste in Talkshows. Für solche Abzocken aber interessiert sich niemand.

Update: Just, als ich es geschrieben hatte, schrieb mir ein Arzt unter den Lesern:

Sei froh, dass du gesetzlich versichert bist. Bezahl lieber einmal einen ambulanten Termin selbst, wenn es schnell
gehen soll. Meine Lebensgefährtin schlägt sich den ganzen Tag mit ihrer priv. KK herum, die oft Teile von Rechnungen nicht erstatten will.

Dies ist für mich ein kriminelles Geschäftsmodell. Immer ein paar Posten auf der Rechnung nicht bezahlen: alte Menschen können sich nicht wehren oder merken es gar nicht. Junge Menschen brauchen Energie und Zeit und Nerven, um diesen Papierkrieg zu bestehen.

Auch wieder war. Sowas ist mir vor über 10 Jahren mal mit einer Versicherung passiert: Auf einer Kreuzung musste ich als Linksabbieger warten, um den Gegenverkehr durchzulassen, und der hinter mir hat gepennt und ist mir (leicht) hinten draufgefahren. Nur die Stoßstange bzw. deren Plastikverkleidung kaputt. Ganz eindeutig dessen Schuld. Kommt aber trotzdem was an Schaden zusammen, denn man muss das Auto erst mal untersuchen lassen, ob es noch verkehrssicher ist, Reparaturkosten schätzen lassen, Gutachten, dazu ein Tag freiberuflicher Arbeitsausfall. Das läppert sich.

Seine Versicherung hat aber einfach mal so nur die Hälfte des Schadens bezahlt. Ohne Begründung. „Dann müssen Sie halt klagen…”

Die zahlen einfach soviel weniger, dass sich Klagen nicht lohnt.

Und das findet offenbar nicht nur in der KFZ-, sondern auch in der Krankenversicherung statt.