Ansichten eines Informatikers

Stolperstein: Tatort Sebastianstraße

Hadmut
4.9.2018 23:15

Wo wir gerade bei geheucheltem Gedenken sind:

Seit einiger Zeit sind ja diese „Stolpersteine” in Mode, auch in Berlin, die an im Dritten Reich getötete Juden, jeweils individuelle einzelne Personen erinnern sollen und am Boden zwischen Pflastersteinen verlegt werden. Die sind aus Messing (oder Bronze, ich weiß es nicht so genau, es sieht aber nach Messing aus). Oben ist dann irgendwas eingraviert wie „Hier wohnte…”. Ist auch sehr auffällig, weil das Messing dadurch, dass ständig Leute drüberlaufen, immer blank und an der Oberfläche frei von Oxid ist, während die Gravur dann zu schwarzer Schrift wird.

Bisher fand ich die gut. Weil sie zwar auffallen, aber nicht im Weg sind. Wichtig nur, dass sie eben nicht hervorstehen, dass man nicht stolpert, dafür hätte ich keinerlei Verständnis. Ich hab’s ja immer gern, wenn die Welt nicht so dröge ist, sondern immer überall so ein bisschen Hirnfutter rumliegt.

Neulich schon war ich dann ziemlich enttäuscht. Irgendwo hatten sie welche rausgebrochen und geklaut, und im Fernsehen kam ein Bericht über die Werkstatt, die die macht. Handarbeit. Aber: Ich dachte, das ist ein Metallwürfel in Größe eines Pflastersteins. Sie nehmen aber nur einen gewöhnlichen Pflasterstein und hämmern da nur ein Stück dünnes Blech drauf. Da dachte ich mir schon, dass dieses Gedenken doch sehr „oberflächlich” ist, wenn ihnen das nur ein Stück Blech wert ist.

Könnte wohl auch daran liegen, dass die Schrift da von Hand eingehämmert (gedengelt?) wird. Ich persönlich hätte da einen massiven Messingblock besser gefunden, den man meinetwegen mit der CNC-Fräse beschriftet. Ist in Berlin aber vielleicht gar nicht möglich, wegen der Metalldiebe.

Geschenkt.

Vor ein paar Tagen fand ich eine Einladungskarte im Briefkasten. Vom Bildungswerk Berlin der Heinrich-Böll-Stiftung, der „parteiennahen” Stiftung der Grünen. Also eigentlich das Geldwaschalibi der Parteien um sich noch mehr Geld aus dem Haushalt zu nehmen. Gleich bei mir um die Ecke. Die haben da einen ganzen Laden, anscheinend sogar mehrstöckig. Da gäb’s ne Informationsveranstaltung, weil neue Stolpersteine für Rose und Bodo Schlösinger verlegt würden. Und die haben in der Gegend hier jedem so eine Karte eingeworfen.

Ich habe mir nicht angeguckt, wer das ist, weil ich mir dachte, naja, das wirste ja dort schon erfahren, und bin mal hin, weil nur 150 Meter von mir weg.

Schon beim Reinkommen musste man sich in eine Liste eintragen. Nachdem sich alle eingetragen hatten, sagten sie was als Datenschutzhinweis, das würde 10 Jahre aufbewahrt, sie bräuchten das, weil die Veranstaltung mit irgendeiner Behörde abgerechnet wird. Da guckten schon manche blöd, weil das da schon danach stank, dass man das alles nur macht, weil es Geld dafür gibt. Heuchelgedenken als Kassiermodell.

Dann hielt ein ehemaliger Pfarrer einen enorm schlechten Vortrag, bei dem ich es kaum geschafft habe, wachzubleiben. Monoton, vom Blatt abgelesen. Das ist grausam, wenn jemand das nicht kann (und von Pfarrern hätte ich das erwartet), irgendwie mal frei zu reden und Kontakt mit dem Publikum und nicht mit dem Blatt zu halten.

Dabei zeigte er am Beamer irgendwelche Fotos und Scans von Schriftstücken, die bei riesengroßem Beamerbild nur ein kleiner Klecks in der Mitte und damit kaum oder gar nicht lesbar waren, und er entschuldigte sich für die schlechte Medienqualität, mehr sei nicht zu bekommen. Aber eigentlich wusste er nur nicht, dass man Fotos, die man in Powerpoint pappt, mit der Maus auch einfach größer ziehen kann, damit sie die ganze Fläche einnehmen und nicht nur wie eine Briefmarke auf dem Kuvert wirken.

Und dann las der da Briefe vor, die die sich geschickt hatten, und es war so nichtssagen. So zeitgeistübliche Formulierungen wie „Mein liebes Muttchen…” oder sowas in der Art, die zwar der damals üblichen Sprech- und Kommunikationsweise entsprachen, einem aber überhaupt nichts über den Einzelfall sagen.

Irgendwann hat man sie abgeholt und eingebuchtet und er hat sich an der Front umgebracht. Näheres hier und hier.

Und dann wurde mir das so richtig unangenehm.

Einmal, weil man da in Privatangelegenheiten wie persönlichen Briefen herumpulte, wo ich mir ständig dachte, das geht mich doch eigentlich gar nichts an. Das würde ich doch von den anderen Nachbarn auch nicht wissen wollen. Auch wenn sie tot sind, habe ich da immer irgendwo noch einen Respekt vor dem Briefgeheimnis.

Ich lasse mir das ja noch gefallen, wenn daraus historische Informationen hervorgehen, etwa bei den Briefen von der Front des ersten Weltkriegs, die nicht oder kaum persönlich, sondern Kriegsberichterstattung waren.

Der zweite Punkt ist, dass ich immer dachte, die Stolpersteine wären für ermordete Juden. Hier ging es aber um sozialistische Widerstandskämpfer, also effektiv nur um Parteienopfertum. Das wirkte so auf mich, als wollten die da Trittbrettfahren, Opfertum für sich auch abschaffen. Sie wurde zwar von den Nazis verurteilt und hingerichtet, aber nicht primär weil sie Sozialistin war (obwohl sie zu einer Gruppe „Rote Kapelle” gehörte), sondern weil sie spioniert hatte.

Zwar waren der Gerichte der Nazis ziemlich verbrecherisch, aber dass im Krieg gegnerische Spione hingerichtet werden, war damals weltweit üblich und ist es an vielen Orten auch heute noch. Vor allem hat es nicht dieses „Unschuldige”, wie etwa der Massenmord an Juden, sogar Kindern, die gar nichts gemacht hatten, sondern es ist nach den Gesetzen praktisch aller Länder eine Straftat, deren Folge bekannt ist. Man kann das noch so sehr moralisch rechtfertigen und loben, aber wer das machte, der machte das aus Entscheidung und kannte das Risiko und die Folgen. Zumal das jetzt auch nicht so wäre, dass die Nazis die einzig Bösen und damit jeder Gegner automatisch gut wäre. Für Stalin zu arbeiten ist jetzt auch nichts, wofür ich menschliches Verständnis aufbringen würde.

Und ihm ist eigentlich nichts passiert. Der war irgendwo an der Front, aber noch gesund, und erfuhr von der Verurteilung seiner Frau (zwar zum Tode, aber da war sie eben noch nicht hingerichtet), und da meinte er, das wird nichts mehr und ohne sie will er nicht mehr und brachte sich um. Das finde ich jetzt nicht heldenhaft oder edel, seine Frau in Hinrichtungshaft dann noch mit sowas zusätzlich zu belasten. Ich glaube zwar nicht, dass man da noch viel hätte machen können, aber es hat so ein Aroma von „im Stich gelassen”. Das ist für mich nicht (ge-)denkwürdig.

Also bleibt:

  • Sie machen es, weil sie Geld dafür bekommen.

    Womit wir wieder beim Thema der nutzlosen Bullshitjobber wären, die einfach nur nutzlosen Unsinn auf Kosten anderer treiben.

  • Sie betreiben da sowas wie Sozialistenopfergejammer. Sie war Spionin und er anscheinend ein Arschloch, aber plötzlich sollen sie Gedenksteinchen bekommen, einfach weil man ständig das Thema Linke als Opfer von Rechten beklingeln will.
  • Ich hatte diese Stolpersteine eigentlich als Gedenksteine für ermordete Juden verstanden und respektiert.

    Wenn ich jetzt aber höre, wie man da huckepack mitfahren will, sinken diese Steine rapide in meiner Achtung. Eigentlich bis fast auf Null.

Und die Moral von der Geschicht: Man hätte solches Gedenken nicht den Linken überlassen dürfen. Die missbrauchen alles und machen alles kaputt.