Ansichten eines Informatikers

Begriffsdefinitionen

Hadmut
19.8.2018 18:36

Es ist gruselig. Ich hab schon wieder eine Reiseanekdote.

Da kommt mal wieder alles zusammen. Die TAZ interviewt Karen Taylor, Frau, schwarz und nach Beschreibung:

Die Frau: Karen Taylor ist politische Referentin der SPD für Menschenrechte im Bundestag. Bei Each One Teach One e.V., einem communitybasierten Empowerment-Projekt für Schwarze Menschen in Deutschland, ist sie zuständig für die politische Kommunikation. Außerdem ist Taylor Teil des Koordinationsteams, das sich für die Umsetzung der UN-Dekade für Menschen afrikanischer Abstammung in Deutschland einsetzt.

Irgendwie weiß man dann schon vorher, was kommt, denn unzweifelhaft ist die „Referenting für Menschenrechte” faktisch Lobbyistin für bestimmte Menschen.

Eine Punkt an dieser Aussage ging mir da wieder wider die Lebenserfahrung:

Zum Beispiel erklären wir, dass es sich bei „Schwarz“ um eine Selbstbezeichnung handelt. Wir würden also niemals an der Tür stehen und sagen: „Du kommst nicht rein, du bist nicht Schwarz genug!“ Darum geht es nicht. Wir wollen nicht Menschen ausgrenzen, sondern einen geschützten Raum für Schwarze Menschen schaffen, den es bisher so nicht gegeben hat.

Das wage ich anzuzweifeln. Also jetzt nicht in Bezug auf diese spezielle Gruppe, sondern in Bezug auf den allgemeinen Gebrauch von „Schwarz” durch Schwarze.

Ich war vor zwei Jahren auf einer Rundreise durch Südafrika. Der Reiseleiter und Fahrer war ein Südafrikaner, Student, der sich damit sein Studium verdiente. Dazu eine Koreiseleiterin und Köchin aus Zimbabwe, die damit das Leben für sich und ihre Tochter ernährte. Beide richtig gut und sehr, sehr nett, zum Knuddeln. Beide auch sehr, sehr beliebt bei der Gruppe. Kannten sich da auch gut aus. Sie war auf ihrer letzten Assistenzfahrt und stand vor der „Beförderung” zur Hauptreiseleiterin.

Natürlich ist man mit denen auch ins Erzählen gekommen, zumal man sich mit beiden wirklich supergut verstanden hat (und das ist auf solchen Gruppenreisen wahrlich keine Selbstverständlichkeit, das habe ich auch schon anders erlebt.)

Ging dabei natürlich auch um Rassismus, wobei er ständig für den Abend seinen großen Vortrag angekündigt hatte, den es nie gab, weil immer irgendwas dazwischen kam und das immer auf den nächsten Abend verschoben wurde und so weiter. Trotzdem erzählte er mal, dass er zwischen allen Stühlen sitze und sie ihm mit dem ganzen Rassengedöns den Buckel runterrutschen können, er will einfach gar nichts mehr sein, nur noch sein Studium beenden und dann seinen Beruf (ich glaube es war irgendwas mit Wirtschaftswissenschaften) ausüben und ab und zu mal Reiseleiter machen, und sonst einfach gar nichts.

Der Punkt war nämlich, dass er so eine mittelbraune Hautfarbe hat. Er sagte, die Weißen akzeptierten ihn nicht als Weißen, weil er zu dunkel sei. Und da fingen wir natürlich an, den Satz weiterzuführen, dass die Schwarzen ihn nicht akzeptierten, weil er zu hell sei.

Nee, sagte er.

Das sei komplizierter.

Die Schwarzen akzeptierten ihn nicht als Schwarzen, aber das läge nicht an der Hautfarbe. Die wäre aus deren Sicht in Ordnung, es gäbe da viele, die mittlere oder sogar hellere Hauttöne hätten. Das Problem sei: Er spräche deren Stammessprachen nicht. Er habe halt nur Englisch und Afrikaans gelernt, ein paar Brocken Deutsch und noch irgendwas anderes (ich glaube Französisch) könne er auch, aber seine Familie sei eben modern und westlich ausgelegt gewesen und habe es mit den Stämmen und Stammessprachen nicht gehabt, weshalb er keine einzige der dort unten gesprochenen afrikanischen Sprachen spräche und er deshalb ausgegrenzt werde, und zwar schlimmer als von den Weißen. Da sei er nicht gerade beliebt und merkte, dass sie Distanz halten, aber ansonsten höflich und korrekt mit ihm umgingen. Die Schwarzen dagegen gingen ziemlich wüst mit ihm um, obwohl er Schwarzer und eindeutig afrikanischer Herkunft sei (so sah er ja auch aus, eindeutig von dort), und wollten mit ihm oft nichts zu tun haben, weil er die Sprachen nicht spricht.

Deshalb hätte er die Schnauze auch voll, hält sich aus dem ganzen Rassenmist komplett raus und macht nur noch sein persönliches Ding. Und jeder, der ihm da noch mit weiß oder schwarz kommt, kann ihn kreuzweise.

Ich habe das nicht mehr so im Detail in Erinnerung, aber es ist tatsächlich so, dass es da unten sehr viele Sprachen gibt, davon ein paar Hauptsprachen der Hauptgruppen, und eine davon muss man sprechen um sich als Angehöriger dieser oder jener großen Gruppe auszuweisen, also irgendwo dazuzugehören.

Wenn mir jetzt also jemand erzählt, dass Schwarze niemanden ausgrenzen würden, weil er nicht schwarz genug sei … dann ist das formal richtig, aber auch nicht die Wahrheit. Denn den Begriff „schwarz” machen sie eben nicht nur am Aussehen fest. Man kann auch als Aussehens-Schwarzer in deren Ausgrenzungsmaschine geraten.

Übrigens war ich auch mal auf der Insel vor Kapstadt, auf der Nelson Mandela inhaftiert gewesen war. Dort wurde man anfangs in offenen Aussichtspritschenwagen herumgefahren und dann hielt der Wagen irgendwo im Nichts an, damit man gezwungen war, dem Vortrag eines jungen Schwarzen über Rassismus zuzuhören.

Der Zwang war gar nicht nötig, denn der Vortrag war exzellent. Der war nicht nur ein sehr guter Redner und sprach in sehr gut verständlichem Englisch, sondern es war auch überaus interessant. Ein richtig guter Vortrag. (Vermutlich auch schon tausendmal gehalten.)

Eine Stelle daraus ist mir so in Erinnerung geblieben. Er sagte, dass wenn er als junger Schwarzer in irgendein Kaufhaus gehe, werde er nicht als Kunde, sondern als potentieller Ladendieb betrachtet und behandelt. Einfach allein aufgrund seiner Hautfarbe. Kommst Du als Schwarzer in den Laden, wirst Du als Dieb angesehen.

Das aus seiner Sicht Schlimmste daran sei aber, dass das auch so sei, wenn weit und breit kein einziger Weißer anwesend sei. Selbst wenn alle Menschen in dem Laden, Kunden, Verkäufer, Sicherheitspersonal, allesamt Schwarze seien, sei das immer noch so. Sie würden sich auch untereinander so behandeln.

Bei der Südafrika-Rundreise ist mir aufgefallen, dass ich noch nie ein Land mit so derben Schutzmaßnahmen gegen Diebstahl gesehen habe. Wir hielte mal in einer komplett Schwarzen Siedlung zum Tanken an, äußerlich so eine ganz gewöhnliche Tankstelle mit so einem kleinen Laden für den Bedarf, wie man sie hier auch hat. Wir gingen rein, um Getränke und was zum Knabbern zu kaufen, und dachten erst, wir wären durch die falsche Tür gelaufen. Durch den gesamten Laden zog sich ein Gitterwand aus Edelstahl, man kam sich vor wie im Knast. Man lief durch einen vollgitterten Gang und alle Waren waren mindestens 1,50 Meter vom Gitter weg. Man sagte oder zeigte, was man will, und Verkäufer packten das in einen Einkaufskorb. Dann zahlte man an der Kasse (hinter Panzerglas), und erst nachdem man bezahlt hatte, wurde einem der Korb ausgehändigt. Anders ging’s nicht mehr vor lauter Ladendiebstahl.

Wenn dort der Geldtransporter kommt, um aus den Touristenläden die Tageseinnahmen abzuholen, geht da nicht nur wie bei uns ein Wachmann mit Geldkoffer und Waffe am Gürtel rein und raus. So 10 oder 15 Meter versetzt und auf der anderen Straßenseite läuft ein zweiter in Uniform und mit Helm, Weste und einer Maschinenpistole im Anschlag, der ihn sichert. Und etwas weiter hinten unauffällig noch mindestens ein Dritter, der schwer zu erkennen ist, aber auch mit Maschinenpistole im Anschlag, der den Zweiten sichert. Wohlgemerkt: Kleine Touristenläden, nicht große Supermärkte.

An vielen Häusern hängen die Aufkleber der Wachschutzfirmen, auf denen klipp und klar steht, dass wenn die Alarmanlage losgeht, sie sofort kommen und bewaffnet sind.

Wir selbst hatten in der Reisegruppe klare Anweisungen, dass wenn jemand Geld am Geldautomaten ziehen will, wir da alle zusammen hingehen und uns im Kreis drumherum stellen, damit sich niemand umbemerkt nähern kann. Scheint dort auch nicht selten zu sein, denn an vielen Geldautomaten gibt es dort Schutzwände, die einem bei der Bedienung den Rücken schützen, damit man nicht von hinten überfallen oder niedergeschlagen werden kann. Zugang immer nur seitlich und so, dass man das vorher sieht.

Aber der Junge auf der Insel hielt seinen Vortrag darüber, dass wenn er in ein Kaufhaus kommt, er sogar von Schwarzen als potentieller Dieb angesehen wird.

Alles nicht so einfach und so schön, wie man es uns hier dann verkaufen will. Das ist nicht so, dass die sich untereinander alle so gern haben.