Ansichten eines Informatikers

Zum Stand der Digitalisierung

Hadmut
8.8.2018 9:37

Geht mir als Informatiker enorm auf den Wecker.

Unzählige.

Das Stichwort ist „Unzählige”.

In unzähligen Koalitionsverträgen steht, dass wir Digitalisierung betreiben wollen, Zukunft, Grundlage des Wohlstandes, bla bla bla.

Wir haben keinen „Internetminister”, weil unzählige andere Minister in das Thema mit reinschwätzen wollen, und das könnten sie ja nicht mehr, wenn es ein Ressort wäre (Ressortprinzip). Weil man meint, nichts wäre noch so wichtig wie das, und man wäre ja im Abseits, wenn man da nicht mitschwätzen könnte.

Unzählige. Unzählige Förderfrauen und Quotenprinzessinnen machen irgendwas mit „Digital”. Nicht, weil sie da etwas wüssten oder könnten, sondern weil man der Meinung ist, dass Frauen heute sofort und als Quereinsteigerinnen ohne Berufserfahrung und Ausbildung jeden Job erledigen können müssten, und Frauen zweitens doch geborene Digitalexperten seien, weil sie nicht nur – wie immer wieder behauptet – Computer und Programmieren erfunden hätten, sondern auch weil sie alle permanent twittern und facebooken, und was sonst hätte die Informatik schließlich zu bieten außer Twitter und Facebook?

Kurz: Der Slogan heißt, dass Digitalisierung weiblich ist und überhaupt. Unzählige Male wiederholt.

Und ich sitze jedes Jahr von neuem daran, für die Steuererklärung unzählige Zettel und Belege und Online-Rechnungen zu durchforsten, sie alle auf Papier oder als PDF zu lesen, Datum und Betrag zu finden und danach zu suchen, was ich da eigentlich gekauft habe, was das komische Kürzel auf dem Kasselzettel bedeutet hat oder warum dieser oder jener von mir mal 20 Euro bekommen hat.

Hätte man „Digitalisierung”, gäbe es einen robusten Weg und die gesetzliche Anforderung, dass ich Rechnungen erstens in einem digitalen und zweitens in einem standardisiert maschinenlesbaren Format mit Mindestangaben bekomme, und dann – heißt es nicht, die Maschinen nähmen uns die Arbeit ab? – diese nicht nur automatisch mit den Zahlungen zusammenführen, und danach kategorisieren, was ich da gekauft habe? Beispielsweise sämtliche Lebensmittel als Privatkram aussortieren? Oder zu wissen, wohin Speicherkarten oder Bahnfahrkarten gehören?

Nichts davon haben wir. Es gab mal vor Jahren einen Ansatz, Rechnungen digital zu erstellen, daraus ist aber nichts geworden.

Und so sitzen wir im Land der Digitalisierungsschwätzer und sortieren Jahr für Jahr unzählige Zettelchen und Belege.

Aber jede Menge Digitalprinzessinnen und -prinzen in der Regierung.