Ansichten eines Informatikers

Notaufnahme

Hadmut
17.7.2018 21:48

Folgen der Frauenförderung?

Geht gerade durch die Presse: Der Vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung hat gefordert, in Notaufnahmen eine Strafgebühr einzuführen, weil zu viele Nicht-Notfälle die Notaufnahmen verstopfen. 50 Euro soll man zahlen, die man wiederbekommt, wenn es wirklich ein Notfall ist.

Ich halte das für eine Frechheit.

Ich war, seit ich hier in Berlin wohne, auch schon zweimal im Notdienst des Krankenhauses, beidesmal wegen Angelegenheiten, derentwegen man normalerweise zum Arzt geht. Davon einmal, obwohl ich das gar nicht wollte, weil mir aber eben diese Notfalltelefonnummer der Krankenkassen, die man anrufen soll, wenn man kurzfristig was braucht. Ich bin mir jetzt nicht mehr ganz sicher, was ich da angerufen habe, ob das der kassenärztliche Bereitschaftsdienst war, ich hatte das irgendwo mal in der Zeitung gefunden, dass die da eine Nummer haben mit Ärzten am Telefon, die einem sagen, was zu tun ist und zu wem man gehen soll. Ich hatte mal im Büro ohne erkennbaren Grund und Anlass, ohne jeden Kontakt plötzlich einen blutroten Augapfel, drastisch eingeblutet.

Nun konnte ich das nicht einschätzen, hat auch nicht weh getan, ich hatte nur in den Toilettenspiegel gesehen, weil ich ein leichtes Jucken spürte, und hatte das über die Jahre schon öfters mal (einmal davon hätte es mich fast umgebracht), dass Ärzte mir sagten, ja, damit hätte ich aber sofort kommen müssen, damit darf man nicht warten. Also dachte ich mir, rufste mal die Augenärztin an, bei der ich normalerweise bin. Die machte an dem Tag schon mittags Feierabend, keiner mehr da. Morgen auch nicht. Also rief ich diese Telefonnummer an um zu fragen, wo man nach 16.30 noch einen Augenarzt findet. Da war einer dran, der auf Arzt machte und mir sagte, ja damit sollte ich aber mal ganz, ganz schnell in die nächste Notaufnahme gehen. Sagte mir gleich noch die Adresse, irgendwo ganz groß, wenn ich mich jetzt richtig erinnere, Virchow-Klinik.

Gut, dachte ich mir, wenn die das so sagen, also alles stehen und liegen gelassen und sofort da hin gefahren.

Dort kam ich dann gleich zur Anmeldung, wurde eingestuft, und habe dann ewig – ich glaube, es waren so um die vier Stunden, wenn ich mich recht erinnere – gewartet. Dachte schon, dann kann’s wohl doch nicht so tödlich sein. Als ich dann dran kam, hat man sich entschuldigt, weil einer Urlaub hat und einer krank ist, dann hat man sich das mit diversen Geräten angesehen, und kam dann zu dem Ergebnis, dass das harmlos sei, das gehe von selbst wieder weg. Ich war dann irgendwann am späten Abend so um 23.00 wieder zuhause. Am nächsten Tag war’s dann wirklich schon fast ganz wieder weg. Nur: Das kann ich als Laie ja nicht beurteilen. Woher soll ich wissen, dass da nur mal ein Äderchen geplatzt ist und mich nicht gerade die multiresistenten Killerkeime auffressen und sich vom Auge ins Hirn bohren?

Wir sind eine Gesellschaft mit Arbeitsteilung. Dafür gibt’s eigentlich Ärzte. Und ich erwarte für die Wahnsinnssummen, die ich an Krankenkassen zahle (weil man mir den Wechsel in die Private auf verschieden Weisen vereitelt hat), weil ich als Single genauso soviel zahle wie eine zehnköpfige Familie, oder sogar noch viel mehr als die meisten zehnköpfigen Familien, dass ich ärztliche Hilfe so zeitnah bekomme, dass ich kein Risiko eines Augenschadens habe. Oder anderes. Man sagte mir nämlich im Krankenhaus, dass das auch hätte gefährlich sein können, dass sowas manchmal einfach so passiert und harmlos ist, aber auch Symptom eines akut überhöhten Blutdrucks sein kann, und dann habe man ganz andere Probleme als nur das Auge. Was wohl auch der Grund war, warum der am Telefon meinte, ich solle da mal sofort in die Notaufnahme.

Der Knackpunkt ist aber: Zu einem normalen Arzt zu gehen geht da praktisch nicht mehr.

In dem Kaff, in dem ich als Jugendlicher gewohnt habe, gab es um die Ecke eine Praxis zweier praktischer Ärzte, Vater und Sohn, und die hatten Montags bis Freitags bis 18 oder 19 Uhr offen und Samstags bis mittags. Das nächste Krankenhaus dagegen 20 km entfernt. Da ist das ganze Dorf zu diesen Ärzten, Termine gab’s nicht, man ist einfach hin und hat sich ins Wartezimmer gesetzt. Gar kein Problem. Wer was hat, geht einfach zum Arzt.

In Berlin geht das nicht. Jedenfalls nicht für Kassenpatienten.

Es ist mir jetzt schon einige Male passiert, dass mir Arzttermine in 2 bis 3 Monaten angeboten wurden. Bis dahin ist mir das Auge oder was auch immer rausgefault. Erst nach 2 Monaten zum Arzt gegangen zu sein hat mich mal nahezu umgebracht, denn da hatten dann schon die Metastasen gestreut und ich war eigentlich nicht mehr behandelbar. Man gab mir schon die Empfehlung, mir die Kiste zügig auszusuchen, wenn ich sie selbst noch wählen wollte. Ich kam dann an Ärzte, die sehr, sehr schnell, entschlossen und richtig reagierten, weil sie sagten, da wäre nichts mehr zu verlieren, also probieren wir aus wissenschaftlichen Gründen mal die derbe Nummer, dann kann er wenigstens posthum noch in ein wissenschaftliches Paper eingehen. Donnerstags war ich in Karlsruhe bei zwei Ärzten und bekam den Verdacht, Donnerstag abends Radiologie mit Bestätigung des Verdachts am Freitag morgen, dann hat der Arzt sofort nach einem Notfalltermin zusammentelefoniert, weil er einen Spezialisten in einer anderen Stadt persönlich kannte und den angerufen hat, Montags Noteinweisung Krankenhaus, Dienstag OP.

Das war 1990 in Karlsruhe.

Im Jahr 2018 in Berlin hätte ich das vermutlich nicht überlebt, weil die normale Ärztekette in dieser Geschwindigkeit nicht funktioniert. Hier wartet man 2 Monate auf einen Termin. Und dann weitere 2 Monate beim nächsten Arzt.

Ein zentrales Problem daran ist, dass die Zahl der von niedergelassenen Ärzten erbrachten Praxisstunden in Berlin erschreckend gering ist. Viele Praxen haben effektiv nur halbtags geöffnet. Es gibt auch Praxen mit mehreren Ärzten, die dann tatsächlich volle Öffnungszeiten haben, bei denen man dann aber wieder 2, 3 Monate warten muss, weil die die seltenen Ausnahmen sind und dann da halb Bagdad und Istanbul im Wartezimmer sitzt.

Dazu kommt dann noch das absurde Kassenwesen, bei dem man auch mal gesagt bekommt, dass für Kassenpatienten dieses Quartal gar nichts mehr laufe weil das Kontingent erschöpft sei.

Nicht alles, aber vieles davon ist ein Ergebnis der Frauenförderung.

Die Studienplätze in Medizin gehen inzwischen mehrheitlich an Frauen, und die arbeiten dann in ihrer eigenen Praxis (und ohne patriarchalischen Chef) meist nur halbtags. Bei einer Ärztin habe ich es in mehreren Versuchen nicht geschafft, überhaupt einen Termin zu vereinbaren, weil die immer in Urlaub war. Kurioserweise war das eine Gemeinschaftspraxis mehrerer unterschiedlicher Ärzte (wer als Arzt nicht mal halbtags arbeitet, will dann natürlich auch bei den Kosten sparen und macht so eine Ärzte-WG auf), und die Arzthelferinnen der anderen Ärzte sagten mir dann, dass sie für die keine Termine machen könnten und die auch kaum kennen würden, die seien alle so selten da, dass sie sich untereinander kaum treffen würden.

Damit zahlt der Steuerzahler zwar die teueren Medizinstudienplätze, bekommt aber durch die Frauenförderung immer weniger Praxis-Stunden dafür, weil viele Frauen das eben nicht so machen. Und viele üben den Beruf dann einfach auch gar nicht aus.

Warum hat der Steuerzahler eigentlich einer Ursula von der Leyen ein Medizinstudium finanziert, obwohl sie das kaum oder nie ausgeübt hat? Und warum bekommt sie dafür, dass sie ihren Beruf nicht ausübt, noch eine extrafette Pension?

Die Lösung wäre einfach: Studiengebühren.

Wenn jeder sein Studium bezahlen und hinterher abarbeiten müsste, dann hätten wir auch in Berlin und auch auf dem Land genug Ärzte und Praxisstunden, weil die dann nämlich arbeiten müssten.

Wir aber finden es politisch richtig, die teure und begrenzte Ressource Medizinausbildung an Leute zu vergeuden, die den Beruf dann nicht oder nur halbtags ausüben.

Aber Leute, die in ihrer Not, zeitnah keinen normalen Arzt mehr zu finden, in die Notaufnahme gehen, weil sonst nichts mehr übrig bleibt, die will man mit 50 Euro Gebühr abschrecken.