Ansichten eines Informatikers

Das passende Gejammer wie auf Bestellung

Hadmut
26.5.2018 18:22

Ein Leser weist mich darauf hin, dass in der FAZ wie auf Bestellung ein Artikel mit exakt passendem Geisteswissenschaftlergejammer erschienen ist:

Die schreiben heute: Lage der Geisteswissenschaften : Es gibt kein besseres Argument als ein gutes Buch – Von Friedemann Bieber und Jürg Berthold.

So über Michael Hampe, Professor für Philosophie an der ETH Zürich, und die ETH Zürich habe ich sowie gefressen und halte die für endkorrupt.

Der sinkende Stellenwert der Bücher verdeutlicht, dass die Geisteswissenschaften zunehmend Erwartungen unterworfen werden, die aus anderen Bereichen der Wissenschaft stammen. Nun lehrt Hampe an einer Technischen Hochschule, und in der Physik hat die Monographie eine andere Stellung. Stefan Collini aber, Professor für Englische Literatur und Intellectual History an der Universität Cambridge, berichtet aus Großbritannien etwas Ähnliches: Wer an der letzten Evaluation des Research Excellence Framework (REF) im Jahr 2014 teilnehmen wollte, musste grundsätzlich vier Publikationen vorweisen. Ein Buch zählte dabei genauso als Publikation wie ein Aufsatz.

Ist schon mal aufgefallen, dass es in den Gender Studies fast keine Bücher gibt? Da werden zwar ständig welche herausgegeben, das sind aber immer nur Sammelbände kurzer Aufsätze von vielleicht 4 bis 8 Seiten. Mit geringstem Aufwand ein Eintrag für die Publikationsliste erstellt, zumal da sowieso immer dasselbe leere Geschwätz drinsteht.

In gewisser Weise sind Geisteswissenschaften damit eine Strategie: Nämlich die universitätsübliche Währung, Veröffentlichungspunkte, mit dem geringsten Aufwand, dem größtmöglichen Beschiss zu erzielen. Einfach irgendwas blubbern und bei Gefälligkeitspublikationen einreichen. Die Regale sind voll von dem Schrott.

Im Prinzip haben die sich selbst kaputtinflationiert. Wenn man massenhaft wertlosen Papiermüll produziert, und dazu noch einen Wettbewerb aufbaut, wer – völlig qualitätslos – rein quantitativ den meisten Müll absondert, der darf sich eben auch nicht wundern, wenn Büchern ein immer geringerer Wert zugemessen wird. Es ist das alte banale Spiel von Angebot und Nachfrage. Das Angebot übersteigt die Nachfrage bei weitem. Viele Papers haben mehr Autoren als Leser.

Die Übertragung naturwissenschaftlicher Maßstäben auf die Geisteswissenschaften ist in Großbritannien besonders weit vorangeschritten. Auch im deutschsprachigen Raum sind klare Zeichen für diese Entwicklung erkennbar. Beispiele dafür sind die Zunahme kumulativer Dissertationen und Habilitationen, die Quantifizierung der Forschungsleistung im H-Index und die Arbeit in drittmittelfinanzierten Projekten, die sich an der vergleichsweise kurzen Laufzeit von Promotionen bemessen. Das erzeugt einen Legitimationsdruck, dem die Geisteswissenschaften kaum gerecht werden können.

Selbst schuld. Hätten sie sich mal beizeiten um geeignete Maßstäbe gekümmert – und nicht einfach immer nur Geld verbrannt und endlos Müll produziert.

Und die Frage ist natürlich, woran es liegt, wenn jemand einem Legitimationsdruck nicht gerecht werden kann: Am Druck oder an fehlender Legitimation. Ich will’s mal so ausdrücken: Wer überhaupt schon in Legitimationsdruck gerät, ist in der Beliebtheit nahe oder unter Null. Wer nämlich liefert, was gefällt, und nicht nur Rechnungen für nix schickt, der wird erfahrungsgemäß erst gar nicht nach Legitimation gefragt.

Eine Legitimation ist immer die Begründung für etwas, was der andere nicht will. Der Grund, etwas gegen den Willen anderer zu tun, etwas zu tun, was andere stört, was sie nicht wollen.

Klar ist, wer forscht, kann sich der Logik zunehmender Spezialisierung nicht entziehen. Das erklärt die wachsende Bedeutung der Journal- und Konferenzbeiträge. Hier finden die Diskussionen der Scientific Community statt, hier konnten sich die „Reputationsscores als zentrale Leitwährung“ etablieren, wie der Soziologe Stefan Mau in seinem Buch „Das metrische Wir“ (Suhrkamp, 2017) schreibt. Für Mau stehen sich in den Sozialwissenschaften mittlerweile journal people und book people gegenüber: „Es rivalisieren also zwei Reputationswelten miteinander, die ihre friedliche Koexistenz längst aufgegeben haben.“ Da die journal people als Gewinner wesentlich bestimmen, was in die Zählung eingeht, werden die Buchveröffentlichungen gemäß Mau nach und nach „invisibilisiert“.

Sicher?

Oder ist es nicht eher so, dass ein Buch einfach anstrengender ist und höheren Anforderungen unterliegt, weil man das Buch ja einzeln und separat kaufen muss, es also haben wollen muss, während man bei Konferenzbeiträgten jeden Scheiß vorlegen kann, weil die Teilnehmer oder Käufer sich ja nicht einzelne Beiträge raussuchen können. Der ganze Konferenzquatsch unterliegt einer ziemlichen Vermüllung, erlaubt aber Fernreisen, die man als Dienstreise abrechnen kann.

Das Problem ist also nicht die Spezialisierung als solche, sondern dass sich im Zuge der Messung des Forschungserfolges Kriterien und Verfahren etablieren, die falsche Anreize schaffen und ganze Felder kolonialisieren können. Man sollte den Begriff der Forschung in Bezug auf die Geisteswissenschaften deshalb mit Bedacht verwenden. Collini erinnert etwa an den englischen Begriff „scholarship“, der zunehmend durch „research“ verdrängt worden sei. Dabei hat „scholarship“ eine umfassendere Bedeutung. Der Blick des Scholars, oder zu Deutsch des Gelehrten, ist im Unterschied zu dem des Forschers nicht vorrangig auf die Zukunft, sondern zugleich auf die Vergangenheit gerichtet. Er orientiert sich nicht allein an den neuesten Publikationen, sondern steht in einer Tradition, hat einen Überblick über die Entwicklung seiner Disziplin und formuliert aus dieser Kenntnis heraus seine Fragen.

Das ist ein interessanter Punkt: Wofür arbeitet man da eigentlich? Geht es darum, sich selbst die Birne hochzurüsten und vollzupumpen, mit sich selbst zufrieden zu sein und das Wissen irgendwann mit in Pension, Alzheimer und Grab zu nehmen? Oder um ständig herumzubrüllen, was man so macht und ständig auf andere einzureden?

Hans-Ulrich Gumbrecht, emeritierter Professor für Komparatistik in Stanford, schlägt zumindest für Teile geisteswissenschaftlicher Praxis den ursprünglich theologischen Begriff der Kontemplation vor. Jenseits seines Lehrdeputats liest Gumbrecht mit Studenten verschiedener Fächer im kleinen Kreis ausgewählte Texte, kürzlich etwa Nietzsches Zarathustra. Er selbst, sagt Gumbrecht, erhalte dafür kein Geld, eine Studentin oder ein Student keine Punkte. Doch die gemeinsame Auseinandersetzung mit Texten sei nicht nur Quelle der Inspiration, sondern auch einer intellektuellen Kultur, die sowohl für das Leben der Universität als auch für die Gesellschaft zentral sei.

Selbst schuld. Gerade das haben die Sozio- und Genderwissenschaftler und die ganze linke Politik doch gerade selbst kaputtgeschlagen. Den Ast abgesägt, auf dem man saß.

Wie sich am Begriff der Forschung zeigt, ist die Frage der angemessenen Selbstbeschreibung keine Nebensache.

Ich habe die Humboldt-Universität auf Auskunft verklagt und sie konnten nicht, nicht im Ansatz Auskunft darüber geben, was man da 10 Jahre lang in Gender Studies eigentlich gemacht haben will. Das wäre echt mal ein Fortschritt, wenn sie – noch vor jeder Wertung – überhaupt mal sagen könnten, was sie da eigentlich machen und wofür sie Geld kosten.

Und wo Vorgaben aus den Naturwissenschaften übertragen werden, schrumpfen die vielfältigen Herangehensweisen der Geisteswissenschaften auf das Paradigma des Problemlösens zusammen.

Vielfältige Herangehensweisen, die andere als das Problemlösen seien? Probleme machen? Leute beschimpfen? Mobben? Prügeln? Hate Speech? Anonyme Hetzwebseiten? Politische Intrigen? Lüge? Desinformation? Soziologische Manipulationen?

In England etwa hat die Regierung die finanzielle Grundausstattung der Geisteswissenschaften 2012 massiv zusammengestrichen. Die Lehre soll in Zukunft über die auf bis zu neuntausend Pfund erhöhten Studiengebühren bezahlt werden, die wissenschaftliche Arbeit über Projektgelder. Das bedroht die Geisteswissenschaften vor allem an weniger renommierten Universitäten. I

Man muss sich mal die Frage stellen, warum jemand an Stelle einer Berufsausbildung auf Kosten anderer so einen Humbug betreiben und dann berufsunfähig dasitzen soll. Erst auf Steuerzahlerkosten studieren und dann als Sozialfall enden. Warum?

In der Lehre stellt die Kommodifizierung des Studiums das Ideal zweckfreier Bildung in Frage. Verschulden sich Studenten, wollen sie in der Regel sichergehen, dass sie mit ihrem Abschluss eine einträgliche Anstellung finden. Einige Fächer, etwa Kunstgeschichte und Altphilologie, sind daher in England hauptsächlich Kindern aus wohlhabenden Kreisen vorbehalten.

Es gibt kein Ideal zweckfreier Bildung. Und dass nur solche Kinder Geisteskrämpfe studieren, passt exakt dazu, dass es was für Leute ist, die ihren Unterhalt nicht selbst erarbeiten. So liegen sie wenigstens nur ihren Eltern und nicht anderen auf der Tasche.

Bei der Bewerbung um Forschungsgelder sollen Geisteswissenschaftler wie alle anderen auch den konkreten gesellschaftlichen Nutzen ihrer Arbeit benennen. Doch wie lässt sich dieser im Fall einer Monographie über die Darstellung von Tieren bei Kafka quantifizieren?

Durch die Zahl der Käufer und Leser?

Sollte man sich vielleicht mal mit dem Gedanken vertraut machen, dass eine Monographie über die Darstellung von Tieren bei Kafka einfach keinen gesellschaftlichen Nutzen hat und das niemand braucht. Dass es kein Problem der Darstellung, sondern des fehlenden Nutzens ist. Und sowas im Bereich des Hobbys und Privatvergnügens anzusiedeln ist.

Warum muss man jemanden als Professor, als Beamten für so einen Quark bezahlen? Ich hatte ja hier schon den, der sich mit den Innenaustattungen italienischer Kirchen befasst, weil’s ihm gefällt und er nichts besseres gelernt hat, und sich dann beschwert, dass ihm keiner dafür einen Job gibt. Warum sollten andere dafür zahlen?

Um sich falschen Maßstäben erfolgreich zu widersetzen, müssen die Geisteswissenschaften einen Weg finden, ihren Wert jenseits des Begriffs der ökonomischen Profitabilität und jenseits des engen Maßstabs quantifizierbaren Nutzens zu behaupten.

Den Wert jenseits der ökonomischen Profitabilität zu behaupten.

Was wäre denn dieser Wert? Vielleicht müsste man ihn erst mal selbst finden und artikulieren, bevor man ihn behauptet.

Und wie soll das überhaupt gehen, ohne ihn zu quantifizieren? Denn immerhin wollen sie Geld und Stellen. Geld und Stellen sind immer quantitativ. Wieviele Geisteswissenschaftler brauchen wir denn überhaupt und wieviel dürfen sie kosten? Warum reichen da nicht zwei Fakultäten für ganz Deutschland? Oder zwei Professoren?

Man kann nicht quantitative Forderungen stellen und dann sagen, der Wert dazu dürfe nicht quantifizierbar gemessen werden.

Ganz grundsätzlich können die Geisteswissenschaften geltend machen, dass sie eine Art der Reflexion menschlicher Erfahrung und Geschichte ermöglichen, ohne die wir uns selbst gar nicht begreifen können. Wie arm wäre unsere Welt ohne das Nachdenken über die Ursprünge menschlicher Kultur, ohne das Hinterfragen unserer Moralvorstellungen, ohne den Spiegel von Kunst und Literatur?

Nee, können sie nicht. Und ohne den Genderquatsch und die soziologischen massiv falschen Statistiken ging es uns sehr viel besser. Die richten faktisch Schaden an. Und Schaden braucht man nicht.

Oder, besser, wer wären wir noch? Das Bewusstsein über unser Gewordensein wäre matt, unser Blick auf die Zukunft haltlos, uns fehlten die Begriffe zum Formulieren existentieller Fragen.

So ein Blödsinn. Der Genderquatsch hat ja bewiesen, dass sie genau das nicht können. Leeres Geblubber.

In den staatlichen Evaluationen kann Stefan Collini, der Professor aus Cambridge, wissenschaftliche Monographien nur noch eingeschränkt „abrechnen“, doch eines der besten Argumente für den Wert der Geisteswissenschaften bleibt seiner Überzeugung nach weiter der Hinweis: „Lies das, das ist ein gutes Buch.“

Bisher, jedenfalls in den letzten 10 Jahren, habe ich da kein gutes Buch mehr gesehen.