Ansichten eines Informatikers

Kieze jetzt dekonstruieren!

Hadmut
1.5.2018 10:59

Leser haben mich noch auf bemerkenswerte linke Selbstwidersprüche hingewiesen. 😀 [Nachtrag]

Wir haben hier ja nun ständig eine Menge linker Gewalt, etwa gegen Autos, Stromleitungen, Häuser, neulich war irgendwas mit einer Bäckerei oder Gaststätte, dann war mal was im Zusammenhang mit den Samwer-Brüdern, jetzt gehen sie gerade gegen ein Hotel vor. Ständig geht es darum, dass man nach bestem Ossi-Pegida-Schema unter sich bleiben und Fremde aussperren und natürlich die Mieten niedrig halten, „Gentrifizierung” verhindern will. Und das eben auch mit Gewalt.

Ein Leser meint nun, das sei doch auch nichts anderes als eine „Dekonstruktion” der Kieze.

Da hat er trefflich recht. Verblüffend sogar.

Wenn ich mal mein über Jahre gesammeltes Wissen in linker Denke zusammennehme: Das Festhalten an Kiezen und die Gegenwehr gegen Veränderung ist konservativ und reaktionär. Alles Konservative ist die Grundlage von Rechtsradikalismus, deshalb brauchen wir Wandel und Fortschritt. Das Festhalten an alten Strukturen dient der Aufrechterhaltung von Stereotypen und Vorurteilen gegen Zuwanderer, und ohnehin sind Kieze nur gesellschaftliche Konstruktionen. Schon der Begriff Kiez dient nur der Aufrechterhaltung des Diskurses und muss als progressivitäts- und fremdenfeindlich überwunden werden. Als konservative Strukturen sind Kieze Brutstätten des Rechtsradikalismus, und da nicht wenige der Kieze schon in der Zeit des Nationalsozialismus bestanden oder mit ihm in den 1920-Jahren entstanden sind, waren sie die Grundlage des Nationalsozialismus. Damit müssen Kieze als soziales Konstrukt hinterfragt, in ihrer Gesamtheit dekonstruiert und aus dem Sprachgebrauch gestrichen werden. Wer fremdenfeindliche, identitäre, ausgrenzende und sich von der Gemeinschaft absondernde Begriffe wie „Kiez” verwendet, ist rechtsradikal. Deshalb müssen Kieze enteignet werden.

Kieze sind abgeschottete Wohngegenden Privilegierter (nämlich privilegiert in Bezug auf billiges Wohnen). Die Gegenwehr schon die Wahl fremdenfeindlicher Begriffe wie „Gentrifizierung” beruhen nur auf Ängsten vor überfälligen Privilegienverlusten. Da Mieten hohe Auswirkungen auf die soziale Stellung haben, besteht eine Gerechtigkeitslücke, der nur mit Schwaben-, Mercedes- und Millionärsquoten zu begegnen ist. Jeder Kiez muss künftig die Erfüllung einer Quote nachweisen, und wenn die Quote nicht positiv erfüllt werden kann, dann müssen im Gegenzug Wohnungen leerstehen bleiben, um die Quote zu erfüllen (wie bei Frauenquoten in Vorständen). Gläserne Decken für Schwaben müssen abgebaut und gesellschaftliche Konstrukte und patriarchalische Strukturen aufgelöst werden.

Gerechtigkeit jetzt, für eine gerechtere Welt, Gerechtigkeit für Schwaben, Fremdenfeindlichkeit und Monokulturen abbauen, die Kieze müssen bunt werden.

Passt doch genau, oder? 😀

Ein anderer Leser bedauert zutiefst, dass man die Plattform indymedia/linksunten abgeschaltet hat, denn darauf habe es einen famos selbstentlarvenden Artikel gegeben, in dem beschrieben wurde, wie Linke Antisemitismus diagnostizieren, ähnlich natürlich wie Rasissmus und Sexismus und so. Leider nicht mehr online, aber falls da jemand noch eine Kopie hat, gerne an mich.

Der Leser fasst es deshalb aus dem Gedächtnis sinngemäß zusammen, worauf ich es noch einmal paraphrasiere und kommentiere:

Unsere Gesellschaft, so linkes Credo, sein einfach strukturell antisemitisch. (Klar: Wenn man von vornherein das Ergebnis der Betrachtung unterstellt, kommt das Ergebnis immer raus, wie bei Religiösen.) Wir lebten in einer „strukturell“ antisemitischen Gesellschaft. Leider merke man von diesem strukturellen Antisemitismus selbst oft nichts, nichts, man brauche da schon linke Experten, die die Struktur zu Tage fördern. (Klar: Gott merkt man auch nicht, da braucht man immer Gläubige, die einem sagen, dass das so wäre.)

Bei dieser Struktur handele es sich um sowas wie die „Denkstruktur“ der Nazis. Es genügt demnach so zu denken wie die Nazis in Bezug auf die Juden dachten und fertig ist der „strukturelle Antisemitismus“. Man muss hier nicht an Juden denken, sondern man kann denken an wen man will, es genügt so zu denken wie die Nazis über Juden dachten. (Ach, deshalb hält die Berliner SPD gerade jeden, der vor Antisemitismus warnt für einen Antisemiten, weil man damit ja was gegen Palästinenser sagt und somit quasi analog zu Nazis denkt. Damit ist also jeder, der überhaupt irgendwie gegen irgendwas ist, ein Antisemit, weil man damit wie ein Nazi denkt, denn die waren auch irgendwie gegen irgendwas.)

Der Leser erinnert sich an Beispiele, ist sich dabei aber nicht sicher, ob die nicht doch aus dem spöttelnden Kommentarbereich stammten, was ich jetzt aber wieder ausschließen kann, denn linksunten hat spöttelnde Kommentare ja nie zugelassen. Ich habe da mal was kommentiert, war nach Minuten schon wieder gelöscht. Eins suche ich mal raus:

Wer den „Reichen“ oder dem „Kapital“ die Alleinschuld an den Zuständen in der Welt gibt denkt wie ein Nazi, nur ersetzt derjenige halt die „Juden“ durch die „Reichen“, struktureller Antisemitismus ist es aber allemal. (Anmerkung: Man muss hier dem Proletariat eine Mitschuld an den Zuständen geben, dann gehts. Das gilt auch bei „Aktionen“, da wird dann vom Prinzip her empfohlen, und das ist kein Witz, dass man, wenn man zB einen neuen Porsche anzündet doch bitte auch noch einen alten Kleinwagen anzündet, sonst ist man wohl dem strukturellen Antisemitismus erlegen.)

Mit dieser Sichtweise könne man übrigens nach Antisemitismus „forschen“ ohne den Probanden auch nur eine einzige Frage über Juden oder Israel zu stellen. Man kann „antisemitische Parallelen“ zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen „messen“, usw…

Bingo. Irgendwo hatte ich neulich, mir fällt nur gerade nicht mehr ein, wo – war das Frankfurter Schule? – jedenfalls im Zusammenhang mit bekloppten Soziologen, irgendso einen Nazi-Test entwickelt, bei dem keine einzige Frage etwas mit Nazis zu tun hatte, man aber meinte, typische (..Stereotypen…) Eigenschaften von Nazis entdeckt zu haben und diese mit dem Fragebogen zu diagnostizieren. Man wird also kein einziges Mal auf irgendein Nazi-Thema angesprochen, und trotzdem hinterher zum Nazi erklärt, weil man irgendwelche geheimnisvollen Korrelationen (die Soziologen ohnehin nicht von Kausalitäten unterscheiden können) aufweisen. Wenn man — etwas überspitzt gesagt — also rausgefunden haben will, dass Nazis bei Kälte Mützen tragen, und man den Fehler begeht, auf die Frage nach Winterbekleidung zu antworten, dass man eine Mütze trägt, ist man schon als Nazi entlarvt. Deshalb kommen die auch so leicht darauf, dass die Deutschen zu 20% Antisemiten seien. (Klar, lässt sich leicht nachprüfen: In Deutschland trägt man viel mehr Wintermützen als in Israel.)

Was aber im Ergebnis heißt, dass alle Linken natürlich Antisemiten sind. Denn die üben ja alle ganz heftig Kapitalismuskritik. Und das ist zweifelsohne antisemitische Nazidenke. Nach ihrer eigenen Logik sind alle Linken Erz-Antisemiten.

Nachtrag: Ein Leser hat mein Gedächtnis aufgefrischt. Der komische Nazi-Test war die „F-Skala” von Theodor Adorno u.a.. Ich hatte, es doch noch in Erinnerung, es war die Frankfurter Schule, mir fiel nur der Name spontan nicht mehr ein.

Hier gibt’s einen Artikel darüber. Wie so ein Scientology-Test.