Ansichten eines Informatikers

Keine Zusendung mit Lizenzbedingungen

Hadmut
19.4.2018 19:30

Mal eine Durchsage in eigener Sache.

Ich bekomme unzählige Hinweise, Informationen und Zuschriften. Mündlich-persönlich, telefonisch, persönlich übergeben, per Post, per Einwurf, elektronisch und noch einige andere Arten.

Das ist gut so. Das Blog lebt davon. Bei dieser Gelegenheit vielen Dank.

Leider kann ich nicht immer alles und nicht immer alles sofort bearbeiten. Manchmal fehlt mir die Zeit, manchmal habe ich schlicht Wichtigeres zu tun, und ab und zu brauche ich auch mal Freizeit. So stapeln sich die Bücher, die ich zum Lesen oder zur Rezension zugeschickt bekommen habe, und ich würde sie auch gerne alle lesen und besprechen, aber es geht halt nur im Rahmen der Zeit, die ich habe. Wenn ich könnte, wie ich wollte, würde ich mich auf Redaktionsstärke klonen.

Bevor hier ein falscher Eindruck entsteht: 97,283% der Zuschriften und Zusender sind sehr nett, seriös, erwünscht, nützlich, hilfreich, gern willkommen. Ich will da jetzt keinen abschrecken oder jemandem auf die Füße treten, es möge bitte niemand in den falschen Hals bekommen. Mir geht’s um den kleinen Rest.

Nicht immer sehen Leute das nämlich auch ein, gelegentlich kommt es vor, dass Leute Hinweise wiederholen, bis ich sie endlich verarbeite, oder gleich danach anfragen, warum das noch nicht im Blog steht. Neulich bin ich zum ersten und bisher einzigen Male am Telefon laut und heftig geworden, weil einer zum wiederholten Male anrief und wissen wollte, warum ich seinen Hinweis nicht aufgenommen und verarbeitet habe (er verwies mich auf ein Gesetz, das ich unter diesem Namen nirgends finden konnte, er konnte auch selbst nicht sagen, wo er das gesehen haben will), und als ich ihm sagte, dass ich anderes zu tun hatte, als nach einem nicht auffindbaren Gesetz weiter zu suchen, verlangte er eine Darlegung, was ich denn wichtigeres zu tun gehabt hätte als mich spätabends um seine Sachen zu kümmern. Meine Reaktion verlief ausnahmsweise exotherm. Auch von anderen Bloggern habe ich schon ähnliches gehört, etwa dass man ihnen Konvolute über 100 Seiten zuschickt und sich dann eine Stunde (!) später telefonisch beschwert, warum es noch nicht im Blog steht.

Es erinnert mich in gewisser Weise an die Leute, die nicht ertragen konnten, dass ich ihre Kommentare nicht durchlasse, als ich noch Kommentare im Blog hatte. Sie hätten das Grundrecht der Meinungsfreiheit und damit einen Anspruch, auch auf meiner Seite zu schreiben. (Deshalb hatte ich ja mal den Slogan Mein Blog, meine Meinung – Dein Blog, Deine Meinung gebildet.)

Den Vogel abgeschossen hat jetzt aber ein anderer. Einer schickte mir Informationen in Form einer Studie elektronisch auf einer CDROM samt Brief, die er für enorm wichtig und bloggenserforderlich hält. Eine Studie, die er auf Eigeninitiative und eigene Kosten erstellt habe. Er sehe sich gezwungen, öffentlich zu warnen. (Von mir aus…kann er gerne tun, ich habe nichts dagegen. Der Punkt ist aber, dass wenn er sich gezwungen sieht, sich diese Einschätzung nicht notwendigerweise auch auf mich überträgt, ich verspüre da gerade keinen Zwang, mich zu beteiligen.)

Nun bin ich ja grundsätzlich schon mal vorsichtig und skeptisch, wenn ich fremde Datenträger unverlangt zugeschickt bekomme. Liegt so im Beruf.

Der nun aber ist mit einem versiegelt („Security Seal”) und anbei ein Lizenzvertrag „Privatperson – private Nutzung” mit dem Zusatz „ACHTUNG: durch Öffnen der versiegelten Packung des Datenträgers anerkennen Sie unsere Lizenzbedingungen und erlischt ein allfälliges Rückgaberecht.”

Sowas gibt’s in Amerika, aber nicht bei uns. Man kann einem Gegenstand gegenüber keine Willenserklärung abgeben. Und was ich unverlangt in meinem Briefkasten finde, kann ich auch untersuchen, ohne einen Vertrag einzugehen – wenn ich will. (Ich will nicht.)

Dazu eine Erklärung im Anschreiben:

Ihre Einsicht in die Studie erfolgt als Journalist auf Basis der Nutzungsbedingungen „Lizenzvertrag Privatpersonen”. Die übermittelte CD enthält zusätzlich auch einige Bilder und Dokumente, die ggf. für die Pressearbeit in unveränderter Form nutzbar wären. Falls Sie weitere Unterlagen oder Informationen benötigen, bitte ich um Kontaktaufnahme.

Mal abgesehen davon, dass sich das selbst widerspricht, wenn es einerseits für die Privatnutzung lizenziert sein, andererseits aber für die Pressearbeit genutzt werden soll: Warum sollte ich das überhaupt wollen und wie käme ich dazu, Bilder zu veröffentlichen, von denen ich erstens nicht weiß, was überhaupt darauf ist und zweitens nicht weiß, wer Urheber ist, und drittens: Ja gerade kein Veröffentlichungsrecht eingeräumt bekomme. Laut Lizenzbedingungen habe ich nur das persönliche Recht, die „gelieferten Dokumente ausschließlich zum eigenen Gebrauch vertragsgemäß einzusehen und zu nutzen”. Also gerade nicht im Blog? Mal abgesehen davon, dass man die Nutzung auf den eigenen Gebrauch beschränken kann, aber nicht das Ansehen. (In Amerika gibt es sowas, die wollten dort mal Spielekonsolen beibringen, per Kamera zu analysieren, wer vor dem Fernseher sitzt und spielt und entsprechend abzurechnen.) Und sowas soll ich bloggen?

Was soll ich von jemandem halten, der gleichzeitig krampfhaft versucht, sein Werk vor öffentlicher Verbreitung zu schützen, und von mir erwartet, es öffentlich zu verbreiten? Was kann dessen Studie taugen?

Warum soll ich überhaupt einen Vertrag mit jemandem eingehen?

Bei Softwareverträgen habe ich ja schon arge juristische Zweifel, ob das amerikanische Konzept hier gültig sein kann. Man kauft was im Laden, hat also einen Kaufvertrag mit dem Händler, und soll dann zusätzlich noch einen Nutzungsvertrag mit dem Hersteller per Öffnen der Packung oder irgendwelches Online-Gebimsel abschließen. Oder man kauft einen Tablet-Computer und bekommt nach dem Auspacken (und dann alle vier Wochen) angezeigt, dass man den zwar vielleicht gekauft habe, ihn aber trotzdem nur benutzen kann, wenn man mit dem Hersteller einen Vertrag abschließt, dessen 743-seitige AGB akzeptiert, und seine Seele, seine Daten und sein Telefonbuch aufgibt.

Aber: Selbst bei solchen Wahnsinnsverträgen sehe ich immerhin vorher, was ich eigentlich kauen will, Software oder Tablet, und die Initiative geht in der Regel von mir selbst aus. Hier weiß ich nur ganz grob das Thema, weiß aber nicht mal, was mich da drin erwartet und warum ich dafür überhaupt Zeit aufwenden soll.

Und soll ich mich mit diesem seltsamen Lizenzvertrag auch noch auf einen Gerichtsstand im Ausland einlassen.

Und bekomme dann auch noch die Verantwortung umgehängt:

„Der Lizenzgeber weist darauf hin, dass mit dieser Studie im wissenschaftlichen Sinne Wissen geschaffen und ein Diskussionsprozess über die darin vorgestellten Fragestellungen angeregt werden soll. Wissen schaffen bedingt die Methode der Falsifikation. Der Lizenznehmer ist verpflichtet, kritisch die angeführten Thesen zu prüfen und zu hinterfragen. Jeder Nutzer muss sich eigenverantwortlich und selbständig ein Bild von den vorgestellten Themen und Fragestellungen machen.

Ich glaub’, ich steh’ im Wald. Jetzt soll ich auch noch die Verantwortung für dessen Thesen übernehmen. Praktisch die Dienstleistung der Nachprüfung, der Publikation und der Übernahme des inhaltlichen Risikos erbringen. Kostenlos. Dabei hat der selbst eine Webseite. Warum publiziert er es da nicht selbst? Wozu braucht der da mich?

Wird behandelt, wie das rechtlich für unbestellt zugeschickte Ware vorgesehen ist: Ich werde das ungeöffnet noch eine Zeit lang hier aufbewahren und zur Abholung bereit halten, dann geht’s irgendwann nach angemessener Zeit in den Hausmüll.